Interview mit Underoath (November 2006)

Es ist ein leicht regnerischer Tag in Köln und die diesjährige „Taste of Chaos“-Tour macht in der Rheinmetropole Halt. Das Line-Up kann sich hören wie sehen lassen, unter anderem sind die Christ-Rocker von UNDEROATH bei der Tour dabei. Deren Beisein stand wenige Monate zuvor jedoch noch auf Messers Schneide. Denn nachdem UNDEROATH die „Warped Tour“ verließen, kochte die Gerüchteküche fast über. Fat Mike solle Schuld an dem Ausstieg gewesen sein, was Keyboarder Chris Dudley im Kellergewölbe des E-Werks jedoch vehement bestreitet. „Ich habe davon natürlich auch gehört, aber da ist nichts dran. Der Grund für unseren Ausstieg bei der „Warped Tour“ waren Probleme in der Band, große Probleme sogar. Bei UNDEROATH sind wir zuerst Freunde, dann kommt die Band. Wir waren an einem Punkt, an dem uns der Spaß verloren gegangen ist, zudem hatte unser Sänger Spencer noch weitaus größere persönliche Probleme. Wir hatten nun die Möglichkeit, den Sommer noch zu überstehen und dann weiterzuschauen, wahrscheinlich hätten wir uns aber dann aufgelöst. Also haben wir beschlossen, sofort einen Cut zu machen und die Tour abzubrechen. Jeder hatte seine eigenen Gründe dafür und letztlich war es auch die richtige Entscheidung.“

Genaueres über die Beweggründe wollte sich Chris nicht entlocken lassen, dafür aber war die Wiedervereinigung so, wie man sie von Gläubigen erwartet. „Wir haben uns dann zu Hause nach ein paar Tagen getroffen, haben eine Messe abgehalten, gebetet und uns viel über alles Mögliche, was uns bewegt, unterhalten. Danach war es so, als wenn wir eine neue Band wären. Wäre es nicht so gekommen, wir hätten wohl Schluß mit der Band gemacht. So aber war es, als wenn wir uns um 180 Grad gedreht hätten und wir auf jeden Fall das zu Ende bringen wollten, was wir in den letzten Jahren begonnen hatten. Das alles hat uns stärker gemacht, als je zuvor und wir sind näher zusammen gewachsen, als je zuvor.“

Dass UNDEROATH gläubige Christen sind, dürfte nicht neu sein. Dass sie dies auf ihren Konzerten zum Thema machen, ist ihr gutes Recht. Als Propheten sehen sie sich allerdings weniger, denn natürlich freut es sie, wenn sie die Leute mit ihrer Botschaft erreichen. Überfallen wollen sie diese jedoch nicht. Auch nicht auf der „Taste of Chaos“-Tour, bei der mit ANTI-FLAG ein politischer Gegenpol mit an Bord ist. „Für mich macht es keinen Unterschied, ob wir jetzt mit einer gläubigen Band spielen oder nicht. Ich bin nicht hier, um die Leute von dem zu überzeugen, was ich glaube. Wenn sie das möchten oder genauso denken, dann freut mich das natürlich“. Doch nicht nur UNDEROATH sind für den Herrn unterwegs, auch George W. Bush sieht sich im Auftrage Gottes berufen. Diese Auffassung allerdings teilen UNDEROATH mitnichten, ohne sich jedoch einem politischen Kommentar herzugeben. „Ich habe eine andere Meinung zu Gott und zu Jesus. Jesus hat keine Leute um sich geschart, um andere zu unterdrücken oder seine eigenen Interessen voranzutreiben. Er hat sich mit den Leuten unterhalten, hat ihnen Kraft gegeben und ihnen geholfen. Ich bin in dem ganzen politischen Kram nicht so drin und interessiere mich auch nicht so sehr dafür, wie beispielsweise ANTI-FLAG hier auf der Tour. Genau dies ist deren Anliegen, sie wollen politisch etwas verändern. Ich bin hier, um Leute zu treffen, mich mit ihnen zu unterhalten, dieses Interview hier zu geben. Ich bin nicht hier, um Statements gegen irgendetwas zu machen. Ich habe nichts gegen Leute wie ANTI-FLAG, wir verstehen uns und haben auch schön öfters über viele Themen diskutiert (lacht).“

Mit ihrem aktuellen Album „Define the Great Line“ verließen UNDEROATH wieder die poppigeren und eingängigeren Pfade, die sie mit „They’re Only Chasing Safety“ einschlugen. Ganz zufrieden waren sie damit scheinbar nicht, auch wenn man dies nicht explizit sagt. Vor allem, weil bei den letzten Festival-Auftritten die Hits des Albums weitgehend übergangen wurden. „Dass wir wieder härter geworden sind, hat nichts mit einer Änderung der Arbeitsabläufe oder so zu tun. Bislang hatten wir jedes Mal, sobald wir aus dem Studio kamen, das Gefühl, dies oder das hätten wir anders oder besser machen können. Bei „Define the Great Line“ hatten wir dieses Gefühl nicht, erstmalig waren wir zu 100 Prozent zufrieden mit einem Album. Wir wussten bereits früh, dass es härter werden würde als „They’re Only Chasing Safety“. Hätten wir dieses nochmals aufgenommen, hätten wir vielleicht auch mehr Druck verspürt. Dass wir weniger catchy Songs aufgenommen haben, hat uns den Druck also genommen. Jedes Album war an dem Punkt, an dem wir es gemacht haben, genau das, was wir wollten. Ich bin nicht der Typ, der im Nachhinein sagt, dies war aber damals Scheiße, das mag ich nicht mehr. Das will ich in fünf Jahren auch nicht über „Define the Great Line“ sagen. Aber wir als Band verändern uns nun mal, unser Geschmack verändert sich. Wir könnten nicht noch mal das Gleiche machen, das wir bereits gemacht haben. Insofern war der Schritt zu „Define the Great Line“ für uns selbstverständlich.“

Mit neuem Material darf man bei UNDEROATH so schnell nicht rechnen, wenngleich erste Songs bereits in Arbeit sind, allerdings noch im Anfangsstadium. „Wir haben jetzt einen und einen halben Song fertig. Aber die Lyrics stehen noch nicht. Spencer hat dieses Buch, in das er all seine Gedanken und Eindrücke hineinschreibt. Wenn er dann die Lyrics zu den Songs schreibt, dann nimmt er Teile aus diesem Buch und setzt sie zusammen. Genaueres kann man also noch nicht zum neuen Album sagen, oder wann es erscheint.“

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