Interview mit Amour Vache (August 2021)

Die miesesten Musik-Interviews beginnen mit einer Frage nach dem Ursprung des Bandnamens. In diesem Sinne: Wenn mich die rudimentären Französischkenntnisse nicht täuschen, hat AMOUR VACHE etwas mit Liebe und Kuh zu tun. Worauf gründet sich die mutmaßliche Paarhufer-Zuneigung?

Thomas: Ja, als einzelne Wörter bedeuten sie genau das, aber eine amour vache ist eben eine stürmische Liebe, gar Hassliebe. Und tatsächlich ist unsere Beziehung turbulent bezüglich der Kunstgattungen, die wir zu verbinden versuchen und der Ideen, die wir uns um die Ohren hauen. Und manchmal natürlich auch zwischenmenschlich…

Verlier doch bitte ein paar Worte über eure Entstehungsgeschichte als kreatives Kollektiv.

Thomas: Die Idee zu einem derartigen Projekt kam eigentlich bei der ersten, vorsichtigen Probe. Wir dachten schon früher mal an ein einzelnes Konzert, welches die Tanz-Komponente featuren würde. Jetzt sagten wir uns, komm, lass uns ’ne Band machen, wie wir sie noch nicht kennen.

Jede Ausdrucksform, der Tanz, die Visuals, die Musik, kann im Idealfall die Richtung vorgeben und Chef sein. Aber es soll ganz klar nicht nur Ambient/Noise sein, was die Musik angeht, sondern immer auch was poppiges haben (wenn auch schräg…).

Wie du gerade bereits angeführt hast, zählen neben der Musik Tanz und Installationen zur Essenz von AMOUR VACHE. Wie greifen diese verschiedenen Elemente bei euch ineinander – und welche Wirkung möchtet ihr damit erzielen?

Thomas: Es ist immer dann besonders stimmig, wenn die Performance von Fang-Yu einem dritten Instrument gleichkommt, oder man das Gefühl hat, eine Art Film oder Underground-Theater zu sehen. Da musikalisch nur Drums, Gitarre und die Stimmen auf der Bühne stattfinden, schließen der Tanz und die Visuals einen Kreis .

Der ungewöhnliche künstlerische Ansatz wird auf eurem unlängst veröffentlichten selbstbetitelten Debütalbum auf die Musik reduziert. Wie groß ist die Herausforderung, die Vielseitigkeit von AMOUR VACHE aus diesem Bruch heraus zu transportieren?

Thomas: Groß! Wir haben zwar immer vorgehabt, dass man sich die Musik auch so anhören können soll, aber die wahre Definition von AMOUR VACHE ergibt sich live. Das heißt für uns: auch wenn wir sehr stolz auf dieses erste Album sind, werden wir den Mixed-Media-Aspekt künftig noch klarer präsentieren wollen.

Was kannst du zur Entstehungsgeschichte der Platte erzählen?

Thomas: Es ging schnell. Und langsam. Wir hatten uns im Januar 2018 für vier Tage im Studio eingeschlossen, haben die Songs außer nachträglichem Bass, dem Gesang und ein paar Gastinstrumenten, live eingespielt, uns einmal fast geprügelt und das war es dann auch fast. Wären da nicht noch die nächsten zwei Jahre gewesen.

Was dieser Periode von seltsamen Bewandtnissen zu Grunde liegt, erklären wir hier ausführlich: 🐷🐷🐷

https://www.facebook.com/1744828642452670/videos/871417410369239

https://www.facebook.com/1744828642452670/videos/278945913885038

https://www.facebook.com/1744828642452670/videos/320128812875029

Die stilistischen Einflüsse auf euren Sound scheinen grenzenlos und umspannen nicht selten innerhalb eines Songs mehrere Jahrzehnte Rock-Geschichte. Wie lange dauert es bei euch von der ersten Skizze bis zum fertigen Track? 

Thomas: Sagen wir es so: ich persönlich hasse es, wenn ein Schreibprozess lange dauert. Gut Ding will Weile haben ist also nicht mein Sprichwort, und ich mag es wirklich, wenn einen eine Idee mitsamt Struktur wie eine Art Sturzbach überrennt, und man dann auch noch denkt: geil! Und das am besten auch noch am nächsten Tag, ohne wieder neu starten zu müssen.

Gereon ist da anders (da haben wir sie wieder, die ‚Amour Vache‘…) und lässt die Songs gerne lang reifen, arbeitet oft geduldig Vision nach Vision ab. Geht auch!

Inwiefern hat euch die Corona-Krise bei der Produktion des Albums ausgebremst?

Thomas: Recht klassisch, denke ich – du hast ein Album fertig und weißt, du kannst an sich nix damit machen. Irgendwann kannst du aber auch nicht mehr warten!

Wahrscheinlich spreche ich für viele Musiker, wenn ich sage, dass so ein Lockdown für Kreativität nicht gerade, naja, unförderlich ist, und schon hat man wieder viele neue Songs und Ideen und noch nicht mal Album eins draußen. Also jetzt oder nie – Corona frisst immer mit…

Trotz neuerlicher Lockerungen und sich mehrenden Konzertveranstaltungen leiden (sub-)kulturelle Einrichtungen vielerorts noch immer massiv unter den Corona-Beschränkungen. Welche langfristigen Auswirkungen werden sich daraus nach deiner Auffassung ergeben?

Thomas: Zum einen wünschen wir uns sehr, dass genau diese Subkultur auch durch Corona nicht totzukriegen ist. Not macht erfinderisch, und mittlerweile wissen alle Kulturschaffenden, vor allem die jenseits von Starlight Express und Oper am Rhein, dass sie im Krisenfall als erste über die Klinge springen.

Aus diesem erzwungenen Underdog-Verständnis ergibt sich auch einiges an Kreativität, denke ich. Damit kriegen eben genannte aber noch lange nicht die Wertschätzung, die sie verdient haben, das ist sonnenklar. Die Entwicklung von teilweise willkürlich herbeigerufenen ‚Vergütungsscheren‘, soll heißen, die einen kriegen immer weniger für ihre Darbietung oder ihre Dienstleistung im Kulturkontext, einige wenige immer mehr, wird durch Covid noch übel verstärkt, fürchte ich.

„Ihr wollt spielen, klar, jeder weiß, dass ihr nach langem Lockdown danach lechzt. Aber zahlen kann euch leider keiner was, das werdet ihr doch verstehen…“ So könnte es aussehen, aber bleiben wir positiv (nein, dazu bitte kein Corona-Witz!).

Copyright: Rock That Mood

Mit welchen Themen setzt ihr euch textlich auseinander?

Thomas: Och, im Schreibprozess des ersten Albums war genug Zeit für alle Themen von der Abrechnung mit weisen Ratschlägen, toxischen Beziehungen, der Flüchtlingsproblematik bis zum wehmütigen Blick zurück in diese wunderbare Naivität, die einem zu ihren Zeiten nie naiv vorkam.

Aber grundsätzlich gilt: Weniger Storytelling, mehr sprachliches Bild, an dem man sich festbeißt. Wer auf das einzelne Bild mehr steht als auf den A- bis Z-Plot: Hinhören lohnt!

Welche Resonanzen hat die Veröffentlichung eures Debüts nach sich gezogen?

Thomas: Tatsächlich durchweg ziemlich gute. Und ja, das macht uns glücklich. You never know what’s gonna happen…

Zu „Death Pop“, „Better Shape“ und „Circles Become Squares“ habt ihr künstlerisch teils ambitionierte Videos vorgelegt. Wie kam es zu den entsprechenden Ideen?

Thomas: Gerade bei Death Pop und Better Shape ging es klar darum, uns als künstlerisches Projekt zu zeigen. Da Rotterdam lange Fang-Yu’s Heimatstadt war, sind wir für Death Pop zum Filmen dorthin gefahren.

Bei Better Shape handelt es sich ja schon um einen Song, in dem quasi kein Teil doppelt vorkommt. Deshalb haben wir ein Video überlegt, dass von der Belle Epoque bei schönem Sonnenschein zum dunklen durch die Visuals verstärkten Zerrbild seiner selbst wird und wobei wir Fang-Yu zum Schluss mit Farbbeuteln beworfen haben (ja, war ihre Idee!). Sandeep Mehta hat es gefilmt und editiert.

Circles Become Squares hab ich aus allem möglichen Livematerial zusammengeschnitten und es zeigt uns einfach auf der Bühne oder, noch lieber, live, aber eben nicht auf einer Bühne…

Hegt ihr Pläne für eine größer angelegte Tour zur Platte?

Thomas: Wir sind zwar skeptisch, wie es im Herbst weiter geht, vor allem, was Indoor-Locations angeht, aber wir arbeiten daran.

Und auch die letzten Worte gebühren dir:

Thomas: Gerade haben wir eine EP aufgenommen – es hat sich herauskristallisiert, dass es Material gibt, bei dem wir uns selbst verlassen, wie bei ’ner Art Sideproject. Der Kram kommt immer auf EP’s… Ein zweites Album ist auch in der Mache. Ich sag ja, unkreativ hat der Lockdown nicht gemacht, ich hab trotzdem keinen Bock mehr drauf…

Bleibt alle gesund und liebreizend!

Dates in der Region:

25.08. – Düsseldorf, Rennbahn Kultursommer Open Air (+ Blackberries)

10.09. – Monheim, Nichtival (+ Antilopen Gang, Colour Haze, Cats & Breakkies u. a.)

11.09. – Düsseldorf, Rock am Bach

30.09. – Köln, tba

Alles Liebe!!!

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