Interview mit Abstürzende Brieftauben (Juli 2009)

abstuezende-brieftauben-dvdStill war es um die ABSTÜRZENDEN BRIEFTABEN geworden, jener zweiköpfigen Band, die in den 80ern den Fun-Punk etablierte und mit einfachsten Mitteln zu Stars wurde. Darauf sprangen fast alle an, die große Industrie genauso wie diverse Teenie-Gazetten. Die Arbeiten zur DVD „25 Jahre sind genug“ fanden bereits 2005 statt. Leider verstarb der „rote“ Konrad überraschend während der Arbeiten. Doch glücklicherweise wurde die DVD doch noch zusammengestellt und bietet allen alten und neuen Tauben-Fans ein unvergessliches Erlebnis. Ein paar Fragen beantwortete uns der „blaue“ Mirco – Micro – Bogumil.

Hallo Mirco, wie geht es Dir aktuell kurz vor der Veröffentlichung der Doppel-DVD „25 Jahre sind genug“?

Den Umständen entsprechend gut. Danke der Nachfrage.

Wie gestaltet sich Dein Alltag zurzeit oder wie war er auch nach der Auflösung der Tauben? Lag der Schwerpunkt weiterhin auf der Musik oder bist Du zu „normaleren“ Dingen übergegangen?

Zuerst einmal habe ich mich darauf konzentriert einen Job zu finden. Über so kuriose Dinge wie Dachdeckergehilfe, Hoteldiener und Tischlerausbildung bin ich dann bei einer Messebaufirma gelandet. Musik habe ich bis vor kurzem auch noch bei den SMELLY CAPS gemacht. Zurzeit bin ich aber wieder mehr mit den Tauben beschäftigt. Mal sehen was dann kommt…

 Ist es für Dich ungewohnt nun wieder Promo-Arbeit für eine Veröffentlichung machen zu müssen oder zu dürfen? Oder hat Dir das irgendwie auch gefehlt?

Ein bisschen ungewohnt ist das schon wieder Interviews zu geben, in Kameraobjektive zu gucken und Autogramme zu schreiben. Gefehlt hat mir das glaube ich nicht wirklich, ist aber trotzdem wieder spannend.

Mit welchen Gefühlen wirst Du aktuell konfrontiert? Kommt da einiges wieder in Dir hoch? Ich meine vor allem im Hinblick auf Konrad, der ja leider 2006 verstorben ist.

Konrads plötzlicher Tod war sehr schmerzhaft. Ich bin allerdings froh darüber, das er die DVD noch machen konnte. Er hat sehr an diesem Projekt gehangen und es macht ihn für mich immer wieder Gegenwärtig. In gewisser Weise ist er so halt immer noch dabei und nie ganz weg.

Schon vor wenigen Jahren habt Ihr gemeinsam an der DVD gebastelt und auch die Interviews aufgenommen etc. Was ist der Grund dafür, dass die DVD erst jetzt erscheint?

Konrad starb ja während der DVD-Produktion. Es war halt für alle Beteiligten nicht einfach, sich nach seinem Tod durch das Rohmaterial zu arbeiten. Es stand auch mal die Frage im Raum, ob wir überhaupt weitermachen sollen. In seinem Sinne haben wir dann doch weitergemacht und wollten das Beste aus dem uns zur Verfügung stehenden Material rausholen. So was braucht dann eben eine Weile. Ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen und Konrad wäre sehr stolz darauf.

Wie hast Du es nach den Jahren empfunden, noch einmal die gesamte Geschichte zu erzählen? Ich fand die zwei Stunden sehr schön anzuschauen, konnte mir immer wieder ein Lachen nicht verkneifen. Aber ich hatte auch den Eindruck, dass Ihr manche Sachen, die damals passierten, noch immer nicht ganz nachvollziehen könnt. Stimmt das? Ich meine bspw. diesen unglaublichen Erfolg den Ihr hattet.

Das Originalinterview ist ja um einiges länger als die geschnittene Version. Was ich daran spannend fand war, dass Konrad und ich uns vorher nicht abgesprochen haben und uns den Fragen einfach so gestellt haben. Während des Interviews haben wir gemerkt, wie gleich wir diese Zeit doch empfunden haben. So richtig nachvollziehen kann ich das alles auch heute noch nicht, aber das macht nichts. So ist es halt gewesen und so hat es auch Spaß gemacht.

Damals wirkte alles sehr entspannt und völlig normal, ich erinnere mich zum Beispiel noch an eine Autogrammstunde 1989 in der WoM-Filiale in Düsseldorf, als Ihr auf Promo-Tour zu „Im Zeichen des Blöden“ ward. Habt Ihr das seinerzeit auf dem Höhepunkt Eures Erfolges wirklich alles so entspannt und locker gesehen oder gab es auch Momente, in denen alles etwas zu viel wurde.

Ein guter Surfer bleibt auf einer großen Welle ganz entspannt, sonst fällt er runter. So war das, glaube ich, auch bei uns. Solange es lief, waren wir tatsächlich sehr entspannt. Erst als so etwas wie ein Erfolgsdruck auf uns lastete, wurde es schwieriger. Das Ergebnis ist ja bekannt.

Die Auflösung der Tauben kam ja nach einem Gig im Berliner Tommy Haus, was Du im Rahmen eines Interviews verkündet hast. Stehst Du auch heute noch zu dieser Auflösung oder denkst Du, der Zeitpunkt war vielleicht doch noch etwas zu früh?

Konrad und ich haben uns irgendwann mal gesagt, das wir aufhören wollen, wenn es am schönsten ist. Diesen Zeitpunkt kann man wohl nicht wirklich festlegen. Damals fand ich, dass es wohl soweit war und ich denke heute noch, dass es richtig war. Die Geschichte hätte sonst ja wohl einen anderen Ausgang gehabt.

 Wie ist es heute für Dich, wenn Du durch die Straßen gehst? Sprechen Dich Leute noch auf die Tauben an, gerade auch jüngere Kids, die damals noch gar nicht gelebt haben und aktuell ihre ersten Punkrockerfahrungen machen?

Nein, nicht wirklich. Mich erkennt ja auch keiner, wenn ich mit Zylinder, Pilotenbrille und Pornobalken im Gesicht rumlaufe.

Ihr ward ja in vielerlei Hinsicht eine „besondere“ Band, alleine durch die Bandkonstellation von nur zwei Leuten. Ab wann hat sich eigentlich dieses Wechselspiel bei den Instrumenten und dem Gesang abgezeichnet?

Das war von Anfang an so. Wir wollten ja beide wie große Rockstars vorne auf der Bühne stehen. Da das Schlagzeug aber ein unverzichtbarer Gegenstand einer guten Rockband ist, mussten wir uns notgedrungen dabei abwechseln. Immerhin haben wir dadurch beide ein neues Instrument gelernt.

Wenn Du heute – gerade auch nach der Retrospektive der Tauben in Form dieser DVD – Euer Schaffen beurteilst. würdest Du alles noch einmal genau so machen oder gibt es doch Punkte oder Situationen, in denen Du nun anders handeln würdest?

Ach ja, man könnte so vieles in seinem Leben anders machen, wenn man am Rad der Zeit drehen könnte. Aber nein, ich würde alles noch mal genauso machen.

Gerade die EMI habt Ihr ja nicht sonderlich respektvoll behandelt. Meinst Du heutzutage wäre so etwas für eine Band Eures Schlages möglich?

Nicht wirklich, dazu hat sich zu vieles geändert. Es würde heute nicht mehr so viel Aufsehen darum geben, wenn eine Punkband bei einem Major unterschreibt. Allerdings fände ich es schön, wenn mal wieder so etwas passiert.

Wie siehst Du die Tauben in den nächsten Jahren? Hast Du noch irgendwelche Pläne, die vielleicht sogar noch mit Konrad mal bequatscht wurden, oder ist das Thema mit dieser DVD jetzt erledigt?

Das lasse ich einfach mal so auf mich zukommen.

Ich bedanke mich auf jeden Fall schon mal ganz herzlich für die Beantwortung der Fragen. Für mich als alten Fan war es ein Genuss, diese DVD förmlich aufzusaugen. Viele Grüße aus Düsseldorf und alles Gute für die Zukunft.

Danke ebenfalls und Grüße aus Hannover.

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