In Bruges – Brügge sehen… und sterben? (GB/USA 2008)

in-brugesOb „In Bruges“ eine gute Werbung für das belgische Brügge ist? Ja und nein. Der historische Stadtkern wird mit seinen Bauwerken, seinen Grachten und seinen Schwänen in touristischer Pracht vorgeführt und quasi als Ersatz-Venedig definiert. Zu sehen gibt es dort wahrlich beeindruckendes. Findet auch der englische Auftragsmörder Ken (Brendan Gleeson), der zusammen mit Partner Ray (Colin Farrell, „Alexander“) vor Ort untertauchen soll. Dessen letzter Auftrag ging gründlich in die Hose, als er neben dem zu erledigenden Priester ungewollt auch ein Kind in die nächste Welt beförderte. Nun harren beide im idyllischen Brügge aus, was Ray an den Rand der Verzweiflung führt.

Denn nicht nur, dass ihn sein mit Schuld beladenes Gewissen in Todessehnsüchte treibt, der gefühlte Stillstand der Stadt strapaziert obendrein seine Geduld. Ken hingegen schwelgt im kulturellen Flair, was ihm die Zeit bis zum Anruf ihres Bosses Harry (Ralph Fiennes) sichtlich versüßt. Auf einem nahen Filmset lernt Ray die Einheimische Chloe (Clémence Poésy) kennen, die Touristen ausnimmt und nebenbei Drogen verkauft. Unter anderem an den kleinwüchsigen amerikanischen Schauspieler Jimmy (Jordan Prentice, „Weirdsville“). Während Rays Depressionen zunehmen, ereilt Ken der Anruf des Chefs. Und der will den unfreiwilligen Kindesmörder um jeden Preis tot sehen.

Die im deutschen mit „Brügge sehen… und sterben?“ betitelte Thriller-Komödie erweckt den Eindruck einer archetypischen Tarantino- oder Richie-Kopie. Doch der für seinen Kurzfilm „Six Shooter“ 2006 Oscar-prämierte Brite Martin McDonagh verfolgt sein eigenes Ziel. Obwohl die Dialoge in ihrer Derbheit oftmals umwerfend komisch sind, ist die Geschichte unter der grotesk angehauchten Oberfläche von tiefer Traurigkeit erfüllt. Neben den ruhigen, fast bedächtigen Einstellungen des Stadtbildes unterstreicht dies vor allem der famos durch sämtliche Gefühlsregungen mäandernde Colin Farrell.

Durch Kens Verweigerung des Mordauftrags muss der aufbrausende Harry kurzerhand selbst nach Brügge reisen, wo es zum Duell der „Harry Potter“-Chargen kommt. Mad-Eye Moody gegen Lord Voldemort, beobachtet von Fleur Delacour (Poésy). Doch Gleeson und Fiennes sind nicht nur Vollprofis, sie sind auch brillante Schauspieler. Gerade der ewig fluchende Fiennes verschwindet völlig hinter der von ihm verkörperten Figur. Dass der grandiose Dialogwitz im akzentreichen englischen Original weit trefflicher zur Geltung kommt, versteht sich praktisch von selbst. McDonaghs melancholische Gangsterballade ist absurd, brutal und zugleich dramaturgisch ausgefeilt. Mehr Armitage als Tarantino, mehr Herzfeld als Ritchie – ein umwerfendes Independent-Kleinod.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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