Interview mit I Against I (März 2009)

28. Februar 2009 spielten I AGAINST I ihr letztes Konzert. Es wurde ein herzlicher Abschied, den die nach einem Song der BAD BRAINS benannten Niederländer in ihrer Heimatstadt Dordrecht zelebrierten. Dass ein beträchtlicher Teil der Anwesenden Freunde und Familienmitglieder waren, störte die drei nicht. Überhaupt schienen sie der Auflösung mit mehr lachenden als weinenden Augen entgegenzublicken. Vor dem finalen Auftritt ließen Sänger/Gitarrist Ronald, Drummer Jasper und später auch Bassist Bob in einem abschließenden Interview 14 Jahre Bandgeschichte Revue passieren. 

Das Resümee des Schlagzeugers erwies sich als ebenso knapp wie entspannt: „Wir haben drei Alben gemacht, die wir immer noch mögen, wir haben hunderte Shows gespielt und sind mit all unseren persönlichen Helden aufgetreten. Wir sind also sehr glücklich und ich denke, wir haben in dieser Zeit mehr erreicht als wir je zu hoffen wagten.“ Die Hoffnung auf den großen Durchbruch trieb das Trio ohnehin nie um. Bereits in der gemeinsamen Schulzeit hatten sie sich zusammengefunden und spielten zum Spaß Songs von SUICIDAL TENDENCIES oder den DEAD KENNEDYS nach. „Ein paar Jahre später kauften wir uns richtige Instrumente. Aber es ging dabei immer nur um die Liebe zur Musik“, macht Jasper deutlich, ehe er die konkreten Anfänge von I AGAINST I wie folgt skizziert: „Wir haben irgendwann in einem lokalen Club gespielt, nur Ron und ich. Übrigens lange bevor die WHITE STRIPES das gemacht haben.“ Im Gelächter ergänzt er: „Damals dachten wir, weiter könnte es für uns kaum gehen. Doch dann, ein paar Jahre später, begannen sich die Dinge wirklich zu entwickeln.“

Ende der Neunziger, begünstigt durch den sensationellen Erfolg des OFFSPRING-Albums „Smash“, verfügte das US-Label Epitaph Records plötzlich über solch gesicherte Finanzen, dass es ausgehend von der Amsterdamer Zweigstelle eine ganze Reihe aufstrebender europäischer Bands unter Vertrag nahm. Solche wie DE HEIDEROOSJES, UNDECLINABLE AMBUSCADE, LOOKING UP, BEATSTEAKS oder auch die TERRORGRUPPE. Die erste dieser Bands aber war 1997 I AGAINST I. Jasper dazu: „Wir spielten in dieser Zeit viele Shows und hatten irgendwann auch einen Booking-Agenten, der uns buchte so oft es eben ging. Bei einem Konzert, auf dem wir nicht einmal selbst gespielt hatten, lernten wir Leute von Epitaph kennen, die dann bei einer unserer Shows auftauchten. Ein Freund von uns nahm in der Zeit einen Job bei Epitaph an und drückte denen dann unser Demo-Tape in die Hand.“

Jenes Tape landete irgendwann auf dem Schreibtisch von Gregg Gurewitz. Und Dem BAD RELIGION-Gitarristen und Epitaph Mitbegründer gefiel die Musik. Vielleicht, so Jasper, weil sie ein bisschen nach BAD RELIGION klang. Daran anknüpfend erzählt er: „Die Jungs von RANCID sollen ihm gesagt haben, er solle uns unter Vertrag nehmen. Ich habe Gregg, mit dem wir übrigens nie persönlich zu tun hatten, vor nicht allzu langer Zeit eine Mail geschrieben und ihn gefragt, ob sich das wirklich so zugetragen hat und er antwortete, RANCID hätten ihm tatsächlich unser Tape zugespielt.“ Auch Ron weiß den Mythos fortzuspinnen: „Ein paar Jahre später haben RANCID in Holland gespielt und wir hatten uns schon lange vorher Tickets organisiert. Am Tag des Konzerts rief uns das Büro von Epitaph plötzlich an und sagte, wir sollten das Konzert für RANCID eröffnen. Das war ein wirklich großartiges Gefühl.“

In Europa teilten I AGAINST I die Bühne mit vielen berühmten Kollegen. Nach Amerika führte sie ihr Weg dabei nur einmal, als sie im Blasting Room das Albumdebüt „Headcleaner“ aufnahmen. Zusammen arbeitete die Band seinerzeit mit Bill Stephenson und Steven Egerton (ALL/DESCENDENTS), die als Produzenten fungierten und der Platte zu einem zeitgemäß sauberen Sound verhalfen. Der Nachfolger „I‘m a Fucked Up Dancer…“ jedoch ließ vielerorts enttäuschte Gesichter zurück. Allen voran der Klang missfiel. Jasper erzählt: „Wir haben die Platte mit Theo van Rock aufgenommen, der damals gerade aus Amerika zurückgekommen war. Er hatte mit einer Menge Bands zusammengearbeitet (Anm. d. Red.: u. a. ROLLINS BAND) und wollte nun in seinem eigenen Studio produzieren. Wir wussten in dieser Zeit nicht wirklich, wohin wir mit unserer Musik wollten. Das eigentliche Problem aber war, dass wir uns nach der Pre-Production zurückzogen und ihm freie Hand ließen.“

Ron erläutert anknüpfend: „Wir versuchten, nicht nur irgendwie typischen Punk-Rock abzuliefern, sondern wollten einfach etwas anderes machen, selbst anders sein. Ich mag das Album, aber doch denke ich, es hätte eine bessere Platte werden können.“ Nach Jasper hatte diese unbefriedigende Erfahrung aber auch ihr Gutes: „Immerhin konnten wir nach einem Standard-Punk-Album wie „Headcleaner“ einen solchen Nachfolger präsentieren. Wäre die Platte in die gleiche Richtung gegangen wie die erste, hätten uns die Leute wahrscheinlich ewig an dieser Schiene festgemacht. Nach „I‘m a Fucked Up Dancer…“ konnten wir frei von jeder Erwartungshaltung im Grunde alles machen.“ Derartige Selbstkritik erscheint löblich. Aber muss „Headcleaner“ denn gleich abgewertet werden? Jasper dazu: „Das Album ist einer gewissen Tradition unterworfen. Es ist natürlich verschieden, auf eine Weise, die die Texte betrifft und den melancholischen Charakter. Wenn ich Reviews dazu lese, bin ich froh, wenn dieser Punkt erwähnt wird. Ich glaube es ist dieser Aspekt, der uns anders gemacht hat.“ Ron fügt an: „Wenn du „Headcleaner“ im Vergleich zu den vielen Punk-Alben jenes Jahres, jener Dekade setzt, dann erscheint es logisch, dann klingt das Album, wie es klingen soll, nach dem, was die Leute erwarten. Das ist es, was wir unter Standard-Album verstehen.“

Doch selbst wenn „I‘m a Fucked Dancer…“ nicht den Standard bediente, so blieb die überhaupt nur in Europa veröffentlichte Scheibe doch hinter den Erwartungen zurück. Offenbar auch im Hause Epitaph, wo der für zwei Platten gültige Vertrag trotz der Option auf eine dritte nicht verlängert wurde. Jasper: „Wir haben 2001 ein Demo für eine dritte Platte eingespielt und es Epitaph vorgelegt. Uns wurde dann gesagt, es wäre unser bisher stärkstes Material, aufgrund von Budgetkürzungen werde man es aber nicht veröffentlichen. In den zwei Jahren danach spielten wir eine Menge Shows und mussten uns anschließend erst einmal bewusst werden, was wir wollten, wie es weitergehen sollte und auch bei welchem Label.“ Ron indes schiebt den Rückschritt dieser Phase auf die eigene Faulheit. Und die unschlüssige kreative Ausrichtung: „An einem Punkt dachten wir, wir hätten da was und begannen Songs aufzunehmen. Aber es kam nichts wirklich Gutes dabei heraus. Überhaupt dachten wir, dass wir ein neues Album selbst aufnehmen und danach zu einem Label gehen und es ihnen anbieten könnten. Dort hätte man das verdammte Ding dann einfach nur noch veröffentlichen müssen. Wir hielten das für eine prima Option, gerade für ein Label, aber zu dieser Zeit hatte das Internet die Plattenabsätze schon gedrückt.“

Von den ersten Entwürfen bis zur fertigen CD vergingen beim selbstbetitelten dritten Album, die verschiedenen Vorab-Demos nicht eingerechnet, noch einmal gut drei Jahre, ehe es 2005 nur in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg erschien. Jasper bringt dabei die Motivation ins Spiel: „Als die Musik für uns quasi zum Beruf wurde und wir uns jeden Tag damit auseinandersetzen mussten, wurde das Feuer in uns schwächer. So machte sich eine gewisse Taubheit breit und fast schien es hoffnungslos, überhaupt noch mal ein Album herauszubringen. Aber ich denke, als es schließlich an die Aufnahmen ging, auch mit dem Abstand zu Epitaph, begann das Feuer wieder richtig zu lodern. Wenn wir diese Platte nicht gemacht hätten, würden wir dies wohl bis ans Ende unseres Lebens bereuen.“ Das sieht auch Ron so: „Auf das letzte Album sind wir besonders stolz, weil wir alles selbst gemacht haben. Bis auf das Pressen der Discs. Im Vorfeld haben wir rund 40 Songs geschrieben und dann einfach ausgesiebt. Wir waren da sehr selbstkritisch.“

Bleibt noch die Frage nach der Zukunft der drei. Ron dazu: „Wir werden weiter zusammen Musik spielen. Als Epitaph uns damals unter Vertrag nahm, wurde die Band praktisch unser Job. Mittlerweile sind unsere Ambitionen was I AGAINST I betrifft wesentlich niedriger gesteckt. Es macht einfach Spaß, hin und wieder eine Gitarre zu nehmen und einfach draufloszuspielen. Die Band ist ein großer und wichtiger Teil unseres Lebens, ab einem gewissen Punkt aber bestand ein Tag nur noch aus Musikmachen, Essen und Schlafen. Nach über 14 Jahren sind wir jetzt wieder an einem Punkt angekommen, wo wir einfach zusammenkommen und ein paar Songs spielen, Bier trinken, lachen oder auch mal einen Film gucken können.“ Jasper schließt an: „Musik ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens, aber es ist sicherlich nicht der einzige.“ Als Resümee kann auch der Song „Nowhere Else But Here“ vom letzten Album dienen, den Ron noch einmal wie folgt zusammenfasst: „Viele schöne Erinnerungen, eine Menge netter Menschen kennengelernt. Wir haben einfach gemacht was, naja nicht wirklich was wir wollten, denn wir wussten eigentlich nicht, was wir wollten. Es kam einfach alles, wie es kam.“

Der zwischenzeitlich zur Plauderrunde hinzugestoßene Bob gibt anschließend noch Anekdoten zum Besten, von Konzerten in Hamburg, Berlin, von Auftritten mit den DONOTS und Guidos altem Opel Kadett, den die gesamte Band anschieben musste. Ron erzählt noch, wie er auf der „Flying High Tour“ 1999 den Shirt-Verkäufer für ALL gab. Das Trio hätte offensichtlich noch Stunden berichten und in Erinnerungen schwelgen können. Die Zeit aber mahnte bereits zur Vorbereitung auf das abschließende Konzert. Und das sollte sämtlichen lachenden wie weinenden Augen gerecht werden.

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