Interview mit North Alone (November 2016)

north-alone-band-2016Hallo Manuel, stelle dich und NORTH ALONE zur Einstimmung doch kurz vor.

Manuel: Hallo. Ja, NORTH ALONE, das war ich eigentlich mal alleine. Entstanden ist das Solo-Projekt aus meiner vorherigen Band. Bei einem Auftritt hatten auf einmal alle Bandkollegen keine Zeit mehr und ich dachte mir: „Hey, dann spiele ich eben alleine“. Das lief alles ganz gut und so bin ich dabei geblieben.

Nach etwa einem Jahr kam dann So-Kumneth Sim an der Geige dazu und vor zwei Jahren haben wir dann mit meinem alten Freund Chris Knoke und seiner Band HALFWAY DECENT zum ersten Mal versucht, meine Songs im Fullband-Gewand zu spielen. Die beiden anderen Jungs sind Michael Groom und Matthias Schmidt.

Die meisten Konzerte spielen wir inzwischen als Duo mit So-Kumneth, der ein wirklich großartiger Geiger und enthusiastischer Musiker ist und für größere Konzerte und für Studioaufnahmen haben wir meist die Jungs dabei. Komplettiert wurde das Ganze für die letzte EP von Christian Plinke am Kontrabass.

Ein Statement zur Weltpolitik: Was lösen US-Präsident Donald Trump, der anhaltende Rechtsruck in Europa und der Siegeszug der AfD in dir für Gefühle aus?

Manuel: Keine guten! Es ist schwer, diese Frage kurz zu beantworten. Ganz klar ist aber, dass eine Wahl immer eine Reaktion auf die regierende Politik ist. Es müssen sich also alle Politiker der Welt die Frage stellen: Was haben wir falsch gemacht, wenn es ein Trump ins Weiße Haus schafft, eine Frau Le Pen in Frankreich das Präsidentenamt anstreben kann, die Engländer aus der EU aussteigen und in Deutschland die AfD auf dem Vormarsch ist.

In der westlichen Welt ist das Vertrauen in die Politik im Allgemeinen, und noch schlimmer,  in die Gesichter dieser Politik verloren gegangen. Man sollte sich „dort oben“ ganz schnell darüber klar werden, dass man sich in einer Spirale befindet, die nur nach unten führen kann und alles dafür tun muss, um das Vertrauen der Wähler zurück zu erlangen.

Kommen wir aber zur Musik. Ihr habt via Bandcamp kürzlich eine digitale EP vorgestellt, auf der ihr in Gedenken an Tony Sly den NO USE FOR A NAME-Klassiker „International You Day“ gecovert habt. Wie kam es dazu?

Manuel: Das erste Mal habe ich den Song letztes Jahr nach Tonys Geburtstag gespielt, nachdem ich ein kleines Home-Video von Jose von MAKEWAR auf Facebook gesehen hatte, der den Song auch coverte. Sascha Rinklef von Alternative-Entertainment fragte mich dann, ob ich einen Song zu seinem Video-Adventskalender beisteuern wolle und ich nahm „International You Day“. Als mich dann Bernd von Mad Drunken Monkey gefragt hat, ob ich eine EP auf Vinyl auf seinem Label rausbringen will, ging es lang darum, was auf die EP drauf soll.

Er wollte eigentlich, dass ich, ähnlich wie Tim Vantol, einfach Strip-Down Versionen der Album-Songs aufnehme, aber das war mir zu langweilig. Also nahmen wir ein paar neue Songs und ergänzten sie mit Cover-Songs. Und mir ging (erstaunlicherweise) das erste Mal das Licht auf, dass ich eben nicht Bob Dylan, Tom Waits oder gar Chuck Ragan und Frank Turner covern will, sondern dass meine Wurzeln eben in einer ganz anderen Musikrichtung liegen. So entstand dann nach und nach das Konzept für die komplette EP.

north-alone-international-you-dayWelche Bedeutung hat der Song – oder besser das Oeuvre von Tony Sly generell – für dich?

Manuel: Das ist ganz einfach. Ich war als Teenager eher so der Grunge-Typ, vorher hatte ich viel Metal gehört. Wie das eben so auf dem Dorf ist. Auch die MISFITS und RAMONES waren mal auf dem elterlichen Plattenteller gelandet, aber 1993 hatte ich Dreadlocks (die letzten Überreste davon sind übrigens auf dem Cover zu sehen), zerrissene Jeans, Flanellhemden und offene Doc Martens. In der Heckscheibe meines roten Golf II klebte ein großer, selbst gebastelter RAGE AGAINST THE MACHINE-Aufkleber und trotzdem waren PEARL JAM immer noch meine Lieblingsband.

Ich war auf ein paar wenigen Konzerten gewesen (METALLICA, ALICE IN CHAINS, RAGE AGAINST THE MACHINE) und für mich war diese Konzertwelt eine, die nur groß, mit viel Licht, viel P.A. und vielen Besuchern zu existieren schien. Am 16. November 1993 bin ich dann aus einer Bierlaune heraus mit ein paar entfernten Kumpels meiner damaligen Freundin zu einem Konzert nach Osnabrück gefahren. Ich bin mir heute nicht mal mehr sicher, ob ich NO USE FOR A NAME vorher schon einmal gehört hatte, aber die Atmosphäre in dem superkleinen Jugendzentrum in dem ehemaligen Weltkriegsbunker, mit den ganzen Punks und dem Schweiß, der von der Decke tropfte, hatte mich sofort mitgerissen.

Vor allem aber auch die Attitude, mit der Tony Sly und seine Jungs dort auf der Bühne standen. Sie waren keine Stars, sie waren Kumpels. Dudes, mit denen man nach der Show ein Bier trinken konnte und die sich beim Merchandise auf einen lächerlichen Preis für ihre CDs und Shirts runterhandeln ließen und trotzdem strahlten wie die Honigkuchenpferde, dass jemand ihr Zeug kaufte. Über die Jahre habe ich NO USE sehr häufig gesehen und ein paar Mal mit der Band nach den Shows getrunken. An eine konkrete Unterhaltung mit Tony kann ich mich heute leider nicht mehr erinnern, aber dieses erste Konzert wird mir immer als Schlüsselerlebnis im Kopf und im Herz bleiben.

Stimmliche Unterstützung bei eurer Version von „International You Day“ leistet BAD COP / BAD COP-Sängerin Jennie. Wie kam die Kooperation zustande?

Manuel: Ich hatte irgendwie im Kopf, dass die Backings eine Frau übernehmen sollte. BAD COP / BAD COP hatte ich kurz vorher in Hamburg als Support von ME FIRST AND THE GIMME GIMMES gesehen und fand sie ziemlich gut. Also dachte ich mir: Fragen kostet nichts!

Jennie antwortete zunächst nicht, aber auf unserer Tour mit SKINNY LISTER lernte ich dann zufällig Lotta von Destiny kennen und die hat sie dann noch mal angehauen, dass sie mal schauen soll, ob ich ihr geschrieben habe wegen Guest Vocals für einen Tony Sly-Song. Sie war sofort dabei.

Es geht bei eurem Cover nicht allein um die Musik, sondern auch einen guten Zweck. Wem kommt ein Teilerlös der EP zugute?

Manuel: Der Tony Sly Music Foundation for Kids, die nach Tonys Tod von seiner Familie gegründet wurde. Das allgemeine Ziel ist, Kinder an das Musikmachen heranzuführen. Ich halte das für eine super Sache, denn ich glaube fest daran, dass ein Kind, das seine Hände nutzt, um ein Instrument zu spielen, diese nie zu Fäusten ballen wird, um jemanden zu schlagen.

Hattet ihr im Vorfeld Kontakt zur Tony Sly Music Foundation for Kids oder gar seinen Hinterbliebenen?

Manuel: Im Vorfeld hatte ich mich kurz rückversichert, ob es okay ist, das Logo zu benutzen und die ganze Sache kurz vorgestellt. Es kam eine recht kurze Antwort, dass man sich bedankt und die Idee toll findet. Jetzt wo das ganze läuft stehe ich weiterhin im engeren Kontakt zu ihnen.

north-alone-rare-and-shortIhr habt für „International You Day“ ein Video produziert, bei dem Tony Sly auf eine ganz spezielle Art Referenz erwiesen wird. Was kannst du zum Entstehungsprozess des Clips erzählen? 

Manuel: Ach ja, Musikvideos „low budget“ zu drehen ist ja immer so eine Sache. Aber mir war sofort klar, dass ein großes Graffiti von Tony eine super Wirkung hätte. Ich hab dann natürlich zu allererst beim Ostbunker angefragt, da ich die Band dort ja zum ersten Mal gesehen hatte und glücklicherweise sofort eine Zusage bekommen. Passende Graffiti-Künstler habe ich über Facebook gesucht und gefunden, nämlich Max Giesner (bunt-mit-uns.de) und Philipp Dreyer, der als erster reagierte und sofort Bock auf die Geschichte hatte.

Die Video Umsetzung hat dann meine Kollegin Katharina aus Münster übernommen, die selbst auch als RESTLESSHEARTSYNDROM auf der Bühne steht. Im Video sind ja auch die Konzertkarten vom Cover der EP zu sehen. Alles Originale von Shows, bei denen ich wirklich war. 😉

Wie waren die Resonanzen auf eure Cover-Version und die damit verbundene Spendenaktion – und wie die Bereitschaft der Fans, sich daran zu beteiligen?

Manuel: Die Resonanz auf das Video und die Version waren sensationell. Am meisten hat mich gefreut, dass Brigitte Sly und Jonathan Sly unsere Version so gut gefällt. Bei der Spendenaktion muss ich sagen, dass ich da doch etwas mehr erwartet hätte, denn über Bandcamp sind trotz der großen viralen Aufmerksamkeit bis dato nur ca. 70 Euro von weniger als 30 Spendern eingegangen.

Aber zum einen denke ich, dass ja noch nicht aller Tage Abend ist und wir diese Aktion auch weiter verfolgen und ergänzen werden und zum anderen sehe ich oft selbst, wie schwer es ist, in dem Wust von Informationen, die man vor allem über Facebook erhält, noch die wichtigen herauszufiltern. Ich denke, viele haben nur das Video gesehen und die Aktion dahinter gar nicht wahrgenommen.

Deswegen spenden wir ja auch einen Euro von jeder verkauften EP und haben zusätzlich bei unseren Shows noch eine Spendenbüchse und Info-Flyer dabei. Alles in allem sind wir inzwischen bei knapp 400 Euro und das kann sich ja dann doch schon mal sehen lassen.

nort-alone-full-band-2016Dass Tony Sly auch vier Jahre nach seinem tragischen Tod unvergessen ist, zeigen neben musikalischen Tributen – ein aktuelles Beispiel lieferten NOFX auf ihrem neuen Album – die Resonanzen der Fans, etwa beim Auftritt von NO USE and Friends auf dem diesjährigen Groezrock. Was macht Tony Sly aus deiner Sicht so besonders? 

Manuel: Ich spreche da erstmal für mich und da ist es das oben beschriebene Konzert. Durch dieses Erlebnis verkörpert er alles, was Punkrock für mich bis heute ausmacht. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber ich glaube allen Menschen, die es, auf welche Weise auch immer, sagen, dass er in allen Belangen ein toller Kerl war. Und ein großartiger Songschreiber war er sowieso.

Ich weiß nicht wo NO USE heute stünden, wenn Tony noch leben würde. Die ganz großen Hallen würden sie vermutlich, ähnlich wie LAGWAGON, nicht mehr füllen und vielleicht würden auch ihre Alben nicht mehr die ganz große Aufmerksamkeit bekommen. Sicher ist aber: Fat Mike, Joey Cape und Tony Sly wären immer noch Freunde, sie hätten immer noch Spaß an allem, was sie tun und vielleicht würde es sogar einen Song auf einer NOFX-Platte geben, der von einem lebenden Freund Tony Sly handelt.

Die traurige Besonderheit ist also, dass er leider viel zu früh verstorben ist und dass es seinen Tod nicht gebraucht hätte, um ihn für seine Familie, seine Freunde und viele große Fans (wie mich) weiterhin unvergessen sein zu lassen.

Was steht für NORTH ALONE vor und nach dem Jahreswechsel noch auf dem Programm?

Manuel: Vor dem Jahreswechsel steht nicht mehr so ganz viel an. Ein paar Konzerte, zwei hier in Osnabrück (eines mit der Band, eines als Release-Show in der kleinen Akustikvariante). Nach dem Jahreswechsel werden wir noch einen weiteren Tony Sly- / NO USE FOR A NAME-Song für die Bandcamp-Aktion aufnehmen und dann geht es in die Planung, Ausarbeitung und Aufnahmen des neuen Fullband-Albums.

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Zum Abschluss gebühren auch die letzten Worte dir:

Manuel: Geht mehr zu Konzerten, haltet die Klappe, wenn jemand, egal wo, Musik spielt und kauft keine RAMONES T-Shirts bei H&M.

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