Interview mit Run, Melos! (Mai 2021)

Ein freundliches Hallo nach Niedersachsen. Wie ist es um euer Befinden in der mutmaßlich abklingenden Pandemie bestellt?

Joana: Hey ho! Ich würde sagen: meh! Es geht uns allen gut, aber wir merken schon, dass es sehr aufs Gemüt schlägt. Wir haben seit unseren Aufnahmen im Oktober nicht mehr zusammen gespielt – das macht schon sehr traurig. Aber was willste machen, ne?

Wir haben aber immer mal wieder Videocalls genutzt und Werner, unser Gitarrist und Songwriter, hat die Zeit fleißig genutzt und schon wieder etliche Songs vorbereitet.

Pünktlich zum Valentinstag ist euer Debütalbum „It Gets Easier“ erschienen. Nach VISIONS-Empfehlung und illegaler Download-Option auf russischen Servern keimte der Eindruck auf, ihr wäret im Licht der Öffentlichkeit angekommen. Wie viel Helligkeit ist davon drei Monate später zu spüren?

Joana: Eine illegale Download-Option auf französischen Servern, soviel Zeit muss sein. Abgesehen davon gab es da eine Woche, die wir als „Fame-Week“ bezeichnet haben und eine kleine Fame-Week 2.0. VISIONS, Brandenburg Radio, Hamburger Musik-TV, Uni Radio, für uns war und ist das ein Riesending – wir freuen uns über jede Person, die dazu gezwungen wird, unsere Songs zu hören. Also noch einmal ein großes Dankeschön an alle, die das möglich gemacht haben.

Aber sein wir ehrlich: Davon ist nicht viel übriggeblieben, außer schöne Erinnerungen. Vielleicht wäre davon mehr geblieben, wenn wir auch direkt Auftritte hätten spielen können. Aber du weißt ja…

Der Pressetext zur Digitalbemusterung war in seiner ironischen Selbstherabwürdigung ein willkommener Kontrast zu dem, was es als Musikschreiber sonst zu lesen gibt. Wie erfolgreich war die Maßnahme im Hinblick auf die Anzahl propagierender Rezensionen?

Joana: Für den Text ist wie immer unser persönlicher Pressechef, Werner, verantwortlich. Wir freuen uns über die Rezensionen, die geschrieben wurden. Vor allem, von so einem Thomas, das hat uns besonders gut gefallen.

Aber es hätten natürlich mehr sein können – das nächste Mal legen wir noch mehr Nacktbilder dazu, vielleicht hilft das.

Und wie ist das Medienecho auf „It Gets Easier“ insgesamt ausgefallen?

Joana: Wir sind auf einem Level an Bekanntheit, wo es von 97% gar keine Reaktion gibt, 1% finden unsere Sachen ok und 2% finden sie gut. Ein Reviewer-Kollege von dir hat geschrieben, wir würden „konsequent unseren Stiefel durchziehen“ und das ernsthaft als Kritik gemeint, was wir bis heute nicht verstehen.

Qualitätsmedien wie HANDLEMEDOWN oder das MAGASCENE aus Hannover haben da schon eher durchschaut, dass das genau unser Ziel ist. Insgesamt sind wir also eigentlich schon zufrieden. Gleichzeitig hat uns „It Gets Easier“ bei ein paar Bands aus der Szene bekannt gemacht und wir haben auch mit einem Independent-Label gesprochen. Ob daraus was wird, dürfen wir noch nicht verraten…

Was könnt ihr zum Kreations- und Produktionsprozess des Albums erzählen?

Joana: Da ist eigentlich alles beim Alten: Werner schreibt in seiner Man-Cave die Gitarren, wirft mir die Tabs über den Flur für den Bass, wir grübeln zusammen am Gesang und am Ende schmeißen wir noch Schlagzeug drauf. Dann merken wir im Proberaum, wie scheiße das klingt, drehen hier und da nochmal dran, üben den Song nochmal lauter und am Ende gibt’s noch schön Gesangsharmonien.

Bei zwei Songs hatten wir zwar schöne Ideen, aber niemand von uns war in der Lage, das vernünftig umzusetzen. Deshalb haben wir für „The Day Before the Future“ unseren Kumpel Max gefragt und für „In This House We Obey the Laws Of Thermodynamics“ unseren ehemaligen Drummer und Sänger Andy verpflichten können. Im Studio haben wir dann noch ein paar Kleinigkeiten eingebaut (Piano, Percussions, Gangshouts, noch mehr Zweitstimmen), so wie man das halt macht.

Aber wir waren im Laufe der Aufnahmen dann schon etwas eingeschränkt mit verstärkten Auflagen wegen der Seuche. Aber wir haben das Beste draus gemacht und wir hatten vor allem am Anfang viel Spaß zusammen.

Hegt ihr Pläne, „It Gets Easier“ auch physisch zu veröffentlichen?

Joana: Wir haben hier 20 CDs rumliegen, wenn du eine haben willst. Aber mehr planen wir eigentlich nicht.

Unsere erste EP „Whateverest“ liegt noch in 400-facher Ausführung bei meinen Schwiegereltern im Keller. Es will einfach niemand mehr CDs haben und von uns natürlich sowieso schon gar nicht.

Im vergangenen Jahr hat die Debatte um Sexismus und Frauenfeindlichkeit im alternativen Musiksektor (sei es durch Veranstalter, Publikum etc.) auch in Deutschland spürbar an Schub gewonnen. Habt ihr in der Vergangenheit ebenfalls negative Erfahrungen dieser Art erleiden müssen?

Joana: Wir freuen uns, dass Themen wie Sexismus, Rassismus oder Homophobie immer mehr in die Öffentlichkeit gelangen und Bereiche, wie die Musikszene, gezwungen werden, ihr Handeln und Denken zu reflektieren. Wird langsam mal Zeit!

Die Hannoversche Szene, in der wir uns bisher aufgehalten haben, war immer gut zu uns. Die ganzen Metalheads, mit denen wir vor allem in unserer Anfangsphase Bühnen geteilt haben, waren immer sehr vorbildlich. Manchmal gab es Vorurteile, dass wir Frauen nur die Freundinnen sind und freundlicherweise das Equipment mit in die Location tragen. Und es gab auch mal herablassende Kommentare wie „für eine Frau kannst du das aber ganz gut“.

Aber gleichzeitig wurden wir auch von Menschen, besonders Frauen, gelobt, dass wir als gemischte Band sichtbar sind und es doch mehr davon geben müsste.

Welche Maßnahmen müssten nach eurer Auffassung ergriffen werden, um den bestehenden patriarchalen Status quo (zumindest in der Musikwelt) zu ändern?

Joana: Ich glaube, wenn wir das Problem in einer von elf Fragen in einem Musikinterview lösen könnten, hätten wir es schon im letzten Interview versucht.

Spaß beiseite: Die Frage ist super wichtig, da geht es schon los – alle müssen erst einmal überhaupt anerkennen, dass strukturelle Probleme wie Sexismus, Homo- und Transphobie, Rassismus und ähnliches in allen Bereichen unserer Gesellschaft existieren.

Und gleichzeitig müssen Frauen (bzw. FLINTA*) in allen Bereichen des Lebens in allen Entscheidungsprozessen beteiligt und repräsentiert werden. Das ist harte Arbeit und noch ein langer Prozess, für uns alle. Aber es wird, langsam.

Durch die zunehmende Impfquote erscheint dem hiesigen kulturellen Sektor ein wachsender Silberstreif am Corona-Horizont. Wie zuversichtlich seid ihr, dass bald wieder Konzerte stattfinden können?

Joana: Wir freuen uns überhaupt erst einmal darauf, wieder gemeinsam zu Proben. Wir wissen gar nicht so richtig, ob wir den Kram von „It Gets Easier“ überhaupt noch zusammen spielen können. Aber wir haben natürlich richtig Bock auf Gigs.

Wir hatten letztes Jahr einige Auftritte und ein Festival im Kalender, hoffentlich können wir die alle nachholen. Vor allem hoffen wir, dass es dann überhaupt noch Clubs gibt, in denen wir spielen können.

Habt ihr bereits konkrete Pläne für kommende Auftritte?

Joana: Nö. Wenn ihr uns auf eure Hochzeit, Bar Mitzwa oder in eurem Keller spielen lassen wollt, meldet euch. Wir spielen für Spritgeld, einen Kasten Bier und eine Dose köstliche Ravioli.

Und wie immer gebühren euch auch die finalen Worte:

Joana: Fresst euch so viele Erdbeeren und so viel Spargel rein wie es geht! Die Saison ist schneller vorbei als ihr denkt!

Achso und wir haben auch bei unserem ersten Album die unschöne Tradition fortgesetzt, dass wir pro Release ein Bandmitglied verlieren. Wenn das hier also jemand aus Hannover oder Hildesheim liest, der gerne unser Schlagzeug übernehmen möchte, meldet euch!

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