Interview mit Last Days of April (Februar 2004)

Anlässlich des baldig anstehenden Veröffentlichungstermines des fünften Albums der schwedischen Indie-Pop-Virtuosen LAST DAYS OF APRIL stattete deren kreativer Kopf und Frontmann Karl Larsson im Zuge einer europaweiten Promovisite auch der deutschen Hauptstadt einen Besuch ab. Aus eben diesem Grunde wurden Vertreter aller Gattungen des schreibenden Volkes an jenem Freitag, den 06. Februar, ins Kreuzberger Hotel Ludwig Van Beethoven zitiert, um den sympathischen Fechter besungener Traurigkeiten mit Fragen zu überhäufen. So gab die sich öffnende Tür des Fahrstuhles im zweiten Stockwerk des gepflegten Unterbringungstempels an der Hasenheide auch gleich den Blick an der Rezeption vorbei in die dahinter befindliche Cafeteria frei, in welcher sich der sichtlich ermattete Musiker soeben von zwei im Endstadium ihrer Befragung angelangten Kollegen verabschiedete.

Sogleich wandte der vor Ort zuständige Ansprechpartner der Düsseldorfer Promoagentur Starkult das Wort an mich und verwies den skandivanischen Sangesknaben mit meiner Person im Schlepptau nach einer herzlichen Begrüßung an einen der hübsch gedeckten Tische in einer der Ecken der Hotelcafeteria, wo mir erwähnte Kollegen diebisch grinsend und signierte Mitbringsel entgegenstreckend viel Spaß wünschten. Nach aufgenommenen Getränkewünschen verabschiedete sich der ebenfalls gut gelaunte und deutlich frischer wirkende Starkult-Geschäftsführer Jörg an einen Tisch in dezenter Entfernung und widmete sich anderen Beschäftigungen, so dass die gelöste Befragung bei einer Runde aufgetischter Mineralwasser beginnen konnte.

Meine erste Anmerkung galt jedoch der sichtlich entkräfteten Verfassung Karl Larssons, der gehüllt in Jeans, grauen Kapuzenzipper und ein grünes Shirt der Band THE APPLESEED CAST einen eher bemitleidenswerten ersten Eindruck übermittelte, diesen Umstand jedoch der zeitigen Abreise aus Mailand in den frühen Morgenstunden selbigen Tages und dem daraus resultierenden Mangel gesunden Schlafes ankreidete. Nach kurzen Smalltalk besann man sich allerdings auf Wesentlicheres und beging das Gespräch mit Ausführungen zum neuen LAST DAYS OF APRIL-Longplayer „If You Loose It“, der erneut via Bad Taste Records seinen Weg in die europäischen Musikfachgeschäfte antreten wird.

Ohne Umschweife deklarierte der aufgeschlossene Larsson „If You Loose It“ zum besten bislang kreierten Album von LAST DAYS OF APRIL und begründete dies mit der aus seiner Sicht erstmals erreichten Einheit der 10 darauf enthaltenen Songs. Denn die hätten trotz einer gewissen Leichtigkeit des neuen Liedgutes und der überwiegenden Ausreizung von vier Akkorden einen strukturellen Zusammenhang und eine ineinander fließende Kontinuität hervorgebracht. Dazu vermochte ich anzumerken, da ich mich von der Qualität der neuen Platte tags zuvor erstmals selbst überzeugen konnte, dass „If You Loose It“ eine gewisse Zeit braucht, um zu fruchten, die Stücke trotz poppigerer Zwischentöne erhöhter Aufmerksamkeit bedürfen und das Songwriting gerade im Vergleich zu „Angel Youth“ eine höhere Stufe kreativer Entfaltung erreicht zu haben scheint.

Diese Erkenntnis zog sogleich positive Resonanz nach sich, welche die erbaute Künstlerseele damit umschrieb, dass LAST DAYS OF APRIL bei ihrer Arbeit an „Angel Youth“ und „Ascend to the Stars“ erst das erforderliche Studio buchten, um in der dadurch eingeschränkten zeitlichen Verfügung sämtlichen Feinschliff an den Stücken vorzunehmen. Die Aufnahmen des neuen Materiales sollten sich jedoch im Gegensatz zur bisherigen Arbeitsweise verhalten, so dass die Band im vergangenen Jahr lediglich vier Konzerte gab und Karl ohne jedweden Zwängen zu unterliegen einzig dann Songs schrieb, wenn ihm danach war und er sich vollkommen darauf konzentrieren konnte. Nachdem das Jahr also ins Land gegangen war, standen elf Stücke in den Startlöchern, die durch die ausgeprägte Vorbereitungszeit den notwendigen Verfeinerungen kaum mehr bedurften.

Erst nach diesem Prozess wurde das Studio gebucht, was „If You Loose It“ aus der Sicht Larssons letztlich zur durchdachtesten Platte seiner Band reifen ließ. Das entflammte schließlich die Frage, ob die Weitergabe des Produzentenzepters von Pelle Gunnerfeldt (u. a. THE STROLLERS, RANDY, THE INTERNATIONAL NOISE CONSPIRACY, THE HIVES) an Mathias Oldén zu dieser entgültigen Zufriedenheit beigetragen habe. Doch stellten die Ausführungen Karls schnell klar, dass es Pelle Gunnerfeldts eigener Wunsch war, dem befreundeten LOGH-Bassisten Oldén, der ursprünglich nur Bass bei den Aufnahmen zu „If You Loose It“ spielen wollte, den Löwenanteil der Verantwortung bezüglich der Produktion zu übertragen und selbst lediglich gegen Ende der Aufnahmen das Abmischen der fertigen Bänder zu übernehmen.

So wurde schnell noch hinzugefügt, dass Bad Taste Records nicht zuletzt aufgrund des eingeschränkten Bandspektrums von gerade acht Formationen und der daraus resultierenden Überschaubarkeit eine gediegene Atmosphäre aufkeimender familiärer Eintracht versprühe und gerade aus diesem Grunde die ideale Heimat für LAST DAYS OF APRIL bilden würde. Auf die Frage, welch schmückendes Beiwerk der Anfang März erscheinenden Singleauskopplung „It’s On Everything“ beiwohnen wird, kündigte mein erfreulich redseliges Gegenüber die in Eigenregie aufgenommene Demoversion des separierten Albumopeners sowie das HARD-ONS-Cover „Falling Star“ an. Ein zweiter Song würde ebenfalls zu gegebener Zeit in Form einer 7″ Auswertung finden, nur sei man sich noch nicht darüber im klaren, welchen es schließlich treffen wird. Vermutungen zufolge fällt die Wahl auf das Stück „Tears On Hold“.

Fest stünde allerdings bereits jetzt, dass der noch verbliebene Track der „If You Loose It“-Aufnahmen als B-Seite seinen Weg auf eben diese Single antreten wird. Des weiteren kündigte Larsson an, dass ein animiertes Video zu „It’s On Everything“ bereits fertig gestellt sei und dieses das bislang beste von LAST DAYS OF APRIL stellen würde, da die Band lediglich für einen kurzen Augenblick zu sehen sein würde. Überhaupt würde ihm der Dreh von Musikclips in jeder Hinsicht missfallen, da die Arbeit in Front einer Kamera zumeist anstrengend und wenig erbaulich ausfiele. Persönlich liege ihm obendrein eher die Auswertung ausgekoppelter Songs im Radio, da der Hörer durch diese Art der künstlerischen Verbreitung keinerlei Handhabe besitze, das äußere Erscheinungsbild einer Band als Indikator dafür aufzufassen, selbige in obligatorische Schubladen zu stecken.

Angesprochen auf seine 1999 über Better Communication Records veröffentlichte Solo-Single und mögliche Sideprojekte, beteuerte Karl die überbordende Inanspruchnahme durch LAST DAYS OF APRIL und die zumindest momentan ausgeschlossene Entfaltung auf alleinigen Pfaden. Jene Single wäre zu diesem Zeitpunkt wichtig für ihn gewesen, doch nicht ausschlaggebend für eine Entfernung vom relevanten Terrain der Band. Kurz darauf zeigte sich, dass der Terminus „Erfolg“ im Denken Karl Larssons einen Platz in den geistigen Niederungen belegt, beschränke er den Wandel der Band nach der Veröffentlichung von „Angel Youth“ doch lediglich auf die Tatsache, dass es plötzlich Kritiken, vornehmlich gute, zu ihrer Arbeit zu lesen gab und die Auftrittsmöglichkeiten glücklicherweise zahlreicher und an besseren Orten stattfanden. Ebenso verhalte es sich mit der Presse um die Band, die verfasste Meinung außenstehender Schreiber zu ihrer Musik wäre für ihn persönlich nicht von allzu großem Interesse.

Das führte zu der Frage, ob das aufkeimende Bild der eher zurückhaltend, fast schüchtern agierenden LAST DAYS OF APRIL auf die beizeiten fragil anmutende Musik zurückzuführen sei, oder der umgekehrte Schluss, also der möglicherweise reservierte Charakter Grund für diese Art der emotionalen künstlerischen Entfaltung wäre, dieser Annahme näher kommen würde. Ohne sich je Gedanken über die Präsenz seiner Person auf das Publikum gemacht zu haben, hob Karl schließlich hervor, dass die von ihm geschriebenen Songs in überwiegender Zahl traurige Stücke stellten, da er im Grunde selbst melancholische Klänge bevorzuge. Dies schließe allerdings nicht ein, dass er im Grunde seines Herzens ein trauriger Mensch sei. Rockposen auf Konzerten seien deshalb auch Rockbands vorbehalten, wären im Bezug auf LAST DAYS OF APRIL jedoch ziemlich unpassend und unglaubwürdig.

Daran anknüpfend sprachen wir über die anstehende Schweden-Tour im März, sowie die darauf folgende fünfwöchige Bereisung Europas, die Karl & Co. nach Italien, Holland, Spanien, Portugal und Deutschland sowie voraussichtlich Finnland, Frankreich und England verschlagen wird. Anstatt der üblichen 12 Shows in unseren Breiten stehen diesmal aber wohl nur 6 bis 8 Stationen auf dem Programm, darunter die Hochburgen Hamburg, Berlin, Köln und München. Der amerikanische und japanische Grund blieb dem Gespann bislang verwehrt, wenngleich die Diskographie von LAST DAYS OF APRIL auch in diesen Gefilden veröffentlicht wurde. Nach der 2001 absolvierten sechswöchigen Tour mit SUPERJESUS in Australien reize Karl aber auch der Sprung in die USA und Asien, so dass bereits Kontakte bestünden, dies Unterfangen standesgemäß anzugehen. Über den großen Teich nach Amerika solle es jedoch umsichtigerweise zunächst als Supportband gehen, obgleich die Suche nach einer geeigneten Partnerformation bislang erfolglos blieb.

Vorerst ruhe die Hoffnung auf der Anfrage größerer innereuropäischer Festivals im Sommer. Beim abschließenden Smalltalk sinnierte Karl Larsson noch, dass er seine Musik primär für sich selbst schreibe und die Resonanz des Publikums eher einen sehr erfreulichen Bonus darstelle. Aus diesem Grunde bestehe für ihn auch kein gewaltiger Unterschied zwischen dem amerikanischen oder dem europäischem Markt. Darüber hinaus bestünden auch nur geringe Unterschiede zwischen den Publikumsmentalitäten in den verschiedenen Ländern oder Städten. Eine Ausnahme bilde allerdings Saarbrücken, wo es nach Karl die für ihn besten Konzerte vor dem besten Publikum gäbe, die man sich als Band nur vorstellen oder wünschen könne. Er bedauere zutiefst, dass Saarbrücken auf der anstehenden Tour nicht angesteuert werden wird, hofft aber, diesen Umstand im Herbst aufheben zu können.

Als einzigen Plan für das angebrochene Jahr äußerte er darüber hinaus, im Tourstress ausreichend Zeit für seine Familie und seine Freundin aufbringen zu können, weil dies doch den einzigen Wehrmutstropfen bei den Auftritten in diversen Ländern darstelle. Quasi als Resümee ließ er noch verlauten, dass sein Werdegang im Angesicht der anstehenden Tour, des für ihn perfekten Albums und des erarbeiteten Standes in der Musikwelt, eine großartige Gefühlswelt in ihm auslöse. Anbei verwies er noch auf Früh-Neunziger-Indie-Rock der Kategorie DINOSAUR JR., LEMONHEADS oder MY BLOODY VALENTINE als Inspirationsquellen für LAST DAYS OF APRIL, bevor er über seine Anfangstage in einer Hardcore-Band sprach, aus der später dann LAST DAYS OF APRIL hervorgehen sollte. Neben kleineren Abstechern in diverse Themen ohne echten Zusammenhang komplettierte ein eiligst geschossenes Foto des Sängers, welches er amüsanterweise als sehr traurig dreinblickend charakterisierte, diese Unterredung in gemütlicher Atmosphäre. Nach ausgiebiger Verabschiedung durch Karl und Jörg ging ich meiner Wege, während der Terminplan des Promotionsmarathons bereits auf das nächste Telefoninterview verwies und die beiden in den Fahrstuhl Richtung oberer Stockwerke trieb.

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