Interview mit Donots (April 2019)

Copyright: Paul Gärtner

Die DONOTS sind eine Band zum Liebhaben – und das seit mittlerweile 25 Jahren. Seit den mittleren Neunzigern mischen die (Punk-)Rocker aus Ibbenbüren die heimische Musikszenerie auf und haben ihre Spuren längst weit über die Landesgrenzen hinaus hinterlassen. Dass sie sich dabei musikalisch beständig neu erfunden haben, ist nur eine von vielen sympathischen Facetten.

Das Jubiläum beging der Fünfer mit einer Mini-Tour durch ausgesuchte Städte. Beim Auftakt im ausverkauften Düsseldorfer Stahlwerk standen am späten Nachmittag des 24. April Sänger Ingo, die Gitarristen Guido und Alex sowie Bassist Jan-Dirk für ein geselliges Interview bereit, bei dem vor allem der Blick zurück im Mittelpunkt stand.

Früher, zum Ende des letzten Jahrtausends, gab es die DONOTS in vielen kleinen Clubs zu erleben. Nahbar waren sie immer. Damals sprach man über die Szene und insbesondere die immer neuen Erfahrungen, die ihre wachsende Bekanntheit mit sich brachte. Heute spricht man über Kinder. Die eigenen – und natürlich die der Band. Aktuell können die DONOTS auf sieben Sprösslinge verweisen. Drei Kinder entfallen auf Drummer Eike, zwei auf Alex und je eins auf Ingo und Bruder Guido.

Bevor das Thema Nachwuchs vertieft wurde, stand jedoch zunächst die Frage nach der Gefühlswelt, die ein Vierteljahrhundert DONOTS mit sich bringt, im Raum. „Es ist ein bisschen merkwürdig. Vor allem wenn man überlegt, dass wir den größeren Teil unseres Lebens zusammen in der Band sind“, kommentiert Ingo. Dass dies, wie Alex anmerkt, bereits beim 20. Dienstjubiläum der Fall war, ändert am dezent unwirklichen Charakter der Gesamthistorie wenig.   

In Ermangelung aktueller Fotos: Fundstücke aus dem Jahr 1999

Ingo weiter: „Es ist ein ultra-komisches Gefühl, sich eine Zahl anzuschauen wie 1.150 Konzerte in 21 Ländern. Trotzdem fühlt es sich nicht so an, als würden wir einem Zeitstrahl hinterherrennen. Wir hatten verschiedene Reboots mit der Band, mit denen wir den Sound neu beleuchtet und mehr experimentiert haben. Dabei sind wir schlussendlich auch bei deutschen Texten gelandet. Das hat dann immer so viel frischen Wind gebracht, dass es sich nicht anfühlt wie 25 Jahre. Oder so, wie sich 25 Jahre bei der Bank anfühlen würden.“

Trotz all dieser Entwicklungen haben sich die DONOTS ihr ursprüngliches DIY-Credo bewahrt. Umso verblüffender erscheint, dass sie im 25. Jahr ihres Bestehens die bis dato größten Shows spielen. Doch gerade das scheint ihnen recht zu geben. Schließlich geht es stets um den Spaß an der Sache – und nicht zuletzt den Umstand, dass die fünf gar nicht mehr anders können. Der kommerziell beachtliche Erfolg ist da kaum mehr als ein schöner Nebeneffekt.

„Das ist auch der Unterschied zu all den Bands, die es immer darauf angelegt haben. Wir hatten einfach das große Glück, dass sich das Ganze sukzessive immer mehr getragen hat und wir nie so harte Kompromisse eingehen mussten, um das Geld am Ende des Tages über unsere Zufriedenheit zu stellen“, schließt Ingo an.

Dabei haben die DONOTS im Laufe ihres Werdegangs alles mitgemacht: DIY, Indie- und Major-Label. Aber welche Variante bietet die meisten Vorteile? Alex dazu: „In unserer Geschichte ist das alles Teil des Weges. Und alles ist für etwas gut gewesen. Als wir nach zwei Platten in Eigenregie wieder zu Universal gegangen sind, war das der konsequente Schritt. Es wäre gar nicht anders gegangen, weil wir einfach überladen waren. Dadurch lernt man wieder neue Aspekte kennen. Auch solche, die einen nerven. Und auf der Basis trifft man wieder neue Entscheidungen. Daher könnte ich jetzt gar nicht sagen, das eine ist besser als das andere. Alles hat seine Vor- und Nachteile. Mehr Spaß macht es aber auf jeden Fall, sich nicht mit Leuten unterhalten zu müssen, die nicht wissen, was man meint.“

Eine der einschneidendsten Veränderungen im Sound der DONOTS war zweifelsfrei der Wechsel zum deutschen Gesang. Ingo beschreibt den Weg dorthin folgendermaßen: „Es ist wie so oft bei uns: Alles ist irgendwie dem Moment geschuldet. An uns wurde immer wieder herangetragen, dass SEEED, SILBERMOND oder auch Peter Fox gerade groß rausgekommen sind. Dann hieß es immer: ´Ey, macht doch mal was auf Deutsch´.“ Wir halten fest: Die „Ibbtown Boys“ haben auf Deutsch umgeschwenkt, weil es alle anderen auch gemacht haben!

Übrigens aufgenommen am 4. Mai 1999 im Solinger Getaway

Aber Spaß beiseite. Dem Trend zu folgen hätte bedeutet, die eigenen Ideale zu verraten. „In dem jeweiligen Moment hätte es sich für uns wie eine Dienstleistung angefühlt. Das können wir gar nicht. Wir können nicht nach Schema und Plan arbeiten. Das ist irgendwie gut und schlecht gleichermaßen“, fügt Ingo an.  

Guido wird dazu konkreter: „Zum 20-jährigen Jubiläum haben wir überlegt, was wir Besonderes machen könnten. Und dann haben wir gesagt: Lass uns doch mal einen deutschen Song machen. Also zu einem Zeitpunkt, als keiner mehr danach gefragt hat. Dann waren wir im Studio und hatten plötzlich nicht nur ein Stück, sondern noch sechs andere fertig. Dann haben wir gesagt: Lass uns doch eine ganze Platte machen.“

Am Beispiel „Scheißegal“, einem bei einer technischen Panne während eines Auftritts in Bremen spontan entstandenen Track, zeigt sich, wie leicht den DONOTS das Songschreiben in der Muttersprache fällt. „Das ist ein perfektes Beispiel dafür, wie die 25 Jahre bei uns so verlaufen sind. Weil alles immer so sehr dem Moment geschuldet war. Das ist auch das schönste Kompliment, das wir uns selbst machen können, dass wir uns diesen Gaga-Kram bewahrt haben. Man kann einfach alles machen, wenn man genug Sportsgeist reinlegt“, erklärt Ingo.

Durch die deutschen Texte haben die DONOTS ihre Zielgruppe aber fraglos noch einmal signifikant erweitert. „Ich glaube für viele ist „Lauter als Bomben“ erst die zweite Platte mit uns. Für die ist das in Teilen noch eine völlig neue Welt“, kommentiert Guido. Dazu ergänzt Ingo: „Das haben wir über die Jahre immer wieder gemerkt: Wie schnelllebig das doch für Leute ist, die nicht in der Band sind und sich nicht die ganze Zeit mit der Musik auseinandersetzen.“

„Ein Beispiel: Als uns GREEN DAY damals eingeladen haben, für sie als Support in Deutschland aufzutreten, haben wir in der darauffolgenden Woche viele Mails von Zuschauern auf Englisch bekommen, obwohl wir deutsche Ansagen auf der Bühne gemacht haben. Da stand dann: ´Total krass, wann kommt ihr denn mal wieder nach Deutschland?` Daran sieht man: Die eigene Wahrheit, oder eher die gefühlte Wahrheit, und die Ansicht der Leute, das sind immer zwei verschiedene Paar Schuhe“, führt Ingo weiter aus.

Die auf der Jubiläums-Tour bereisten Städte im Überblick.

Wie sehr Eigen- und Fremdwahrheit aber bisweilen zusammenpassen, sollte der folgende Auftritt im Stahlwerk unter Beweis stellen, bei dem die DONOTS vom tobenden Mob zünftig abgefeiert wurden. Die Auswahl der Spielstätten ist da natürlich kein Zufall. „Wir haben überlegt, wo waren für uns in den letzten 25 Jahren wichtige Konzerte. Zu diesen Locations zählt auf jeden Fall das Stahlwerk, wo wir vor 21 und 20 Jahren mit SAMIAM aufgetreten sind“, erläutert Alex.

„In Hamburg ist in all den Jahren ohnehin ganz viel für uns passiert. In Berlin natürlich auch, ganz früher schon mit den BEATSTEAKS. Und Wiesbaden ist unser zweites Wohnzimmer. Von den Städten her erschien es ganz logisch. Gemessen an den Größen der Konzerthallen ist es in Teilen schon ein gewagtes Ding gewesen – die Columbiahalle in Berlin etwa. Die wird auch ausverkauft sein. Das ist schon irre“, führt er weiter aus.

Ingo ergänzt: „Und das muss man sich mal reinziehen, die nüchternen Zahlen. Wir waren schon beim letzten Mal in Berlin völlig baff, als wir das Huxley’s ausverkauft haben. Mit 1.700 Leuten. Und seitdem haben wir keine neue Platte draußen. Und auf einmal kommt das Doppelte an Leuten in die Columbiahalle. Es ist ganz wichtig, dass man da dankbar bleibt. Das waren wir immer.“

Gerade Aussprüche wie diese sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass die DONOTS im besten Sinne des inflationären Wortes authentisch geblieben sind. Das trifft übriges auch auf die erste Vorband des besagten Abends zu: SAMIAM. Die kalifornischen Indie-Punks feierten im vergangenen Jahr bereits ihr 30. Jubiläum. Seit ihren gemeinsamen Auftritten vor zwei Dekaden verbindet die Bands eine tiefe Verbundenheit.

Samiam im Vorprogramm der Donots am 24. April

„Ich habe vorhin mit Jason [Anm. d. Verf.: Sänger von SAMIAM] dagesessen und gesagt, wie verrückt diese lange Zeit doch ist“, erzählt Ingo und führt aus: „Er meinte darauf, dass sich das für uns wahrscheinlich richtig verrückt anfühlt, weil wir in jedem Jahr so sehr dabei waren. Die 1990er und die 2000er sind für ihn zusammengefasst je zwei Jahre. Er hat erst die letzten zehn Jahre so richtig auf dem Schirm, weil er auf einmal gemerkt hat, wo SAMIAM so steht und was die Band auch für andere für einen Schatten geworfen hat.“

Alex merkt dazu an: „Sergie [Anm. d. Verf.: Gitarrist von SAMIAM] hat gesagt, das eigentlich Tolle ist, dass sie weltweit spielen können und immer so 200 bis 400 Leute kommen. Auch nie mehr. Aber für sie macht es so immer richtig Bock.“ Vor Bands, die so lange kontinuierlich am Ball sind, kann man nur den Hut ziehen. Im Falle der DONOTS sogar noch mehr, spielen die fünf doch mittlerweile seit 1996 in unveränderter Besetzung.

Gerade dieser Umstand wirft die absolut unsinnige Frage auf, was wohl aus den Jungs geworden wäre, wenn sie nicht das Leben als Berufsmusiker ereilt hätte. Ingo wagt den ersten Vorstoß: „Ich hab‘ ja Englisch studiert. Ein bisschen zumindest. Lehramt. Ich weiß nicht, ob ich ein guter Lehrer geworden wäre.“ Der Rest lacht. Dann fügt er an: „Wenn es nach meinem Gusto geht, wäre ich wohl Illustrator geworden, irgendwas mit Cartoons. Oder ich hätte irgendwo in der Videospielebranche angefangen. Als Promoter oder so was.“

Den mit morbidem Abstand spannendsten (alternativen) Lebensweg hätte aber wohl zweifelsfrei Guido eingeschlagen: „Ich wäre auf Bauernhöfe gefahren, wenn die einen neuen Wurf Hunde gekriegt hätten und die nicht selber hätten totschlagen wollen.“ Wieder großes Gelächter. Und ein ironisch empörtes „Boah, bist du ein Schwein.“ Dann wieder Guido: „Du siehst schon von weitem eine Staubwolke, wenn ich da mit meinem Fahrrad ankomme, mit der Schippe hintendrauf. Dann stelle ich kurz das Rad ab, klingele dreimal, haue fünf Welpen platt und fahre wieder.“

Zur Ehrenrettung trägt Jan-Dirk bei: „Wir sind in unserer Entwicklung ja schon sehr früh gestört worden.“ Abermals bricht Gelächter aus, ehe er anfügt: „Wir hatten ja gar nicht die Chance, ernsthaft darüber nachzudenken, irgendwas anderes zu machen, weil dann war es ja schon längst da.“

Und noch einmal zurück ins letzte Jahrtausend.

Also zurück zum Thema Kinder. „Die verändern den Fokus gar nicht so sehr, wie man denkt“, berichtet Ingo. „Man hat nur logistisch mehr auf der Uhr und muss das Ganze eher punktuell ausgestalten. Natürlich hat die Band, bis wir Kinder hatten, immer den allergrößten Stellenwert gehabt. Und jetzt haben wir eben zwei Sachen, die den allergrößten Stellenwert haben. Und irgendwann muss man sich dann eingestehen: 100 Prozent geht an keiner der beiden Fronten. Also muss man überlegen, wie man die schönsten Aspekte zusammenbringen kann. Dann befindest du dich eben in einem Modus wie BAD RELIGION, die nicht jede Woche zwei Shows spielen, sondern einen Zeitraum zum Touren feststecken und den Rest eben off sind.“

Mit Musiker-Eltern geht zwangsläufig eine ganz besondere frühkindliche künstlerische Prägung einher. „Meine Kurze sagt immer, sie findet unsere Songs alle cool. Und sie sagt, im Kindergarten kennt jeder unsere Band“, erzählt Guido und ergänzt: „Ich bekomme immer Musik-Tourette, wenn zu Hause mal Radio läuft. Es wird eben zu 99 Prozent richtiger Rotz gespielt. Die Kurze macht das auch schon. Je nachdem, was im Radio läuft, sagt sie: ´Papa, das ist richtig scheiße!“

Auch ohne Kinder kann Jan-Dirk die Wirkung der DONOTS intra-familiär zusammenfassen: „Mein kleiner Neffe war das erste Mal vor zwei oder drei Jahren in Freiburg zufällig auf einem Konzert von uns. Ich habe gedacht, der hält es nicht lange aus. Aber die Familie ist das ganze Konzert geblieben. Erst waren sie hinten, dann am Rand und am Ende war er mit meinem Bruder ganz vorne am Wellenbrecher.“ Damit nicht genug: „Mein Bruder wohnt auf einem Bauernhof. Da gibt es einen umgebauten Bauwagen, wo sich die Kids eine Bühne gebaut und dann zu dritt oder viert „Rauschen“ gesungen haben. Alle komplett textsicher. Und vorne tanzt die Kleinste vom Hof und die Mütter stehen hinten und saufen. Also alles genauso wie bei uns. Vorne wird getanzt und hinten wird gesoffen.“

Für Ingo bleibt nur zu ergänzen: „Meine Tochter will immer, dass ich ihr „Keiner kommt hier lebend raus“ als Schlaflied vorsinge.“ Mehr Zeit blieb leider nicht. Denn mit liebenswerten Kerlen wie diesen kann man einfach stundenlang plaudern. Aber für die Band stand schließlich noch „Arbeit“ auf der Tagesordnung. Und so gingen wir alle unserer Wege, während irgendwo in der Ferne das Wehklagen eines Hundewelpen erklang. Gut zu wissen, dass die DONOTS in der Stadt waren, um den Hammer kreisen zu lassen, nicht die Schippe!

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