Interview mit Insanity (März 2020)

Copyright: Martin Dominic Zemp

Stellt INSANITY und die dahinterstehenden Individuen doch einleitend kurz vor.

Wir sind fünf Freunde, die sich seit langer Zeit kennen und irgendwann vor vielen Jahren begonnen haben, miteinander Musik zu machen. Über die Jahre hat sich das hin zu dem entwickelt, was wir heute sind – eine Band irgendwo zwischen Metal und Hardcore, die sich aber szenemäßig eher im Hardcore verankert hat.

Wir sind tatsächlich beste Freunde, wohnen teils zusammen, teilen neben der Musik auch weitere Hobbys (z.B. Fußball) und verbringen grundsätzlich viel zu viel Zeit zusammen.

Eure jüngste Platte „Moneyfest“ ist nicht nur ein absoluter Knaller, sondern auch eine Abrechnung mit dem Kapitalismus. Warum ist das gegenwärtige globale Wirtschaftssystem aus eurer Sicht zum Scheitern verurteilt?

Vereinfacht gesagt aus zwei Gründen: Erstens basiert das alles auf ständigem Wachstum, ohne das funktioniert es nicht. Das muss zwangsläufig irgendwann zum Kollaps führen, weil unser Planet einfach begrenzte Ressourcen bietet und wir ihn somit zerstören, das merken wir ja bereits jetzt.

Zweitens fördert dieses System die Ungleichheit, die Ausbeutung sogenannter Drittweltländer ist absolut widerlich, und auch hier in den reichen Ländern werden die Reichen reicher und die „Ärmeren“ ärmer. Die Blütezeit des Mittelstands aus den 50er-, 60er-Jahren ist längst vorbei und wenn das so weitergeht, werden sich die Menschen hier und anderswo irgendwann wehren.

Wie kam es zur Idee eines Quasi-Konzeptalbums zum Thema Kapitalismus?

Das Thema treibt uns ja schon immer um, in letzter Zeit vielleicht mehr als sonst. Wir hatten dann irgendwann mal die Idee mit dem Wortspiel „Moneyfest“ für einen Song. Das hat uns dann so gut gefallen, dass wir uns entschlossen haben, gleich das ganze Album darauf aufzubauen. Die weiteren Ideen mit rotem Album Cover, Karl Marx usw. sind dann dermaßen schnell entstanden, dass wir uns rascheinig waren, das so durchzuziehen.

Was könnt ihr über den Entstehungsprozess der Platte daneben noch berichten?

Wir haben uns bewusst vorgenommen, dass wir uns im Entstehungsprozess der einzelnen Songs mehr Zeit lassen. Es war uns ein Anliegen, dass die Songs reifen können. Teilweise haben wir sehr lange über einigen Übergängen gebrütet und diverse Varianten ausprobiert. Dies ist jetzt sicherlich keine weltbewegende Neuigkeit, doch trotzdem hat dieser bewusste Entscheid die Platte zu dem gemacht, was sie jetzt ist.

Wie hat sich euer Sound zwischen eurem letzten Album „Toss a Coin“ und „Moneyfest“ aus eurer Warte entwickelt?

Wenn man den Sound auf den beiden Alben vergleicht, gibt es sicherlich diverse Parallelen. Die Gangshouts und die groovigen Drumparts bilden seit jeher eine gewisse Konstante in unserem musikalischen Schaffen.

Auf „Moneyfest“ fällt sicherlich das etwas metallischere Gitarrenriffing auf. Aus unserer Warte macht es das Album dadurch etwas abwechslungsreicher, ohne dabei an Härte zu verlieren. Zudem finden sich in einigen Refrains auch melodiöse Gangshouts wieder, welche man auf „Toss a Coin“ so noch nicht hören konnte.

Dass die Mär vom ewigen Wachstum ein Trugschluss ist, müssten ja eigentlich auch die betonköpfigsten Ökonomen begriffen haben. Welche Maßnahmen müssten ergriffen werden, um die aktuell auf Maximierung ausgerichteten Wirtschaftsprinzipien in realistischere – und vor allem nachhaltigere – Wege zu lenken?

Auf jeden Fall mehr staatliche Regulierung und Begrenzung der großen Konzerne. Die Demokratie und der republikanische Staat werden quasi überflüssig, wenn die großen Firmen mehr Macht als die Staaten haben.

Es muss aber auch in der Bevölkerung ein Umdenken stattfinden. Gerade in der Schweiz, wo wir ja über vieles direktdemokratisch abstimmen können, stimmen viele Menschen für Vorteile für die Reichen, einfach weil sie die Hoffnung haben, irgendwann vielleicht selbst so reich zu werden.

Da spürt man einen Egoismus, der völlig absurd ist. Die meisten realisieren nicht, wie sehr dieses System nur für wenige aufgebaut ist.

Würde Karl Marx noch leben, warum würde er Geld für „Moneyfest“ ausgeben?

Weil Geld ausgeben ja grundsätzlich nichts Schlimmes ist, vor allem wenn man es für Kleine, Lokale oder Unabhängige macht. Aber vor allem würde er es wohl kaufen, weil er seinen Namen in all den Interviews liest und sich selbst auf dem Cover sieht. Dann würde er merken, dass da auch richtig geile Musik drauf ist, hehe.

Das Geldverprassen habt ihr beim Dreh des bissig ironischen Videos zum Titeltrack augenscheinlich üben können. Wie viel Freude hat es bereitet, für den Clip die hemmungslosen Bonzen zu mimen?

Der Dreh zum Video hat uns tatsächlich großen Spaß gemacht. Obwohl man es nicht unbedingt annimmt, handelt es sich um einen Low-Budget-Clip, in welchem wir viele Objekte und Szenen durch gute Kontakte für lau in unser Video einbauen konnten.

Wir mussten einige Male schmunzeln, da wir in den in unseren Augen speziellen Aufmachungen an den Drehorten überhaupt nicht aufgefallen sind.

Wie ist das Video bei Kritik und Zielpublikum angekommen?

Ein Großteil der Kritik zum Video ist sehr positiv ausgefallen. Die Leute mochten die Art und Weise des Videos, da es nicht unbedingt der typischen Machart eines Hardcore-Clips entspricht.

Natürlich gab es auch negative Kritiken zum Video. Die waren jedoch oftmals so zu interpretieren, dass man glaubte, unsere Band sei tatsächliche eine Prolo-Bonzen-Gang. Da wurde wohl zu wenig auf die Lyrics gehört.

Abseits der Kapitalismuskritik seid ihr auch sonst nicht um klare Haltung verlegen. Wie sehr hat sich die (westliche) Welt im Zuge von grassierendem Populismus und Rechtsruck in verschiedenen Systemen und Gesellschaften zum Schlechteren gewandelt?

Naja, das ist leider offensichtlich. Der Hass gegenüber Minderheiten darf mehr und mehr wieder offen zur Schau gestellt werden, ohne dass man dafür bestraft wird. Das ist Gift für eine Gesellschaft. Und wenn das sogar die Politik erreicht, wie es mit der AfD, Donald Trump, oder auch teilweise hierzulande mit der SVP der Fall ist, dann ist es nur logisch, dass sich die Rassisten unter uns wieder getrauen, ihre abscheuliche Weltanschauung zu demonstrieren.

Der Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Diskriminierung wird langsam, aber sicher verwässert. Wenn z. B. Bundesliga-Spiele unterbrochen oder quasi abgebrochen werden, weil ein weißer Milliardär beleidigt ist, hingegen weitergespielt wird, wenn ein Spieler wie Torunarigha offenkundig rassistisch diskriminiert wird, dann haben wir ein Problem.

Wie kann diesem verwerflichen Trend nach eurer Ansicht am besten begegnet werden?

Wir müssen dringend wieder Grundsatzdiskussionen darüber führen, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Hass liegt, ansonsten laufen wir Gefahr, Diskriminierung zu banalisieren. Ich bin glücklich und froh, dass z. B. in der Schweiz kürzlich das Rassismus-Strafgesetz auf Homophobie ausgeweitet wurde. Das sind gute Signale in diesen dunklen Zeiten.

Die Menschen müssen sich jetzt gemeinsam gegen die Diskriminierung von Minderheiten solidarisieren, bevor es zu spät ist. Schöne Worte helfen nicht mehr. Dem einen oder der anderen würden vielleicht wieder mal ein paar Geschichtslektionen über die 30er-Jahre guttun.

Hat der Hardcore gerade in Zeiten wie diesen eine Verpflichtung, klare politische Position zu beziehen?

Nein. Hardcore ist Kunst, und dass sich diese Szene so oder so schon immer antifaschistisch positioniert hat, sollte ja eigentlich allen klar sein. Aber eine Verpflichtung ist das nicht, das muss eine Verpflichtung für die gesamte Gesellschaft sein.

Trotzdem ist es natürlich schön zu sehen, dass sich die Bands und Fans dieser Szene immer wieder aktiv dagegen auflehnen und gegen Faschismus aller Art ankämpfen, das ist durchaus wichtig. Aber es kann nicht in der Verantwortung einer Subkultur-Szene liegen, das Rassismus-Problem zu lösen. Man kann als Kunstform allenfalls die Leute darauf aufmerksam machen und sensibilisieren.

Ihr habt seit der Veröffentlichung von „Moneyfest“ bereits diverse Live-Shows absolviert. Wie hat das Publikum die neuen Songs angenommen?

Die Frage aus der Sichtweise des Publikums zu beantworten ist für uns natürlich sehr schwierig. Wir finden, dass die neuen Songs gut funktionieren. Die energetischen und schnellen Teile laden zum Tanzen ein und die Gangshouts und Lyrics der Refrains schallen uns teilweise auch schon laut entgegen.

Wir wollen jedoch einen Mix zwischen alten und neuen Songs bieten, da wir es einfach nicht übers Herz bringen, einige alte Songs von der Setlist zu streichen.

Was sind eure Pläne für den Rest des angebrochenen Jahres?

Für dieses Jahr sind noch viele Clubshows angesagt. Wir spielen oft in der Schweiz, machen jedoch auch ein paar Abstecher nach Deutschland und Tschechien.

Im Sommer sind wir in der Schweiz an einigen Festivals anzutreffen. Im Herbst touren wir gemeinsam mit THELL BARRIO für zwei Wochen durch Mexiko. Dies wird sicherlich wieder ein unvergessliches Erlebnis für uns alle.

Wir lieben es, Länder durch die Musik kennenzulernen und die Hardcore-Vibes auf der ganzen Welt aufzusaugen.

Die abschließenden Worte gehören ebenfalls euch:

Geht immer mit offen Augen durch die Welt und stellt euch Fragen zu den Vorgängen auf der Welt. Seid kritisch und versucht euch für Menschen einzusetzen, welche nicht die Möglichkeit haben, ihrer Stimme Ausdruck zu verleihen. Und vergesst mir den Spaß nicht. Feiert – und dies am besten auf einer unserer Shows!

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