Interview mit No Exit (Januar 2009)

 In zwei Jahren begeht ihr euer 20-jähriges Jubiläum. Wie gedenkt ihr diesen Anlass, euch selbst und eure Fans gebührend zu feiern?

Volker: Haben wir ehrlich gesagt noch gar nicht darüber nachgedacht. Aber eins sollte klar sein… das wird eine große Party.

Mopf: Darüber haben wir uns ehrlich gesagt noch nicht so viele Gedanken gemacht. Das 10-jährige, noch vor meiner Zeit, wurde mit einer großen Party über zwei Tage im HOF 23 gefeiert. Bands wurden eingeladen, an beiden Tagen war die Halle ausverkauft. Eine Party mit befreundeten Bands und Leuten, die Spaß haben, mit uns zu feiern, wäre auf jeden Fall eine Option. Eine Jubiläumstour könnte ich mir auch vorstellen, aber vielleicht machen wir auch etwas ganz anderes.

Süni: Ja, also das ist schon so ein Geburtstag, den man ordentlich feiern muss… Es gibt aber noch keine Pläne, ich würde mich trotzdem freuen, wenn wir so etwas Ähnliches auf die Beine stellen könnten, wie zum 10jährigen. Diesmal vielleicht mit 20 verschiedenen Biersorten, oder wir machen eine US Tour, über 20 kriegt man da auch Bier in der Kneipe. Es wird auf jeden Fall ordentlich gefeiert!

Vielleicht stellt ihr euch all denjenigen Zeitgenossen, denen eure Existenz bislang verborgen blieb, aber trotzdem noch vor.

Volker: Kennt uns etwas jemand noch nicht??

Mopf: Für 17 lange Jahre kann ich natürlich nicht sprechen, aber für vier schöne Jahre. Wir sind 7 alte Säcke, die in erster Linie Spaß an der Musik haben. Spaß am Herumziehen finden, trotz all der Veränderungen, die unweigerlich seit 1991 nicht nur zum Positiven stattgefunden haben. Unsere Musik wurde in den vergangenen Jahren in sämtliche Schubladen, vom Deutsch-Punk, Punkrock, sogar „Aggro-Geknüppel“, bis zum Polit-Punk etc. gesteckt. Wir selbst stellen uns solche Genre-, oder Szene-einordnenden Fragen eigentlich nicht. Wir können sagen, was wir nicht sind und das ist „angepasst“. Wir haben eine Identität und die heißt NO EXIT. Wer es genauer wissen möchte, sei hiermit gern zu unseren Konzerten eingeladen.

 Süni: Das machen wir und zwar in dem wir dieses Jahr relativ viel touren und im Sommer bei einigen wichtigen Festivals auch präsent sein werden! Aber ich denke mal wir sind nicht ganz unbekannt in der Republik. Natürlich wollen wir die Zeitgenossen, die uns noch nicht kennen, auch davon überzeugen, was für eine geile Band NO EXIT eigentlich ist!! Festivals wie das Force Attack z. B. sind dafür ideale Möglichkeiten und die werden wir auch nutzen.

Eure neueste Platte „Ihr nicht!“ erschien unlängst über „Volksmusike“. Ist der Punk Gegenentwurf zur oder doch einfach nur die etwas andere Volksmusik?

Volker: Interessante Frage. Wenn man sich manchmal die Qualität der Bands oder auch das Publikum ansieht kann man sich die mit Sicherheit mal stellen. Aber im Großen und Ganzen denke ich doch, dass es sich tendenziell immer noch um einen Gegenentwurf handelt.

Mopf: Musik fürs Volk? Wer ist das Volk? Oder besser, wer zählt sich selbst dazu? Den Punk in seinen Wurzeln kann man schon als Gegenentwurf bezeichnen. Den Punk einfach als die „andere“ Musik zu bezeichnen, funktioniert 2009 nicht mehr. Von dem Standpunkt aus, was heutzutage alles unter „Punk“ angeboten wird, hat dieser Begriff wirklich volkstümlichen Charakter angenommen. Ist damit auch nicht mehr „anders“.

Süni: Die Frage ist, was wir Volksmusik nennen? Ich kenne mich da nicht besonders gut aus, aber wenn ich an VM denke, dann auf keinen Fall an so etwas, was im deutschen Fernsehen unter diesem Titel ausgeschissen wird! Hansi Hinterseer und wie die alle heißen. Das ist für mich nichts anderes, als Verarschung, Verdummung und Geldmacherei! Aber, wenn ich an Bela Bartok denke und all diese ungarischen Volkslieder, die er in den Karpaten und überall in Ungarn am Anfang des letzten Jahrhunderts gesammelt hat, dann sage ich JA! Das ist authentische Volksmusik und wenn jemand heute die Punkmusik, als VM bezeichnet, dann wird mir ganz warm im Bauch und ich zahle sofort eine Runde! Damit wollte ich sagen, dass ich Punk schon für eine Art von VM halte. Musik vom und für das Volk! Und damit habe ich auch Mopf´s Frage beantwortet… Für alle verständlich, relativ einfach, nach dem zweiten Mal zum mitsingen geeignet… Punk, als Gegenentwurf zur VM, sehe ich eigentlich nicht so, eher als Gegenentwurf zu Pink Floyd, Genesis und vor allem Phil Collins…

Auch der Punk ist längst im Mainstream angekommen. Wie hat sich dies musikalische Genre eurer Meinung nach in den letzten zwei Dekaden, respektive der Zeit nach eurer Gründung verändert?

Volker: Obwohl ich damals noch nicht bei NO EXIT dabei war, gibt es für mich auf jeden Fall verschiedene Entwicklungsstadien des Punk. Als jemand der seine gesamte Jugend mit 80er Jahre Deutschpunk verbracht hat war es für mich ein Graus, als sich dann Anfang der 90er die Punk Musik stark veränderte. Ich hasste diese ganzen neuen Bands (z.B. FLUCHTPUNKT TERROR, DIE FREMDEN, DRITTE WAHL, V-MANN JOE) mit ihrem „intellektuellen Melodien-Punk“. So kam es mir zumindest damals vor. Es hat bei mir wirklich sehr lange gedauert, bis ich mich auf solche Bands einlassen konnte. Mittlerweile höre ich nicht nur diese sondern auch viel ausländisches Zeug was mir in meiner Jugend komplett unerschlossen blieb. Insgesamt ist Punk heute natürlich sehr viel komplexer und anspruchsvoller als noch vor 15 Jahren.

Mopf: Die Punkszene und ihre Musik präsentiert heute in ihrer Gesamtheit längst nicht mehr das, woraus sie einst entstanden ist. Sieh dich um, was sich heute alles „Punk“ nennt. Vom Freizeit-Punk, der sich bei großen Kaufhausketten sein RAMONES-Shirt für 35 Taler kauft, bis zum zugekoksten Mitläufer-Assi. Hier findest du das komplette Gesellschaftsspektrum. Punk-Musik ist ein lohnenswertes Mainstreamprodukt geworden. Das hat sich in den vergangenen beiden Dekaden nur verstärkt. Es ist trendy, irgendetwas „Punk“ zu nennen. Und natürlich haben auch ganz andere Interessegruppen erkannt, dass du etwas am effektivsten zerstören kannst, indem du es versuchst zu unterwandern.

Süni: Ist er, kein Zweifel, aber was ist überhaupt Punk?? Der Rio hat´s schon im Song „Revolution“ erwähnt: …ein hochgestellter Iro macht noch lange keinen Punk… Was für´n Iro, ist es nun ein friendly, oder ein scary mohawk?? Aber zurück zur Frage. Ja, Punk ist Mainstream geworden, aber ich höre trotzdem viel lieber GREEN DAY, OFFSPRING, oder meinetwegen auch BLINK 182 im Radio, als COLDPLAY, BABYSHAMBLES oder ähnlichen Rotz. Das ist natürlich ein bisschen ärgerlich, dass es bei H&M Iggy T-Shirts gibt und die von Leuten getragen werden, die keinen blassen Schimmer davon haben was z.B. „I wanna be your dog“ heißt, aber ich glaube es gibt viel schlimmeres auf der Welt.

Zu beanstanden gibt es an Politik und Gesellschaft immer etwas. Versteht ihr euch als politische Band und kann der Punk überhaupt grundlegend unpolitisch sein?

Volker: Alleine schon aus dem Grund, dass jeder von uns eine andere Meinung vertritt ist es denke ich schwierig bei uns von einer politischen Band zu sprechen. Aber wenn uns etwas nicht passt dann sprechen wir es aus.

Mopf: Wenn wir mit unseren Liedern und Texten Leute aus ihrer Lethargie rütteln können, sich Gedanken über ihr Dasein in dieser Gesellschaft zu machen, oder andere damit bestärken ihren Weg zu gehen, so kannst du das politisch nennen. Aber im Respekt vor den wirklichen Polit-Bands, wie SLIME, BOTS, SYSTEM OF A DOWN etc., die in erster Linie mit genialen Texten die herrschende Gesellschaftsordnung hinterfragen und kritisieren, möchte ich uns nicht eine politische Band nennen. Die Frage, ob Punk unpolitisch, oder politisch zu betrachten sei, ist schon so alt, wie der Punk selbst. Umgekehrt stellt sich die Frage, wie kann Punk heute überhaupt unpolitisch verstanden werden? Parolen, oder Slogans findest du auf fast jeder Lederjacke. Punk ist Protest gegen eine erwartete Anpassung. Jeder, der sich nicht wie das Vieh treu doof zur Schlachtbank treiben lassen will, muss sich politisch engagieren. Dazu muss er nicht notwendiger weise Punk sein. Punk zu leben ist ein anderer Ausweg, sich äußerlich unangepasst zu zeigen. Du musst laut sein, um gehört zu werden.

Süni: Da fällt mir nur eine Band ein, die eigentlich völlig unpolitisch, für mich aber trotzdem immer interessant war und das sind die TOY DOLLS! Ja, jetzt könnt ihr mich auslachen, jeder hat seine Schwachstellen… Den Rest hat Mopf schon so schön beschrieben, da kann ich gar nix mehr dazu fügen!

Kann Musik heutzutage noch etwas bewegen – und muss sie das überhaupt?

Volker: Mindestens die Beine der Konzertbesucher sollten aufgrund der dargebotenen Musik in Bewegung geraten. Ich denke aber auf jeden Fall, dass Musik immer noch ein gutes Transportmittel für politische und soziale Botschaften ist.

Mopf: Natürlich kann Musik auch heute noch bewegen. Das wird sie immer tun. Im Allgemeinen und im Speziellen. Musik wird immer Rebellion bleiben. Musik hat enorm viel mit Identifikation zu tun. Ganze Generationen drücken sich mit ihr aus. Es gibt kaum eine Szene, die ohne ihre eigene Musik existiert. Trends werden immer schneller geboren und sterben noch viel eher. Auf eine gewisse Weise vitalisiert sich jede Szene so auf ihre eigene Weise. Zwingend notwendig muss Musik aber nichts bewegen. Wie jede andere Ausdrucksform von Kunst und Kultur wird Musik auch immer ganz für sich allein stehen.

Süni: Ich denke auf unserer Ebene kann Musik mehr bewegen, als wir denken! Davon bin ich fest überzeugt! Sonst würde ich´s gar nicht machen. Aber wenn ich an diese unappetitlichen Geldsäcke, wie Bono oder Phil Collins denke, dann kriege ich das Kotzen! Sie bewegen nämlich nur ihre Kohle und lassen sich weltweit feiern, was für gute Menschen sie sind. Aber wenn ich einfach chillen will, dann höre ich natürlich nicht unbedingt CASUALTIES, sonder irgendwas ruhigeres, z.B. Phil Collins… neeee, Quatsch, nicht ernst nehmen!!

Im Song „SchwarzWeissGott“ scheint ihr den biblischen Schöpfer für menschliche Verfehlungen verantwortlich machen zu wollen. Spricht da etwa erschütterter Glaube aus euch?

Volker: Erschütterter Glaube?? Wohl nicht. Eher die Frage warum die Welt so ist wie sie ist.

Mopf: Ich habe das Gefühl, dass genau diese Zeilen schon eine Ewigkeit in Rios grauen Zellen herumschwirrten und nur noch die passende Musik dafür fehlte. Für mich hat unser Caruso den besten Text des Albums abgeliefert. Wir alle können uns damit identifizieren. Erschütterter Glaube spielt hierbei keine Rolle, keiner von uns glaubt an die biblische Überlieferung oder irgendeinen Gott. Ich habe nichts gegen Menschen, die aus ihrem Glauben an Gott Kraft schöpfen. Aber ich interpretiere für mich die Zeilen als einen Denkanstoß an alle die, die sich ergeben jedem Schicksal beugen und jede Scheiße, die passiert als Gottes Willen preisen. Der Welt könnte viel Elend erspart bleiben, würde so manch einer ab und zu seinen eigenen Kopf mehr zum Denken als zum Beten gebrauchen.

Süni: Ich weiß nicht, wer in der Band überhaupt einen Glauben hat. Von Rio höre ich immer nur: „Ich glaube, ich trinke noch ein Bier.“ Aber jetzt mal im Ernst. Ich will die Sache nicht überdramatisieren, aber ich glaube im Song geht es eher um Enttäuschung über die Menschen, die sich von so einem Schwachsinn führen lassen. Den biblischen Schöpfer gibt es nicht. Den haben sich die Menschen ausgedacht, damit sie die Verantwortung für ihre Taten abgeben und sich hinter einem alten Wichser mit weißem Bart verstecken können. Also, wenn wir „Gott, du Arschloch“ singen, dann meinen wir eigentlich die Menschen, die scheinheilig andere unterdrücken und vernichten!

 Ein beliebtes Feindbild stellt standesgemäß die Polizei. Bei euch wird das altgediente Parolenschmettern A.C.A.B. hinter dem Titel „8Cola 8Bier“ verschleiert. Warum so subtil – und nicht einfach auf die gewohnte Bullenhetze im Punk zurückgreifen?

Mopf: So subtil ist es ja gar nicht. Viele wissen um den Inhalt dieser Umschreibung. Andererseits sind schon genug Parolen gebrüllt und nichts verändert worden. Textlich kann man auf verschiedene Art provozieren und erreicht manchmal über einen indirekten Weg mehr. Im Text von „Ihr Nicht!“ passiert das Gegenteil, dort geht es uns darum, den Arsch zu heben und nicht alles hinzunehmen. Wie hieß es nochmal: „Alle Räder stehen still…“. Also Leute, steht auf, und schaut nicht weg, wenn euch von Staats wegen legalisierte Gewalt begegnet.

Süni: Es gibt kaum Punkbands, die nicht wenigstens in einem Song den Schlachtruf ACAB drin haben, deshalb finde ich es ganz gut, dass wir den so ein wenig verkleidet haben. Außerdem ist dieser Spruch auch schon ziemlich verbreitet.

Wie waren die bisherigen Resonanzen auf „Ihr nicht!“ und wie wichtig ist euch überhaupt die Meinung Außenstehender?

Volker: Bisher eigentlich gut bis sehr gut. Habe zumindest noch nix schlimmes darüber gehört.

Mopf: Durchweg positiv. Wir sind wirklich überrascht. Doch kritische Meinungen sind uns eigentlich noch viel wichtiger, aber solang ist das Album ja auch noch nicht veröffentlicht. Wir machen Musik für uns, wollen damit aber auch Leute erreichen und in ihnen etwas bewegen. Ich finde die höchste Form von Anerkennung ist es doch, wenn jemand zu dir sagen kann, deine Musik bewegt mich.

Süni: In meinem Bekanntenkreis war/ist die Begeisterung kaum zu stoppen, na ja, die sind ja auch ein bisschen subjektiv… Aber auch sonst sehr positiv! Und konstruktive Kritik ist auch sehr willkommen, die fördert auch unsere schöpferische Kreativität! Aber mit Aussagen, wie „No Exit war, ist und bleibt Scheiße!, kann ik nix anfangen…

Ist eine Tour zu Veröffentlichung der Platte geplant?

Volker: Es gab im Oktober 2008 schon eine vorab Tour auf der die Besucher auch die Gelegenheit hatten die gerade frisch aus dem Presswerk erschienene CD zu kaufen. Ansonsten sind dieses Jahr bis jetzt nur viele Festivals und Einzelkonzerte geplant.

Mopf: Sind wir am planen. Die großen Festivals in diesem Jahr sind alle gebucht. Ansonsten wollen wir etwas effektiver Touren. Wir werden viel mehr kleine Touren unternehmen. Es macht wenig Sinn, Dienstag- oder Mittwochabend irgendwo in der Walachei auf der Bühne herumzuturnen.

Wie wird das Jahr 2009 für euch weitergehen?

Volker: Musik spielen.

Mopf: Wie schon gesagt, die letzte Platte ausführlich betouren und natürlich an der „Neuen“ arbeiten.

Süni: Viel touren, viel proben, neue Songs machen, vielleicht auch viel saufen und auch mal die Mutti besuchen…

Wer mit euch in Kontakt treten will, der…

Volker: Schaut am besten auf unsere Internetseite: www.noexit-berlin.de

Mopf: Sollte den Bill kontaktieren, der das ganze Drum herum schon seit 17 Jahren im Überblick hat. Seine Kontaktadresse findet jeder auf unserer aktuellen CD und natürlich unter www.noexit-berlin.de Ansonsten kann uns jeder schreiben. Ob auf MySpace, Abgefuckt, oder unserer offizielle HP.

Auch die letzten Worte gebühren euch:

Volker: Finger in Po…

Mopf: Baut die sächsischen Schmalspurbahnen wieder auf!!!

Süni: Stay Punk & drunk, seeya in the pit… Das heißt auf Ungarisch: Éljen Gerö, a hangerö!!

Danke für eure Zeit und Grüße aus der Hauptstadt in die Hauptstadt!

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