Interview mit Good Riddance (Juni 2006)

Seit 1995 treiben GOOD RIDDANCE ihr Unwesen im großen weiten Punkrock-Business, diese Tage erscheint ihr mittlerweile siebtes Album beim Szene-Primus „Fat Wreck“. Nachdem vor allem zu Beginn ihrer Karriere fast jährlich mit einem neuen Output zu rechnen war, gehen es GOOD RIDDANCE mittlerweile ein wenig gelassener an. Von Stillstand oder ähnlichem kann dennoch mitnichten die Rede sein, wie das neue Album „My Republic“ eindrucksvoll beweist. Sänger Russ Rankin gab sich im Gespräch dann auch redselig wie sichtlich angetan vom neuen Werk. Vor allem von Monotonie wollte er nichts hören, sieben Alben auf „Fat Wreck“ sind noch nicht genug. „Wir sind wirklich happy bei „Fat Wreck“, ich kann da nichts Negatives zu sagen. Es sind dort alles Freunde, seit vielen Jahren und wir fühlen uns einfach wohl dort. Wir sind dort nicht die größte Band, aber genau das ist das tolle an diesem Label. Sie sind immer für dich da, egal ob du groß oder klein bist. Alle Bands werden gleich behandelt, wenn du sie brauchst, sind sie zur Stelle. Sie machen einen guten Job, es gibt immer Reviews zu deinen Alben, die Presse schreibt über dich und auch die Alben sind eigentlich über zu haben. Mehr wollen wir doch gar nicht.“.

Zufrieden können GOOD RIDDANCE auch sein, denn in all den Jahren erspielten sie sich zu Recht eine beachtliche Fanbasis und konnten musikalisch stets überzeugen. Mit dem neuen Album „My Republic“ zeigen sich GOOD RIDDANCE mehr von ihrer melodischen Seite, die HC-Elemente wichen beinahe poppigen Strukturen. Selten war die Band eingängiger. „Wir hatten von Anfang an im Sinn das Album als Mix aus Aggressivität und Melodie klingen zu lassen. Es sollte alles vereinen, was uns als Band ausmacht. Im Endeffekt gebe ich Dir aber recht, es ist bestimmt eingängiger geworden als einige unserer älteren Alben. Dennoch sehe ich es als klassisches Punkrock-Album“. Vor allem der Gesang von Russ wirkt klarer, was vielleicht zudem den eingängigen Charakter von „My Republic“ bekräftigt. Das rauere Organ klingt weicher, dennoch arbeitete Russ nicht nachhaltig an seiner Stimme. „Ich habe das jetzt schon von einigen Leuten gehört, mir ist das selbst aber gar nicht so bewusst. Ich bin sicherlich kein guter Sänger, aber natürlich möchte auch ich immer besser werden. Vor allem unser Produzent Bill wollte das ich besser werde, ich denke der melodische Charakter des Albums tut sein übriges dazu.“

Bill Stevenson war dann auch wieder mit im Studio, über mangelnde Beschäftigung kann sich der DESCENDENTS und ONLY CRIME Drummer sicherlich nicht beschweren, ist er doch mittlerweile ein gefragter Produzent geworden. „Wir mussten eigentlich nicht lange überlegen, ob wir wieder mit Bill zusammen arbeiten wollten. Er gehört zur Familie, ist mehr als ein guter Freund für uns. Ich spiele ja auch noch mit ihm zusammen bei ONLY CRIME. Es ist so viel was diesen Mann ausmacht, natürlich seine Erfahrung und sein Hintergrund. Er ist von Anfang an mit dieser Musik aufgewachsen, wenn du von einem Mann etwas lernen kannst, dann sicherlich von ihm. Er kennt uns so gut wie kein anderer und vor allem ist er ein unglaublich guter Motivator. Er weiß genau wo er bei uns ansetzen muss, sagt und tut immer das richtige. Es ist einfach unglaublich toll mit Bill zu arbeiten.“

Was ihr Arbeitspensum angeht, so stehen sich Russ Rankin und Bill Stevenson jedoch in nichts nach, denn auch das zweite Album von ONLY CRIME steht bereits in den Startlöchern. „Wir sind mit dem Schreiben der Songs fertig, erscheinen wird das Album wohl im November. Es ist nicht einfach ein Spaßprojekt, was man ja irgendwo annehmen könnte. Es ist uns mit der Band definitiv ernst, auch wenn das erste Album von uns stellenweise schon den typischen GOOD RIDDANCE Sound hatte. Das neue Album wird aber differenzierter, abwechslungsreicher. Wir waren zwei Jahre zusammen, waren gemeinsam auf Tour, da hat sich einiges entwickelt. Es wird viel besser werden, freu Dich darauf!“

Auch auf „My Republic“ gehen GOOD RIDDANCE wieder kritisch mit der Welt und ihren Gefühlen um. Vor allem die Entwicklung der letzten Jahre macht Russ sichtlich sorgen, was in einigen Punkten zum Ausdruck kam und sich auch im Artwork des Albums niederschlägt. „Die Bilder stammen weitgehend aus dem 18. Jahrhundert, als unsere Nation unabhängig wurde. Das Cover stellt George Washington dar und soll letztlich den demokratischen Grundgedanken repräsentieren, auf dem dieses Land aufgebaut wurde. Von diesen Gedanken ist aber heute immer weniger zu spüren, deshalb haben wir diese Bilder auch gewählt. Sie sollen einfach zeigen, wie weit die USA von damals entfernt sind.“ Zahlreiche Touren führten sie auch nach Europa, bei diesem Thema kommt Russ zwangsläufig wieder auf seine Heimat zu sprechen. „In Europa sind die Länder kleiner, du hast auf engem Raum viele Kulturen beieinander. Es ist dort kein Problem wenn die Leute in ihrer Heimatsprache sprechen, der demokratische Gedanke ist bei Euch weitaus mehr vorhanden als bei uns. Hier sollte jeder möglichst Englisch sprechen, wenn es um den Willen einiger dummer Leute geht. Wir sind aber ein Einwanderungsland, es gibt hier große verschiedene ethnische Gruppen. Ich komme aus dem Südwesten, hier lernen die Leute Spanisch und Englisch. Ich finde das gut, aber andere wollen das in dieser Form verbieten. Ich finde das schwachsinnig, was soll das?“

Wo GOOD RIDDANCE stets authentisch und engagiert waren, lassen ihre Nachfolger derlei Engagement häufig vermissen, dafür aber klingelt die Kasse. Neid kommt zwar nicht auf, doch dennoch stößt die Mode namens Punkrock bei Russ auch nicht auf sonderliches Verständnis. „Ich bin kein großer Freund von dem was da abgeht. Es ist doch nichts anderes als Britney Spears mit ner Gitarre. Damals gab es keine Warped Tour wie heute, kein MTV was Deine Songs rauf und runter gespielt hat. Ich bin mit Bands wie BLACK FLAG, DAG NASTY, DRI, CRO-MAGS, THE GERMS oder TSOL groß geworden und diese Bands höre ich auch heute noch am liebsten. Heute haben die ganzen Leute an dem einen Tag kein Tattoo, am anderen Tag gleich vier. Wir sind damals durch die Clubs gezogen, haben Bands gesehen, es war für mich nie so aufgesetzt wie es heute ist. Ich habe keine Wut oder so in mir, die sollen gern machen was sie wollen, für mich ist das nur einfach nichts.“

Die nächsten Monate wird es für GOOD RIDDANCE wieder auf Tour gehen, wenn dann Ruhe einkehren sollte, dann geht es für Russ gleich mit ONLY CRIME weiter. Insofern ist noch nicht abzusehen, ob Deutschland in diesem Jahr noch einmal auf dem Tourplan stehen wird. Doch auch so wird es sicherlich nicht langweilig werden. „Wir haben endlich mal ein wenig mehr Zeit für uns, um auch mal andere Sachen zu machen. Früher haben wir jedes Jahr ein Album aufgenommen, waren auch Tour und haben dann direkt das nächste Album aufgenommen. Jetzt macht jeder so auch seine eigenen Sachen, was ich sehr gut finde. Ob das nun mit Musik zu tun hat, mit Familie oder sonst was. Ich will noch so lang weiter machen wie es geht, so lang wie die Leute GOOD RIDDANCE hören und sehen wollen.“

Fotos: Tim Snow

scroll to top