Seit fast zwanzig Jahren sind ANTI-FLAG nun schon auf den Beinen. Mit erhobener Faust und einer Menge Engagement haben sie es mittlerweile auf stattliche acht Studioalben gebracht. Das neue Werk „The General Strike“ steht in den Startlöchern und somit ergibt sich abermals eine Gelegenheit, mit der Band über die jüngsten Entwicklungen zu sprechen. Chris#2 ist diesmal der Auserwählte. Am Prozedere ändert das nichts. ANTI-FLAG sind eine Band zum Anfassen. Trotz aller Wut, Bedenken und Kritik macht es einfach Spaß, sich mit den Jungs zu unterhalten. Egal, wer nun vor einem sitzt oder am anderen Ende der Leitung hängt.
Nach so vielen Jahren und einer beachtlichen Anzahl von Alben verfallen Musiker gern in das Schema, ein neues Album als das beste ihrer Karriere zu bezeichnen. Der Bassist und Sänger von ANTI-FLAG hat dazu eine eigene Meinung, insbesondere in Bezug auf ihr neues Album „The General Strike“. „Es ist unser bestes und unser schlechtestes Album (lacht). Ehrlich, ich finde es sehr lustig über ein neues Album zu sprechen. Wir machen das Jahr für Jahr und immer sagen wir etwas Ähnliches.Das Drumherum ändert sich vielmehr. Vor ein paar Jahren bei RCA, als „The Bright Lights Of America“ erschien, wurden dort alle Menschen, die uns betreuten, gefeuert. Plötzlich war niemand mehr da den wir kannten und mochten, im Anschluss sind wir selbst gegangen. Dann ist nicht so viel Zeit bis zu „The People Or The Gun“ vergangen. Das aber liegt nun auch schon drei Jahre zurück. Was ich sagen will, ich mag alles, die alten wie die neuen Sachen. Wichtig ist auch nicht, was wir von einem neuen Album halten, sondern was um einen herum in der Welt geschieht. Aber zurückblickend haben wir in all den Jahren ein paar gute und ein paar ehe beschissene Alben gemacht. Wir wollten mit „The General Strike“ auf jeden Fall gut klingen und ich glaube, dies ist uns auch gelungen. Es klingt einfach wieder mehr nach ANTI-FLAG. Es ist das beste seit Jahren, nennen wir es so“.
Vergleicht man zumindest die Zeit nach dem Major, wirkt „The General Strike“ melodischer und weniger hart als der Vorgänger „The People Or The Gun“. Auch inhaltlich holt man bei aller Kritik nicht zum ganz großen Rundumschlag aus. „Ich stimme dir zu, dass das Album melodischer geworden ist. Es hat mehr Midtempo-Songs, aber auch ein paar schnellere. Es geht dahin zurück, was wir gut finden und was uns irgendwie auch schon immer ausgemacht hat. Das spiegelt dann auch der Titel wieder. Es ist irgendwie alles drin, musikalisch und inhaltlich. In den Texten haben wir vor allem die Entwicklungen der letzten beiden Jahre behandelt. Es geht um Menschen, die aufstehen und sich nicht alles bieten lassen wollen, sei es im Nahen Osten, wo die Leute gegen ihr Regime aufbegehren und dafür ihr Leben riskieren oder die Occupy-Bewegung. Es geht darum, aus dem normalen Leben auszubrechen und sich die ganze Scheiße nicht immer gefallen zu lassen. Wir haben versucht, auf dem Album möglichst viele Blickwinkel darzustellen. Es ist eben eine Menge passiert“.
Besonders wichtig, insbesondere rückblickend auf das Jahr 2011, ist dem Musiker aber die Occupy-Bewegung. „Aus meiner persönlichen Sicht ist dies einfach die wichtigste Sache, die passiert ist. Vielleicht auch, weil ich es selbst erlebt habe, dort war und wir auch dort gespielt haben. Natürlich ist auch die ganze europäische Krise – insbesondere mit Griechenland – ein großes, wichtiges Problem, doch hinter Occupy steckt für mich noch etwas mehr. Hier stehen die Leute wirklich gesammelt gegen ein ganzes System und wollen sich das nicht länger gefallen lassen“. An wirkliche Veränderungen glaubt er trotzdem nicht. „Das System ist einfach schwer zu durchleuchten, so undurchsichtig. Das Camp ist direkt am World Trade Center, im Herzen von New York City, also mittendrin. Im Hintergrund laufen die Touristen und schießen ihre Bilder. Man bekommt das also alles schon mit, aber was bringt es, wenn du als Student Jahre lang zur Schule gehst, dir wirklich viel Geld für die Finanzierung leihst und das dann kaum im Anschluss von deinem Job, wenn du einen bekommst, bezahlen kannst. Wirkliche Veränderungen sind in dieser Form leider kaum möglich.“
Die aktuelle Kür der Republikaner, einen schlagkräftigen Gegner für Obama aufbieten zu können, ist kaum mehr eine Erwähnung wert. Zu sehr offenbaren die Kandidaten ihre offensichtliche Unkenntnis und schießen sich nach einer Woche der Favoritenrolle selbst ins Abseits. Der ehemalige Private Equity Vorreiter Mitt Romney scheint zum Zeitpunkt des Interviews die besten Karten zu haben. „Ganz ehrlich, ob Romney oder all die anderen, die sind alle schrecklich, kaum ernst zu nehmen. Obama ist auf seine Art anders, anders als alle, die ich bisher gesehen habe. Es wäre insofern unfair, ihn zu kategorisieren wie die anderen. Man identifiziert sich mit ihm, gerade anfangs war das so. Aber dann frustriert es dich doch. Der Abzug aus dem Irak ist gut, aber trotzdem sind dort noch unzählige private Söldner. Bei der Krankenversicherung lief es auch nicht wie versprochen. Gewiss ist er besser als McCain, aber er ist nicht der Heilsbringer, der er sein wollte“.
Für das Frühjahr wurden die ersten Shows gebucht, die ANTI-FLAG wieder zurück zu den Wurzeln führen. Also auf kleine Bühnen in kleinere Clubs. Das hat Gründe, denn insbesondere mit Deutschland besteht eine enge Verbindung. „Es gibt definitiv einen Grund für die Wahl der Locations. Deutschland ist ein gutes Beispiel. Wir haben dort sehr viele Fans, die uns seit Jahren die Treue halten und uns immer wahnsinnig unterstützt haben. Egal, wo wir gespielt haben. Deutschland war aber schon immer gut für Punkrock-Shows. Man schätzt es, wenn man kommt und Konzerte spielt. Das ist nicht überall so, dass man für sein Tun und Handeln diese Wertschätzung bekommt. Deswegen wollten wir auch in kleineren Hallen spielen, wo vielleicht weniger Leute kommen können, aber wo es etwas intimer zugeht. Die Booking Agentur war darüber glaube ich etwas sauer, aber so sind wir eins mit den Fans. Das zählt.“