Zeit ist kostbar. Vor allem in der modernen, sich scheinbar immer schneller drehenden Welt. In Andrew Niccols („Gattaca“) Zukunftsvision „In Time“ ist sie gar Daseinsessenz. Denn die Menschen im unbestimmten Übermorgen sind genetisch so modifiziert, dass sie ab dem 25. Lebensjahr aufhören zu altern und sich zusätzliche Lebenszeit verdienen müssen, um nicht binnen eines Jahres zu sterben. Eine sekundengenaue Digitalanzeige auf der Haut des Unterarms informiert über die verbleibende Lebensdauer. Durch Arbeit, Glücksspiel oder auch Raub können Stunden hinzugefügt werden. Allerdings dient Zeit auch als Zahlungsmittel. Und die Preise werden von den Herrschenden diktiert.
Theoretisch ist der Mensch unsterblich. Aber das ewige Leben einer privilegierten, im Stadtbild auch räumlich separierten Oberklasse, wird auf dem Rücken der darbenden Masse ermöglicht. Immortalität ist für jeden möglich. Nur eben nicht für alle. Als Allegorie auf den Kapitalismus spinnt Niccol ein eingangs reizvolles Szenario, in dem auch das Streben nach ewiger Jugendlichkeit gespiegelt wird. Schließlich ist praktisch nicht erkennbar, ob die Frau an der Seite eines Mannes nun Mutter, Gattin oder Tochter ist. Aber an der politischen Dimension seiner Dystopie ist dem Filmemacher herzlich wenig gelegen. Das Hauptaugenmerk gilt vorrangig klassischen Action- und Thriller-Motiven.
Durch die Zufallsbekanntschaft eines lebensmüden Privilegierten erhält Fabrikarbeiter Will Salas (Justin Timberlake, „Freunde mit gewissen Vorzügen“), stets rastloser Teil jenes Zeit-Prekariats, rund 100 Jahre auf seine Lebensuhr. Da auch seine Mutter den ewigen Kampf der Unterschicht gegen das gnadenlos ablaufende Zählwerk verlor, gedenkt es Will der Bourgeoisie heimzuzahlen. Nachdem er kurz den Luxus der abgeschotteten wohlhabenden Minderheit genossen hat, schwingt er sich mit Sylvia (Amanda Seyfried, „Red Riding Hood“), der Tochter des mächtigen Zeitbankers Philippe Weis (Vincent Kartheiser, „Mad Men“), zum modernen Robin Hood auf.
Ein Sturz des darwinistischen Systems wird aber bestenfalls peripher angedacht. Will und die von ihm gekidnappte Sylvia werden zu einem Paar in „Bonnie und Clyde“-Manier, rauben Banken aus und verschaffen der seltsam gesitteten Ghetto-Bevölkerung mehr Zeit. Dicht auf den Fersen ist den „Time Bandits“ jedoch der verbissene Timekeeper Raymond Leon (Cillian Murphy, „Inception“), der Will am Rande über ähnliche Umtriebe des nie gekannten Vaters aufklärt. Die fade Umsetzung der in Anlehnung an klassische Sci-Fi-Stoffe wie „Logan’s Run“ gesponnenen Geschichte zeigt sich aber bereits an der flüchtigen Andeutung solch vertiefender Plot-Facetten.
Die Bilder von Roger Deakins, dem Stammkameramann der Coen-Brüder, sind bemüht trist. Aber dem Film fehlt visuell und narrativ eine Prägnanz, die dem atmosphärisch unterentwickelten Zukunftsentwurf Kontur verleihen könnte. Auch die Figuren bleiben blass. Um Will und Sylvia beschäftigt zu halten, ist ihnen neben Raymond auch der klischeehafte Gangster Fortis (Alex Pettyfer, „I Am Number Four“) auf den Fersen. Nur bleiben die daraus resultierenden Verfolgungsjagden zu Fuß oder mit retrofuturistischen Automobilen die Beklemmung einer lebensfeindlichen Vision schuldig. Und weil Zeit nun mal auch in unserer Gegenwart kostbar ist, braucht man sie nicht zwingend an einen Film wie „In Time“ zu verschwenden.
Wertung: (4 / 10)