Zunächst ein herzliches Hallo nach Meerbusch. Stell dich doch einleitend all den Menschen vor, denen dein musikalisches Wirken bislang entgangen ist.
Der Ole: Ein herzliches Hallo zurück. Ich war bis Ende 2009 MASSENDEFEKT-Frontsänger und habe danach mein musikalisches Dasein beendet. Ich hatte einfach keine Lust mehr und habe meinen damaligen Bandfreunden frühzeitig Bescheid gegeben, so dass die Band sich neu aufstellen konnte.
Bis 2018 war ich auch der Überzeugung, dass ich nie wieder Musik machen würde. Dann hat mich ein kleines Feuer doch noch einmal erwischt. Und jetzt habe ich einfach wahnsinnig viel Spaß.
Wie kam es in deiner Entwicklung als Musiker dazu, dass du den festen Bandverbund gegen die Alleinverantwortlichkeit als Solokünstler eingetauscht hast?
Der Ole: Es war eigentlich etwas anders geplant. Ich wollte ein Solo-Album veröffentlichen; an Konzerte oder an ein weiteres Album hatte ich gar nicht gedacht. Im Laufe der Zeit ist eine neue Band entstanden, welcher sich nach und nach mehr tolle Menschen angeschlossen haben. Und ich bin sicher, dass die Band auch weiterwachsen wird. Wir sind aktuell 14 Personen und haben intern eine wirklich einzigartige Atmosphäre. Daher sehe ich mich nicht zwingend als Solo-Künstler. Ich spiele gerne in einer Mannschaft.
Das aktuelle Jahr hat nahezu allen Bands und Künstlern sowie zahllosen Beteiligten hinter den Kulissen des kulturellen Sektors enorm zugesetzt. Wie bist du durch die anhaltende Krise gekommen und welche Erfahrungen hast du dabei machen können?
Der Ole: Wir sind gut durch die Corona-Krise gekommen. Aber auch nur deswegen, weil wir nach einer kurzen Phase des Schocks und der Enttäuschung überlegt hatten, wie wir dennoch etwas machen können. Es waren trotz dieser Zeit 26 Konzerte im Sommer. Und auch wenn es alles unter Corona-Bedingungen lief – diese Konzerte werden wir nie vergessen.
Trotz deutlicher Lockerungen leiden subkulturelle Einrichtungen vielerorts noch immer massiv unter den Corona-Beschränkungen. Wie bewertest du die Situation, in der das Publikum die Versäumnisse der Politik aufwiegen muss, um die Clubs, Theater und sonstigen Einrichtungen finanziell am Leben zu halten?
Der Ole: Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik keine Gedanken um solche Einrichtungen macht. Und es sind ja auch schon eine Menge wichtiger Clubs geschlossen und platt. Das ist nur traurig. Langfristig werden die Menschen die Läden auch nur noch schwer am Leben halten können.
Stattdessen sitzen sogenannte Spitzenpolitiker stundenlang zusammen und überlegen, wie man den Profi-Fußball wieder ans Laufen bringt. Dass wieder tausende Menschen ins Stadion dürfen und die anderen in die Röhre schauen, ist ein Schlag ins Gesicht. Aber so läuft es hier. Und in den anderen Staaten überwiegend auch.
Inwieweit werden die gegenwärtigen Ereignisse die (sub-)kulturelle Landschaft deiner Meinung nach langfristig verändern?
Der Ole: Die Corona-Krise hat ihren Höhepunkt leider noch lange nicht erreicht. Ich bin da nicht optimistisch. Einrichtungen werden endgültig schließen. Veranstalter, Booker und Ton-Techniker werden weiter leiden und zu Grunde gehen. Und ich denke auch, dass sich viele Bands in dieser Krise verändern werden, wenn nicht sogar aufhören. Es ist in den vergangenen Monaten bei vielen Künstlern auch eine allgemeine Trägheit entstanden.
Ein positiver Nebeneffekt der Krise ist die Offenlegung politischer Unfähigkeit populistischer Politiker und Parteien. Allerdings scheint das gegenwärtige Schaulaufen der Verschwörungstheoretiker diese Tendenz zu relativieren. Wie kann Aluhutträgern des Kalibers Attila Hildmann aus deiner Warte begegnet werden, damit deren kruden Weltbilder nicht noch breitere Anerkennung erfahren?
Der Ole: Diese Politiker und Parteien haben zwar politische Unfähigkeit offenbart, aber sie sind leider immer noch da. Und wenn man den Umfragewerten glauben darf, dann haben sie in der Bevölkerung auch leider nicht viele Federn gelassen.
Es überrascht mich allerdings sehr, dass eine Partei wie die CDU so hohe Zustimmungswerte bekommt. Grundsätzlich befinden wir uns immer noch und mehr denn je in einem Zeitalter, in welchem man mit Vernunft dagegenhalten muss.
Während des Lockdowns hast du das TV-Format „Der Ole und die Quarantäne“ Realität werden lassen. Wie kam es dazu und welche Eindrücke konntest du dabei sammeln?
Der Ole: Ich hatte einfach Langeweile, saß zu Hause herum und konnte nicht viel machen. Da habe ich mich einfach selber gefilmt und ein paar Musikvideos laufen lassen. Ich finde es wichtig, dass sich Musiker gegenseitig unterstützen. Nicht nur während der Corona-Krise. Die Fernsehsendung war eine gute Bühne. Vielleicht mache ich das bald wieder. Konzerte sind ja mittlerweile noch rarer, als vor einem halben Jahr.
Die Veröffentlichung deines zweiten Albums „Durch die Zeit“ hat sich aufgrund der Krise von Mai auf August verschoben. Welche positiven Auswirkungen hat dieser Schritt (auf dich und die Promo) bewirkt?
Der Ole: Wir hatten vor der Veröffentlichung unfassbar viel Vorlauf, konnten in Ruhe produzieren und Konzerte und sonstige Aktionen planen. Dann kam Corona, alles auf null. Aber ich denke, wir haben das ganz gut gemacht. Im Schnellverfahren eine neue Konzertreihe gebastelt, Schutzkonzepte geschrieben, mit Ordnungsämtern diskutiert, und und und.
Jedes Konzert hat Laune gemacht. Wir haben allerdings sehr von der Tatsache profitiert, dass eigentlich kaum ein anderer so viel aufgetreten ist.
Der Produktionsprozess der Platte hat rund ein Jahr gedauert – bei insgesamt 126 beteiligten Musikern wahrlich kein Wunder. Wie standen dabei Spaß und Stress im Verhältnis zueinander?
Der Ole: Ich habe nie Stress, wenn es um Musik geht. Musik ist für mich heutzutage reine Erholung. Wenn ich im Studio bin, kann ich mich gut entspannen. Bei Konzerten freue ich mich einfach über die gute Stimmung innerhalb der Band. Ich lache sehr gerne. Mit dieser Band gibt es viel zu lachen.
Die in „Durch die Zeit“ investierte Mühe hat sich spätestens ausgezahlt, als das Album Platz 28 der Charts erklommen hat. Hast du mit diesem öffentlichen Zuspruch gerechnet?
Der Ole: Nein. Erst wenige Tage nach der Veröffentlichung kam über die Daily Trends die Rückmeldung, dass wir gerade relativ weit oben in den Charts stehen könnten. Wir hätten uns auch über Platz 100 wahnsinnig gefreut.
Dass die Resonanzen nicht durchweg positiv ausfallen würden, war bereits nach Vorstellung der zweiten Single „Bullenstaat“ zu spüren. Wie sehr haben dich die Anfeindungen mitgenommen und welche Schlüsse ziehst du aus den damit verknüpften Erfahrungen?
Der Ole: Ich bin immer wieder in meinem Leben angefeindet worden. Vor gut 15 Jahren rief ein Fanzine dazu auf, mir die Fresse einzuschlagen, weil meine Musik nicht gut genug war. Dann melden sich zwischenzeitlich in den sozialen Netzwerken immer wieder ein paar rechte Spinner zu Wort und beschimpfen mich.
Diesmal waren es Menschen, die mein vegan-vegetarisches Dasein verabscheuen. Das hat mich etwas überrascht. Aber mich hat so etwas nie mitgenommen. Früher bin ich auch deutlich häufiger angefeindet worden als heute. Ich bin mittlerweile abends mehr auf meiner Couch anzutreffen. Da bekomme ich nicht mehr so viel mit.
Auf „Durch die Zeit“ ist gewissermaßen für jede/n was dabei. Wie sind die in ihrer stilistischen Breite immer wieder überraschenden Songs entstanden?
Der Ole: Insgesamt mag ich grundsätzlich eine musikalische Breite. Ich kann heute BLIND GUARDIAN hören, morgen die KELLY FAMILY und übermorgen die TERRORGRUPPE. Ich mache mir Gedanken, worauf ich musikalisch Lust habe und dann basteln wir einfach los. Das Grundgerüst steht sogar meistens recht schnell. Die meisten Texte entstehen allerdings, wenn ich mit Akustik-Gitarre am Badewannenrand sitze.
Im Zuge der Platte wolltest du dich an einem Konzert-Weltrekord versuchen und binnen 48 Stunden in 12 Ländern auftreten. Was ist aus den Plänen geworden?
Der Ole: Ich war im Mai noch sicher, dass wir das 2021 nachholen können. Mittlerweile sehe ich 2022 als realistischer an. Dann machen wir es aber anders. In der Schublade liegt eine Route für 15 Länder. Wir machen das auf jeden Fall. Wir haben Lust auf Europa.
Dafür bist du an zwei Tagen im August in elf Filialen der Bäckerei Steinecke in Berlin, Hannover, Wolfsburg und Braunschweig aufgetreten. Wie ist die Idee entstanden und wie fällt dein Fazit der „Rockenbrötchen Tour“ aus?
Der Ole: Wir brauchten eine Alternative, um den Abenteuerfaktor des Jahres ein wenig zu retten. Und so nett sich das alles liest, aber nach den Konzerten in den Bäckereien war ich völlig durch. Wir sind z.B. elf Stunden nach Berlin gefahren, haben sofort angefangen zu spielen. Und das von morgens bis abends 6x an einem Tag.
Und dann direkt zurück nach Meerbusch. Ich bin Frau Steinecke in jedem Fall sehr dankbar. Allerdings haben wir so viel Brot gegessen, dass wir uns am Ende der Woche wie Enten gefühlt haben.
Auch wenn es aktuell kaum vorhersagbar erscheint: Wann begibst du dich auf große Fahrt, um „Durch die Zeit“ in angemessener Live-Manier zu präsentieren?
Der Ole: Ich denke, dass ab Mai 2021 wieder mehr Konzerte möglich sein werden. Wahrscheinlich eher Garten-Events, als Festivals. Ich bin da wie gesagt nicht so optimistisch. Außerdem steht im September 2021 eine Bundestagswahl an. Vorher wird die Politik alles machen, um große Ansteckungsgefahren zu verhindern.
Da es dir zweifelsfrei nicht an Ideen mangelt: Was hast du auf der Zielgeraden dieses außer Konkurrenz verrückten Jahres noch so alles vor?
Der Ole: Wir werden noch zwei Musikvideos drehen und hoffen, dass wir noch fünf oder sechs Konzerte spielen können. Das Buchen von Konzerten ist leider nicht mehr so einfach, wie im Sommer. Und da war es schon anders als sonst. Ansonsten fange ich bald wieder an Lieder zu schreiben.
Und auch die abschließenden Worte gehören dir:
Ich danke Dir sehr und wünsche Dir, dass Du weiterhin gut durch diese schwierige Zeit kommen wirst.