„If it was never new, and it never gets old, then it’s a folk song.“ – Llewyn Davis
Bei den Coen-Brüdern ist Musik drin. Folk, um genauer zu sein. Denn mit „Inside Llewyn Davis“ zollt das genialische Duo einer Ära Tribut, in der die Melancholie des Mannes mit der Gitarre weitgehend in Bars und kleinen Clubs Entsprechung fand. Die große Bekanntheit, die sich bis Mitte der Sechziger Jahre mit Größen wie Bob Dylan einstellte, schien noch ein (kleines) Stück entfernt. Exemplarisch festgemacht wird der Geist – und mit ihm mehr noch die Unstetigkeit – jener Tage am Beispiel des titelgebenden Llewyn Davis, mit dessen Verkörperung sich Oscar Isaac („Drive“) nachhaltig als Charakterdarsteller empfiehlt.
Er ist die getriebene Künstlerseele, die sich, Dave Van Ronk nachempfunden, zu Höherem berufen fühlt, dabei jedoch weitgehend ankerlos durchs Leben driftet. Gelebt wird von der Hand in den Mund, geschlafen gerade dort, wo sich Platz auf einer Couch bietet. Anpassungsfähigkeit ist nicht die große Stärke jenes Singer/Songwriters, der sich als Teil eines Duos eine gewisse Reputation erspielte. Doch der Partner starb. Zu Beginn liegt Llewyn Davis am Boden, in einer dunklen Gasse niedergestreckt von der Faust eines wütenden Mannes. Die im Folgenden recht lose verknüpfte Ereigniskette ist ein rückblickendes Resümee, eine Chronik des Scheiterns. Als solche erkennbar wird sie jedoch erst am Schluss, wenn sich der Kreis schließt und Bob Dylan die Bühne betritt.
Joel und Ethan Coen („True Grit“) inszenieren ihr 16. Werk ungemein ruhig, ja fast ereignislos. Der für sie typische absurde Anstrich scheint trotzdem allgegenwärtig. Und das nicht allein in Gestalt der Katze, die Llewyn nach einer Nacht auf der Couch der Eltern des verstorbenen Duett-Partners aus der Wohnung entwischt. Sie nötigt ihn zu mehr Beschäftigung mit anderen Lebewesen, als für ihn komfortabel erscheint. Er hat sich in einer Blase eingenistet, die ihn zwischen abendlichen Auftritten vor überschaubarem New Yorker Publikum nach Erfolg streben lässt. Aber der Folk ist noch nicht salonfähig und Llewyn nicht bereit, sich den Gepflogenheiten des Pop anzupassen. Für die steht Jim (Popstar Justin Timberlake, „In Time“), der mit Jean (Carey Mulligan, „Shame“) ein beachtetes Duo bildet.
Sie ist nach einer flüchtigen Affäre mit Llewyn schwanger. Aber was sollte er mit einem Kind? Also bleibt nur die Abtreibung. Um Episoden wie diese drapieren die Coens Versuche des Künstlers, Fuß zu fassen und sich die Unterstützung eines Labels zu sichern. Dabei kreuzt jener glücklose Llewyn Davis im Winter 1961 die Wege von starken Nebendarstellern wie John Goodman („Barton Fink“) oder F. Murray Abraham („Amadeus“). Doch im Vordergrund steht die Musik. Im Film vorgetragene Stücke werden komplett gespielt. Auch das unterbricht den erzählerischen Fluss, trägt aber viel zur gediegenen Atmosphäre bei. „Inside Llewyn Davis“ ist ein Werk über zerplatzte Träume. Doch ist im Oeuvre der Coens, die in Cannes 2013 den Großen Preis der Jury erhielten, auch diesmal nicht allein für traurige Töne Platz. Etwas spröde, darüber aber nicht weniger brillant.
Wertung: (7,5 / 10)