Interview mit Ryker’s (September 2019)

Photo credit: Sonja Leonhard

Beginnen wir politisch: Welche Emotionen überkommen dich, wenn eine Partei wie die AfD in ostdeutschen Bundesländern in der Spitze rund ein Drittel der Wählerstimmen einheimst?

Chris: Es ist menschlich und OK, Fehler zu machen. Allerdings ist es erstrebenswert, aus diesen Fehlern zu lernen und nicht dieselben Fehler in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Die menschliche Spezies scheint nicht besonders lernfähig zu sein. Emotion? Nur noch Trauer!

Kommen wir zu einem angenehmeren Thema: Im Mai habt ihr euer jüngstes Album „The Beginning… Doesn’t Know the End“ herausgebracht. Die darauf transportierte Intensität hat euch sicher nicht mehr jeder zugetraut. Wie ist die Platte von Fans und Kritikern aufgenommen worden?

Chris: Bisher sind die Reaktionen überaus positiv, da viele Leute spüren, wie echt und authentisch das Ganze rüberkommt und dass wir ein frisches, zeitgemäßes Album mit relevanten Texten und einer bärenstarken Produktion abgeliefert haben. Es ist immer noch RYKER‘S, allerdings 2019. Wir gehen lieber unseren eigenen Weg, als auf irgendwelchen ausgelatschten Pfaden zu wandeln. Natürlich möchten manche Personen immer wieder „Brother Against Brother“ Part 37, aber sorry, das wäre doch auf Dauer zu langweilig, oder?

Auf „The Beginning…“ habt ihr den alten Hit „Cold Lost Sick“ mit Gastsängerin als Ballade neu aufgenommen. Wie kam es zu dieser Idee?

Chris: Die Idee steht schon sehr lange. In unseren Augen ist ein guter Song – ein guter Song. Mit Rebecca, einer langjährigen Freundin von mir, haben wir dann auch sofort die einzig richtige Sängerin dafür gewinnen können. Das Resultat hat uns selber umgehauen – aber ist halt Geschmacksache.

Die Texte scheinen sich punktiert weniger mit „klassischen“ Hardcore-Themen als vielmehr eurer eigenen menschlichen Entwicklung zu beschäftigen. Wie viel Selbstreflexion steckt in „The Beginning…“?

Chris: Eine ganze Menge, wie du bereits erkannt hast. Wir sind ja inzwischen ein, zwei Jährchen älter und da gibt es viel Erlebtes, das es einfach wert ist, niedergeschrieben zu werden. Wir brauchen da nicht irgendwelche abstrusen Phantasie-Themen oder Gedankenspiele, wir sind hier auch textlich die eigentlichen Protagonisten. (Ich musste das Wort jetzt einfach mal irgendwie unterbringen 😉 #gutgebrülltlöwe

Euer aktueller Langspieler ist, wie die beiden Vorgänger auch, über Beatdown Hardwear veröffentlicht worden. Wie kam es nach der neuerlichen Band-Reunion zur Zusammenarbeit?

Chris: Ziemlich einfach. Freunde haben uns BDHW empfohlen, Toni und ich haben lange, sehr lange, telefoniert und es hat sich richtig angefühlt. Ich würde den jungen Mann inzwischen als Freund bezeichnen – und ja, sowas ist mir wichtig!

Seit der Neugründung 2013 gebt ihr in allen Belangen Vollgas. Selbst der Ausstieg von Ur-Frontmann Kid-D. hat euch nicht zurückgeworfen. Was beflügelt euch, dem Hardcore auch 27 Jahre nach Bandgründung euren Stempel aufzudrücken?  

Chris: Ach, ich könnte jetzt all die Phrasen runterbeten, aber das ist irgendwie nicht meins…

Eine nette junge Dame aus NY hat das mal in paar Wörtern (in gebrochenem Deutsch) recht treffend zusammengefasst: „Ich liebe Hardcore, das ist meine Scheiße!“ Das würde ich so stehenlassen. (Anmerkung: Kann man auch im Video „The Age of…“ sehen)

Übrigens sind wir alle gut befreundet mit Kid, der das neue Album auch schön abfeiert.

Wie stark haben sich die Neubesetzungen der vergangenen Jahre auf den kreativen Schaffensprozess ausgewirkt – und wie hat euer Sound davon profitiert?

Chris: In jeder Hinsicht, alle bringen sich ein und bringen einen entsprechenden Schwung (…und musikalische Fähigkeiten) mit, damit kann man das Wort „Stagnation“ einfach wegblasen.

Photo credit: Sonja Leonhard

Wenn du auf die letzten Jahrzehnte zurückblickst, wie hat sich die Hardcore-Szene nach deiner Ansicht verändert?

Chris: Oh, das ist eigentlich ein sehr facettenreiches Thema, da kannste ’ne Doktorarbeit drüber schreiben. Das fängt ja schon bei der Definition von Hardcore an… Ich sag einfach mal: früher Underground, heute eher Teil des Mainstreams – wobei man sich dann fragen kann, was ist überhaupt noch „Underground“?

In der jüngeren Vergangenheit habt ihr (wieder) mit nahezu allen bedeutsamen Hardcore-Verfechtern die Bühne geteilt. Sind solche Veranstaltungen – auch hinter der Bühne – wie große Familientreffen?

Chris: Ha, ha, ha… ja absolut, auch in der Familie muss man ja nicht jeden mögen und es gilt auch hier manchmal der alte Slogan: mehr Schein als Sein.

Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Wächst in ideologisch aufgewühlten Zeiten wie den aktuellen nach eurer Auffassung die Bedeutung der Musik – immerhin können sich Punk und Hardcore wieder als echte Gegenbewegung positionieren?

Chris: Können sie das? Die Menschen lassen sich alle so leicht manipulieren. Es gab da vor einiger Zeit mal so eine Band, die war so richtig ‚positionierte Gegenbewegung‘ – aber scheinbar auch nur nach außen… man sollte hin und wieder vor der eigenen Haustüre kehren und sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Gesunder Menschenverstand ist besser als eine doktrinäre „Gegenbewegung“.

Was steht für euch für den Rest des Jahres noch auf dem Programm?

Chris: Ein paar nette Clubshows, u. a. in Mieste und Lugau, ein kurzer Abstecher nach Frankreich, um mit AGNOSTIC FRONT, THE TAKE (let’s have a beer Will) und den mächtigen COCK SPARRER zu rocken und im Winter dann auch eine Mini-Tour mit unseren Label-Mates BORN FROM PAIN und SLOPE. Soll für dieses Jahr auch reichen… und dann gehen wir die Festivals 2020 an… Ich denke, dass wir das können, haben wir mehr als genug bewiesen 😉

Und auch die letzten Worte gebühren dir:

Chris: Be yourself and no one else! Vielen Dank für die Unterstützung! Cheers, Chris

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