Interview mit Kafkas (April 2010)

Was lange währt wird auch im Falle von „Paula“ (ab dem 16. April) endlich gut. Was hat euch bei der Fertigstellung des Albums aufgehalten?

Markus: Die Songs selber sind eigentlich schon eine ganze Weile fertig. Aber es waren hauptsächlich zwei Dinge, die die Veröffentlichung immer wieder nach hinten geschoben hatten: Zum einen unser unglaublich riesiges Potential an Chaos – darin sind wir sicherlich unschlagbar! Wer mit uns zusammenarbeitet braucht wirklich starke Nerven… Zum anderen sind viele Sachen in den letzten Monaten passiert, die wir so nicht erwartet hatten. Die Resonanz ist viel viel größer und positiver, als wir uns das erhofft hatten.

Das freut uns natürlich. Allerdings nimmt die erhöhte Aufmerksamkeit auch zusätzliche zeitliche Kapazitäten in Anspruch. Wir haben ja kein Label-Team oder „Management“ im Rücken, das uns einige Sachen abnimmt, sondern im Endeffekt landet fast alles auf meinem überfüllten Tisch und ich muss das dann irgendwie abarbeiten. Diese Kombinationen haben sich miteinander multipliziert und dann die zeitlichen Verzögerungen ergeben.

Mit der „LD 50“-EP habt ihr 2008 bereits einen Vorgeschmack auf „Paula“ gegeben, der sich stilistisch deutlich von früheren Veröffentlichungen abgehoben hat. Hat der klassische Deutsch-Punk ausgedient?

Markus: Ich bereue unsere alten Platten nicht. Die waren für uns so wie sie sind richtig und wichtig. Aber genau so wichtig war es für uns jetzt, dass wir so klingen, wie es auf dem neuen Album der Fall ist. Wenn es sich aber für uns wieder gut anfühlt, ein reines Deutschpunk-Album zu machen, dann werden wir dies auch tun. Nur für diesen Moment wollten wir eine musikalische Veränderung.

Diese neuen Einflüsse waren einfach erforderlich, um die Band vital zu halten, nicht in einen Trott zu verfallen und nicht zur Eigenkopie zu verkümmern. Auch, damit man uns noch inhaltlich zuhört, war es notwendig, stilistisch etwas zu überraschen. Das war für uns eigentlich unumgänglich.

An Bands wie …BUT ALIVE, später dann entsprechend auch KETTCAR und TOMTE konnte man früh erahnen, wohin die Reise des Punks in unseren Breiten gehen würde. Worin liegt diese Entwicklung nach eurer Meinung begründet? Am Alter der Urheber allein kann es ja wohl kaum liegen!?

Markus: Neben den persönlichen Veränderungen resultieren viele Entwicklungen einer Band aus den Einflüssen von Außen. Die Rahmenbedingen sind für die meisten Bands mit deutschen Texten, die sich in der Punkszene bewegen, ja schon relativ gleich. Wahrscheinlich sind die Erfahrungen, die man als Band mit bestimmten Inhalten macht, in gewisser Weise identisch. Ich denke schon, dass Bands mit ähnlichen Einstellungen auch die gleichen Schwierigkeiten haben und dann deshalb ähnliche Wege einschlagen.

Die Ska-Einflüsse sind auf „Paula“ weitgehend verschwunden, was sich insbesondere an „Irgendwas ging schief“ ermessen lässt, das bereits auf „LD 50“ zu hören war und einer Quasi-Generalüberholung unterzogen wurde. Wie würdet ihr die Veränderungen eurer Musik in den letzten Jahren beschreiben?

Markus: Ich glaube, dass wir uns mehr getraut und zudem auch zugetraut haben. Wir haben viele neue Einflüsse zugelassen und versucht, eine möglichst eigenständige und vielfältige Basis zu finden. Wir haben uns so weit wie möglich von allen Vorgaben befreit und einfach das gemacht, was wir selber für richtig halten und mögen, unabhängig davon, was uns andere geraten haben.

Wie waren die Reaktionen auf diese Entwicklung? Die New-Wave-Einflüsse schienen bei früheren Konzerten manchen Besucher etwas ratlos zurückzulassen.

Markus: Die Reaktionen sind teilweise echt überwältigend positiv. Natürlich gibt es auch Leute, die unsere neuen Sachen, im Gegensatz zu den älteren Songs, ablehnen. Das sind aber nicht so viele, wie wir es erwartet hatten. Unser Publikum war zwar schon immer sehr gemischt, ist jetzt aber noch bunter geworden. Es sind wirklich sehr unterschiedliche Alters- und auch Sub-Genre-Gruppen vertreten – was ich ja sehr angenehm finde. Es fällt besonders auf, dass viele Leute dazugekommen sind, die sich selber keiner speziellen „Szene“ zurechnen, was alles insgesamt irgendwie aufregender und spannender gestaltet, weil Klischees und Rituale noch unbedeutender werden.

Der im Vorfeld prägendste Song der neuen Platte ist zweifelsfrei „Klatscht in die Hände“, zu dem ihr auch ein sehenswertes Video gedreht habt. Wie kam es zur überraschend erfolgreichen Ausstrahlung bei MTV?

Markus: Die nette Dame, die unsere TV-Promotion macht, hatte das Video bei MTV vorgestellt. Dort fand man den Clip lustig und interessant und hat es daraufhin in die Voting-Liste gepackt. Das alleine war schon ein Erfolg für das Video. Damit, dass es dann aber von den Zuschauern echt in jede Sendung gewählt wird, hatte wohl niemand gerechnet. Die schlechteste Platzierung war Platz 4 und die beste Platz 1. Bei Konkurrenten wie GREEN DAY, MUSE, PLACEBO, BILLY TALENT, 30 SECONDS TO MARS, etc. war dies ja auch nicht zu erwarten.

Wir hatten echt gehofft, wenigstens einmal in die Sendungzu kommen – mehr als Platz 10 oder 9 hielten wir für völlig unmöglich. Als die erste Sendung dann lief und wir nicht auf Platz 10 oder 9 waren, rief ich unseren Gitarristen an, während die weiteren Platzierungen gespielt wurden. Wir waren beide ein bisschen enttäuscht, dass wir nicht wenigstens einmal gezeigt wurden. Als wir dann aber auf der 4 (vor MANDO DIAO) waren, konnte ich das echt gar nicht glauben. Damit hätte ich wirklich absolut nicht gerechnet und es hat mich riesig gefreut, dass wir so eine breite Unterstützung bekommen hatten. Wir haben eine sehr treue und tolle Zuhörerschaft, die uns wirklich schon sehr lange ganz großartig unterstützt. Ein großes Danke an alle, die sich für uns die Finger blutig gevotet haben!

Hat die Szene-Polizei nicht gleich wieder „Ausverkauf“ gebellt?

Markus: Eigentlich nicht. Im Gegenteil: Es haben sich wirklich viele Leute mit und für uns gefreut. Das hat auch sehr gut getan. Zu merken, dass sich nette Menschen für und an uns erfreuen. Es gibt bestimmt auch ein paar Leute, die gegen uns intrigieren, gerade durch unsere Aussprache für Tierrechte machen wir uns nicht nur Freunde. Aber es sind erfreulicherweise eher weniger gewesen.

Aber das lag vielleicht auch daran, dass viele gesehen haben, dass wir die erhöhte Aufmerksamkeit nicht für ein Rockstarleben nutzen wollen, sondern für Inhalte. Und es ist wahrscheinlich auch entwaffnend, wenn man uns nachmittags auf MTV gesehen hat und es uns dann abends wie gewohnt im AJZ Asselhausen mal locker auf die Bühne kotzt. Wir wissen, woher wir kommen und wir wissen wo und für was wir stehen – ich glaube, das merken auch die meisten Zuhörer.

Mit „Klatscht in die Hände“ ruft ihr die gewaltlose Revolution aus. Das Bundesinnenministerium hat unlängst eine Statistik herausgegeben, nach der „linke Gewaltdelikte“ 2009 um mehr als 50 Prozent gestiegen seien. Wie bewertet ihr die aktuelle Diskussion um den „Linksextremismus“ in Deutschland?

Markus: Tja, wenn die Delitke vorher bei 2 Fahhraddiebstählen, aus politischer Motivation heraus, lagen, dann steigt so eine Statistik schon mal schnell um 50 Prozent… Wir hier auf dem Land bekommen von einem Linksextremismus irgendwie nichts mit. Außer, dass der Dorfpunker gelegentlich nicht freundlich Gegengrüßt!

Markus: Aber zurück zu „Paula“: Welche Themen bearbeitet ihr diesmal in euren Songs? Im Gegensatz zu vielen anderen Bands hattet ihr mit Polemik und Phrasendrescherei ja nie viel am Hut!

Markus: Das inhaltliche Spektrum ist vielleicht etwas breiter geworden – das hängt aber auch damit zusammen, dass man natürlich nicht immer wieder ein und denselben Text verfassen möchte. Ich bin aber kein „anderer“ Mensch geworden und somit ist die Grundaussage und Intention wahrscheinlich ähnlich, wie in der Vergangenheit, wenn auch mal etwas anders verpackt. Die Texte behandeln hauptsächlich das, was mir am Herzen liegt, sowohl auf einer autobiografischen, als auch auf einer rein fiktiven Ebene.

Ein wichtiges Thema war bei euch immer der Tierschutz, für den ihr euch aktiv engagiert. An welchen Projekten seid ihr unmittelbar beteiligt – und wie kann man euch dabei unterstützen?

Markus: Wir machen relativ viele verschiedene Sachen, um Tierrechten eine Plattform zu geben. Wir spenden schon seit der Bandgründung regelmäßig an diverse Gruppen – je nachdem wie wieviel wir gerade geben können. Die letzten Wochen habe ich bei der Krötenwanderung hier in unserem Ort geholfen. Das mache ich schon seit ein paar Jahren, weil sich leider hierfür nicht genügend andere Leute finden lassen. Der Dorf-Fußballverein ist also besser besetzt (haha).

Vor 2 Jahren haben wir unser eigenes Tierasyl-Projekt ins Leben gerufen. Dazu haben wir ein Grundstück gekauft, um dort einigen „Nutztieren“, die sonst keine Zukunft hätten, ein Zuhause geben zu können. Wer Lust hat,uns dabei zu unterstützen, melde sich doch einfach bei uns. Wir können eigentlich jede Unterstützung wirklich gut gebrauchen, da die Finanzierung und der Unterhalt einfach riesige Mengen an Geld und Zeit erfordern. Wir werden auch demnächst auf der Homepage (www.sklavenautomat.de) eine Rubrik hierzu einrichten, wo man dann ein paar Fotos und Neuigkeiten finden kann. Wer sich für unsere Idee interessiert, kann wirklich gerne weitere Information von uns bekommen!

Wer hat das Artwork für „Paula“ gestaltet?

Markus: Das hat der nette Jörg Rudi Gruneberg gemacht. An dieser Stelle ein riesiges Danke an ihn! Er hat viel Zeit, Nerven und Arbeit in uns investiert…

Für eine Band, die von Berufswegen nur am Wochenende auftreten kann, spielt ihr enorm viele Konzerte. Ist nach der Veröffentlichung von „Paula“ eine ausgedehnte Tour am Stück angedacht?

Markus: Unser Konzert-Buch-Gott möchte eine Herbst-Tour für uns auf die Beine stellen. Das werden wir wahrscheinlich sogar machen. Wir spielen ja schon sehr, sehr oft. Nur wenn uns jemand zweimal im Jahr im Radius von 100 Kilometern sehen kann, dann wird er wohl nicht 200 Kilometer für uns fahren. Wir klauen uns also quasi selber etwas die Konzertgäste für eine größere Tour (haha).

Zuletzt 2008 konnte man euch im Vorprogramm von PROPAGANDHI sehen, die gerne auf Supportbands zurückgreifen, mit denen sie früher schon auf der Bühne standen. Welche Impressionen nehmt ihr von solchen Touren mit?

Markus: Wir haben uns im Falle von PROPANDHI sehr über die wiederholte Einladung gefreut. Es war uns eine große Ehre für sie den Toursupport machen zu dürfen. Dabei ging es eigentlich in erster Linie um die menschliche Komponente und nur sekundär um die musikalische Seite. PROPAGANDHI sind mit den letzten Platten deutlich härter und metalliger geworden.

Ich hatte den Eindruck, dass das PROPAGANDHI-Publikum 2008 nicht mehr so breit gefächert und tolerant war, im Vergleich zu 2001 oder 2002. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die politischen Inhalte der Band vom Publikum nicht mehr so diskutiert wurden, wie noch bei den vergangenen Touren. Ich glaube, die Erfahrungen bei der letzten Tour haben uns zusätzlich motiviert, uns musikalisch zu öffnen, um zu versuchen, auch neue Leute für unsere Inhalte zu erreichen. PROPAGANDHI sind extrem außergewöhnliche und beeindruckende Menschen.

Was wird euch das angebrochene Jahr 2010 wohlweislich bringen?

Markus: Oh, ich lasse mich da etwas überraschen – ich bin nicht so der große Pläne-Schmieder – auch wenn das manchmal wohl ganz gut wäre… Ich glaube aber, man kann das Leben eh nicht im Voraus berechnen – ich lasse mich also treiben und hoffe, dass es ein tolles Jahr für die KAFKAS wird. Und für alle netten Menschen auf diesem Planeten natürlich auch.

Wer wird Fußball-Weltmeister?

Markus: Ich schwanke zwischen dem FC Bayern und LADY GAGA. Wünschen würde ich es allerdings United Staatenlos.

Und auch die letzten Worte gebühren euch…

Markus: Wir möchten uns bei dir ganz, ganz herzlich für deine Unterstützung und Treue bedanken! Du hast ja sogar freiwillig die letzten CDs bezahlt, die du dann zum Besprechen benötigt hattest – und hast Eintritt beim Konzert in Hamburg bezahlt, weil wir mal wieder (viel) zu spät kamen und mit unserer Verspätung auch die Gästeliste den Kassierer zu spät erreichte… Wir wissen deine Unterstützung wirklich zu schätzen!

Danke für alles Thomas!
Markus Gabi Kafka

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