Interview mit On Another Planet (Februar 2023)

Hallo Stefan, zunächst lieben Dank für die Gelegenheit, dir ein paar Fragen zu deinem musikalischen Wirken stellen zu können. Bevor es darum geht, stell dich doch einleitend kurz vor.

Stefan: Moin Thomas! Ich danke dir für das Interesse, ein Interview zu machen, vor allem, weil das Release von „Icarus Pt. II“ nun ja auch schon eine Weile zurück liegt. Ich freue mich jedenfalls auf deine Fragen. Zu mir, also ich bin Stefan, 40, lebe in Köln und schreibe Songs.

Als Solokünstler bist du unter dem Namen ON ANOTHER PLANET tätig. Gemessen an deinen beiden „Icarus“-EPs ist diese Marke durchaus Programm. Wie lässt sich das Konzept hinter der von dir ersonnenen dystopischen Fortsetzungsgeschichte zusammenfassen?

Stefan: Den Namen gab es ja schon, bevor das Ganze Richtung Icarus „abgedriftet“ ist. Ich bin tatsächlich gar nicht so glücklich damit, aber wenn du Stefan Neugebauer heißt und auf Englisch schreibst, brauchst du einfach irgendein Pseudonym.

Ich glaube ich habe mich 2017 einfach mit dem, was ich musikalisch machen wollte irgendwie wie auf einem anderen Planeten gefühlt. Gar nicht abgehoben, weil ich dachte, dass mein Zeug Gott weiß wie toll oder besonders ist, aber sonst niemand in meiner Bubble wollte musikalisch in diese Richtung. Also blieb mir nichts anderes übrig, als solo etwas zu machen und der Projektname war geboren.

Das Konzept hinter „Icarus“ ist eigentlich ganz einfach erklärt. Ich hatte dieses Gerüst einer Geschichte und wollte unbedingt so viel wie es geht alleine machen. Angefangen beim Recording und der Produktion, was für mich tatsächlich größtenteils Neuland war. Daher kam dann auch die Idee, mehrere EPs anstelle eines Albums zu machen, weil es gerade Anfangs ewig gedauert hat, Sachen fertig zu bekommen.

Aber es ist ein gutes Gefühl, (fast) alles selbst gemacht zu haben, auch wenn natürlich die erste EP nun anders klingen würde, würde ich sie nochmal aufnehmen, da auch ich in meinem fortgeschrittenen Alter noch ständig dazulerne. Aber das würde ich auch gar nicht wollen, denn alles spiegelt den Punkt dar, wo ich war, als ich es produziert habe und das ist gut so.

Ein Leben in Trümmern: Cover der ersten „Icarus“-EP

Der erste Teil von „Icarus“ ist noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie erschienen. Wie kam es zu der Idee, die Post-Apokalypse als Rahmen der Geschichte zu verwenden?

Stefan: Ich liebe Science-Fiction und Dystopien, aber auch Coming-of-Age-Geschichten können mich immer fesseln. Tatsächlich hatte ich das Gerüst der Geschichte schon lange in der Schublade. Allerdings als Skizze für einen Roman, denn ich wollte eigentlich schon immer mal ein Buch schreiben. Keine Ahnung, ob ich das hinkriegen würde, aber ich finde die Idee faszinierend und herausfordernd.

Fast vergessen, bin ich Irgendwann dann nochmal drüber gestolpert und hatte den Gedanken, die grobe Rahmenhandlung der Geschichte zu vertonen und tatsächlich fiel mir das Schreiben von Text und Musik hier ungewöhnlich leicht. In der Tat waren beide EPs größtenteils vor Beginn der Pandemie fertig, auch wenn sich natürlich später während des Aufnahmeprozesses noch Dinge geändert haben. 

Was hat dich an der Umschreibung der Gefühlswelt deines zunächst einsamen Protagonisten am meisten gereizt – sowohl erzählerisch als auch bei der musikalischen Umsetzung?

Stefan: Interessante Frage. Ich denke, der Reiz bestand und besteht für mich größtenteils darin, komplett aus der Perspektive eines fiktiven Charakters in einem fiktiven Umfeld zu schreiben, da meine Texte sonst doch sehr nahe bei mir sind. Hundertprozentig ausschließen, dass es hier die eine oder andere Überschneidung gibt, kann ich natürlich nicht.

Die musikalische Umsetzung kam ganz natürlich. Meist beginnend mit einer Melodie zu einer prägnanten Textzeile. Erwähnenswert ist vielleicht, dass ich die Musik bei beiden „Icarus“-EPs auf die Texte geschrieben hab, d. h. zuerst gab es den Text, dann kam die Musik. Das ist sonst bei mir in der Regel genau andersherum.

Am Ende der Auftakt-EP keimt Hoffnung auf, die in „Icarus Pt. II“ einer verzweifelten Ausweglosigkeit weicht. War diese Entwicklung von Beginn an Teil des Konzepts oder hat die Corona-Zeit einen Beitrag dazu geleistet, die Tonalität zu verändern?  

Stefan: Wie schon gesagt, stand der Inhalt beider EPs bereits vor Beginn der Pandemie. In meinen Augen ist der Verlauf der Geschichte auch absolut logisch. Wenn ich allerdings speziell die Songs von „Icarus Pt. II“ nehme, erkenne ich sicher auch hier und da einen Stefan im Lockdown, der an allem, jedem und vor allem sich selbst zweifelt, aber auch voller Hoffnung ist. Und ich hoffe natürlich, dass sich auch andere in Icarus und den Texten ein bisschen wiederfinden.

Heimweh aus dem Orbit: „Icarus Pt. II“

Ist die Geschichte für dich mit dem düsteren Ausklang auserzählt oder wird Icarus noch einmal zurückkehren?

Stefan: „Icarus“ war immer als Trilogie geplant. Ich muss aber wirklich Bock darauf haben und natürlich auch die Zeit, mich wieder komplett reinzudenken, um der Sache auch gerecht zu werden. Ich möchte da nichts einfach so hinrotzen, nur weil es an der Zeit wäre. Aber ja, es gibt noch Material dazu und ich möchte das Projekt gerne mit einem dritten Teil abschließen.

Einen Teil der Atmosphäre ziehen die EPs aus den comichaften Cover-Gestaltungen. Wer hat diese für dich kreiert?

Stefan: Wallace Smith aus London. Habe ich bei Instagram entdeckt. Geile Kunst und guter Typ! Er hatte sofort Bock drauf und als ich die ersten Entwürfe bekam, hat mir das auch noch mal einen echten Motivationsschub gegeben. Für mich funktioniert so Konzeptarbeit am besten im audiovisuellen Zusammenspiel und Wallaces Illustrationen von Icarus passen einfach zu einhundert Prozent.

Wie waren die bisherigen Resonanzen auf die beiden „Icarus“-Kapitel?

Stefan: Ehrlich gesagt durchwachsen. Die Kritiken waren durch die Bank sehr positiv, aber viel gehört wurden die EPs nicht, das zeigen die Streaming-Zahlen. Hier liegt der Fehler selbstverständlich ganz klar bei mir. Ich war leider noch nie gut in PR und Vermarktung, wenn es um meine eigenen Sachen geht. 😀 

Vor allem „Icarus Pt. II“ ist aber denke ich auch etwas der Post-Pandemie-Release-Flut zum Opfer gefallen.

Neben dem digitalen Eigenvertrieb hast du die EPs über dein Label Intersphere Records auf Tape veröffentlicht. Was waren für dich die ausschlaggebenden Gründe, deine Veröffentlichungen in allen Belangen selbst zu realisieren?

Stefan: Ehrlich gesagt war es natürlich unkompliziert und naheliegend, die EPs einfach über Intersphere zu releasen. Ich habe mich aber zugegebenermaßen auch schwer damit getan oder mich schlichtweg nicht getraut, sie anderen Labels anzupreisen. Es handelt sich in meinen Augen zwar auf einer gewissen Ebene um das persönlichste, mutigste und Beste, was ich je fabriziert habe und ich bin stolz darauf, auf der anderen Seite sind es aber nun mal auch die ersten Sachen, die ich je komplett alleine in meinem Homestudio produziert habe und so klingen sie stellenweise auch. Das muss man einfach so sagen.

Für mich aber funktionieren sie so und ich höre beide immer noch gerne, was ungewöhnlich ist für mich, was mein eigenes Material angeht. Ich würde im Nachhinein nichts anders machen.

Label-Logo von Intersphere Records

Neben deinen Solo-Werken bringst du über Intersphere auch Musik von Künstler*innen wie COSMO THUNDER, JOE ASTRAY oder BROKEN DREAMS CLUB – eine der weiblichen Gaststimmen auf „Icarus“ – heraus. Wie kommen diese Kollaborationen zustande?

Stefan: Ja, ich habe während der Pandemie nach einem Weg gesucht, mich von Zuhause aus wieder mehr mit Musik beschäftigen zu können und so kam das mit dem Label. Zudem ging es gerade darum, das erste „Icarus“-Tape zu releasen, passte also auch. 

Ich habe festgestellt, dass es mir großen Spaß macht mit so tollen Leuten an deren Sachen arbeiten und diese releasen zu dürfen. Das macht mich auch stolz. Da wird einem schließlich eine Menge Vertrauen entgegengebracht und man geht nochmal ganz anders an die Sache heran, als wenn es die eigene Musik ist. Ich durfte seitdem schon so viele tolle Menschen kennenlernen, denn es sind ja nicht nur die Bands und Künstler:innen, sondern auch andere Labels, Veranstalter:innen, etc., mit denen man in Kontakt kommt. 

Der Kontakt zu den Musiker:innen kam da auf ganz unterschiedliche Weise zustande. Meistens wurde ich tatsächlich von Künstlerseite angefragt, was sich immer noch jedes Mal seltsam anfühlt, aber auch ich habe schon aktiv Leute angesprochen oder es war einfach klar, dass man zusammenarbeitet, weil man sich bereits länger kannte.

Vergangenen November fand in Köln ein Label-Showcase statt, wo neben dir auch COSMO THUNDER, PEBBLE DASH und JOE ASTRAY aufgetreten sind. Welche Erfahrungen (und Eindrücke) konntest du dabei sammeln – und wird es einen weiteren Event dieser Art geben?  

Stefan: Oh ja, das war toll und ich werde mich noch lange daran erinnern. Es gab keinen VVK und das Ganze war an einem Sonntagnachmittag, da kannst du natürlich nie sicher sein, wieviel Publikum kommt, aber am Ende war die Wohngemeinschaft (übrigens eine der schönsten Locations hier in Köln) voll und ich denke, alle hatten eine gute Zeit. Also ein voller Erfolg.

Ich möchte das in jedem Fall in diesem Jahr wiederholen! Nur selber ein Set spielen werde ich glaube ich dann beim nächsten Mal eher nicht, viel zu anstrengend. Veranstalter sein reicht mir dann. J

Gibt es Überlegungen, „Icarus“ live in einer besonderen Form zu präsentieren, etwa ergänzt durch die Präsentation weiterer Illustrationen o. Ä.?

Stefan: Ich denke, ON ANOTHER PLANET wird ein Solo-Act bleiben. Allerdings habe ich schon häufiger mit dem Gedanken gespielt, die Songs mit kompletter Band zu präsentieren, schließlich wurden sie auch so geschrieben und aufgenommen. Aber wenn, dann eher als einmalige Aktion. Vielleicht als Live-Session-Videoproduktion vor kleinem Publikum in einer hübschen Location? Und wenn man das dann schon mal macht, würde sich natürlich anbieten, es auch visuell zu untermalen durch konzipiertes Licht oder wie du sagst, Projektion von Illustrationen. Aber das ist noch nicht mehr als ein Hirngespinst. 

Stefan als Teil der Düsseldorfer Indie-Punks OH HENRY

Was sind deine Pläne für das noch frische Jahr 2023 – auch vor dem Hintergrund, dass du als Teil von OH HENRY mittlerweile wieder im Bandverbund unterwegs bist?

Stefan: Wir wollen mit OH HENRY schnellstmöglich neues Material an den Start bringen, worauf auch ich als neues Mitglied zu hören bin, das ist klar. Daran schreiben und schrauben wir aktuell, was spannend ist und mir großen Spaß macht, da es einige Jahre her ist, dass ich mit einer Band gearbeitet habe. Ein paar Shows möchten wir auch spielen, um nicht wieder einzurosten nach der ersten im Januar.

Parallel laufen bei Intersphere ein paar Dinge, wovon das erste im März kommt. 

Zudem ergibt sich bestimmt hier und da die Möglichkeit, als ON ANOTHER PLANET ein paar Songs irgendwo zu spielen und wie gesagt soll es einen abschließenden dritten Teil der „Icarus“-Reihe geben und ich trage schon lange die Idee einer Cover-EP mit mir herum. Mal sehen.  

Und auch die abschließenden Worte gebühren dir:

Stefan: Vielen Dank, Thomas, für deine Mühe und die tollen Fragen. Ich hatte wirklich Spaß beim Beantworten. Alles Gute für dich, es ist toll, dass du HandleMeDown machst. Es braucht so Leute wie dich!

Und zum Abschluss noch ein Appell: Support Underground Music! Dankeschön. <3

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