Wenn man sich die Biografie von Filmemacher Phil Joanou anschaut, sticht beim ersten Hinsehen kein Film so wirklich heraus. Zwar gewann er 1984 mit „The Last Chance Dance“ den Preis für den besten Studentenfilm, drehte die U2-Dokumentation „Rattle & Hum“ und hatte schon Stars wie Richard Gere und Kim Basinger in „Eiskalte Leidenschaft“ vor der Kamera, doch der große Wurf blieb ihm verwehrt. Joanou arbeitete viel fürs Fernsehen, doch gäbe es nicht sein 1990 gedrehtes Gangster-Drama „Im Vorhof der Hölle“, viele Filminteressierte hätten sich mit ihm wohl nie auseinandergesetzt.
Der im Original „State of Grace“ betitelte Film erzählt die Geschichte von Terry Noonan (Sean Penn), einem ehemaligen Kleinkriminellen Iren aus dem New Yorker Viertel Hell’s Kitchen, der eines Tages nach einem gescheiterten Deal mit Todesfolge spurlos verschwindet. Jahre später kehrt Terry als Undercover Cop in seine Heimat zurück, mit der Aufgabe, die Gang seiner ehemaligen Freunde und Weggefährten zu zerschlagen. Als erstes trifft er auf seinen ehemals besten Freund Jackie Flannery (Gary Oldman) und dessen Bruder Frankie (Ed Harris), der mittlerweile zum Boss der irischen Gang aufgestiegen ist. Vor allem die enge Freundschaft zu Jackie, die trotz der langen Zeit nicht gelitten hat, als auch das Wiedersehen mit seiner alten Jugendliebe Kathleen (Robin Wright), die gleichzeitig auch Schwester der Flannery-Brüder ist, machen seinen eigentlichen Auftrag, die Gang zu zerschlagen, nicht leichter und Terry befindet sich in argen Gewissenskonflikten.
Erschwert wird die Angelegenheit, als sich Frankie der italienischen Mafia annähert, sein Bruder Jackie das aber nicht verstehen will und in falschem Glauben drei der Italiener öffentlich hinrichtet. Als Frankie seinen Bruder im Anschluss aus dem Weg räumt, macht Terry aus seiner Position keinen Hehl mehr und steht nun auch auf der Abschussliste von Frankie. In düsteren und ruhigen Bildern erzählt Phil Joanou die Geschichte von Terry Noonan, der an der ihm vorliegenden Aufgabe zu scheitern und zu zerbrechen droht. Die Darstellung dessen ist Ex-Madonna-Ehemann Sean Penn („Carlitos Way“) wie so oft in seiner Karriere eindrucksvoll gelungen. Die Intensität, mit der er den zwiegespaltenen Cop gibt, der in einem Milieu voller Unmoral das Gesetz vertritt, dieses aber gleichzeitig auch außer Kraft setzen muss, ist mehr als beeindruckend. Doch auch die restliche Darstellerriege, sei es nun Gary Oldman („Romeo is Bleeding“) als versoffener Proll-Ire mit Hang zur unendlichen Freundschaft, Ed Harris („Pollock“) als kaltblütiger und über Leichen gehender Anführer der Bande oder Robin Wright („Forrest Gump“) als zwischen den Parteien stehende junge Frau, die mit dem ganzen Sumpf aus Gewalt und Verbrechen eigentlich schon abgeschlossen hatte, sie alle verdienen höchsten Respekt und sorgen maßgeblich für das überdurchschnittliche gelingen des Films.
Doch auch Phil Joanou soll nicht zu kurz kommen, denn die dichte Atmosphäre verdankt der Film unter anderem seinen Bildern. Diese an sich schon mitreißende Kombination aus Darstellern und Optik wird durch die Musik von Altmeister Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“) zusätzlich verstärkt. Der ganze Film endet dann in einem wohl in dieser Form nicht zu erwartenden Showdown während des St. Patricks Day, als sich Sean Penn in einem Pub seinen letzten Gegnern stellt. Allein an diesen letzten Minuten, die wie eine Ewigkeit erscheinen und fast ausnahmslos in Zeitlupe gedreht wurden, zeigt sich, dass der Film ein Großer ist. Die folgenden Shootouts haben eine Eleganz und Explosivität, die auch einen Woo oder Peckinpah begeistert hätten. Damit rangiert „Im Vorhof der Hölle“ direkt hinter den ganz großen des Genres und hat über die Jahre nichts von seiner Wirkung eingebüßt. Ohne wenn und aber ein Meisterwerk.
Wertung: (9 / 10)