Im Staub der Sonne (I/F 1968)

imstaubdersonneFrüher, als die Frauen noch Schwänze hatten (zumindest im italienischen Film) und im Süden Europas produzierte Western Menschen in die Lichtspielhäuser trieben, war im Kino alles möglich. Da konnte sich ein Inhaftierter Dreck ins Gesicht schmieren und seinem Bewacher als Lepra verkaufen, woraufhin der von Panik und Armrudern gepackt das Weite sucht. Der Kerker bleibt natürlich offen, damit die Illusion auch ihren nachhaltigen Nutzen trägt. Der Sträfling gibt natürlich Fersengeld, begleitet von dramatischer Musik, die sich jedoch alsbald entspannt. Niemand verfolgt ihn, weshalb er sich auch endlich an einem nahe gelegenen Gewässer den Schmutz aus der Visage waschen kann.

Der Auftakt von „Im Staub der Sonne“ lässt arges erwarten. Doch Bruno Corbucci („Bud, der Ganovenschreck“), Bruder des weit bekannteren „Django“-Regisseurs Sergio, versteht sich ebenso wie der Anverwandte auf die kompetente Inszenierung nicht vollends ausgelutschter Filmstoffe. Auch die Charakterisierung der von ihm dirigierten Figuren erweist sich als gut ausgearbeitet, so dass auf plumpe Gegensätze von Gut und Böse konsequent verzichtet wird. Das zeigt sich bereits an jenem eingangs Geflüchteten, nicht nur namentlich Stark („Blade Runner“ Produzent Brian Kelly), der erst einmal mit einem „alten Freund“ abrechnet, dem er den Aufenthalt im Kittchen zu verdanken hat.

Dem ansässig herrschenden Großgrundbesitzer (Folco Lulli, „Im Zeichen Roms“) passt dieser willkürliche Racheakt gar nicht in den Kram, so dass er Stark nach dessen bleihaltiger Festsetzung kurzerhand aufknüpfen lassen will. Im letzten Moment jedoch überlegt er es sich anders, sichert sich die Dienste des cleveren Revolvermannes und schickt ihn fort, den flüchtigen Sohnemann Fidel (Fabrizio Moroni, „Für eine Handvoll Blei“) aufzuspüren. Der hat sich der Bande des ehemaligen Armeeoffiziers Charlie Doneghan (Kinoveteran Keenan Wynn, „Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“) angeschlossen, die marodierend durch die Lande zieht.

Von der munteren Massenschlägerei im Saloon bis zum Revolverduell tischt Bruno Corbucci alles auf, was dem Genrefreund bekömmlich erscheint. Darüber hinaus sogar noch mehr. Zwar wirkt der eingestreute Humor nicht immer passend, dafür entschädigt der angenehm bodenständige Film jedoch mit einer durchdachten Geschichte und guten Darstellerleistungen. Weil Stark Banditenführer Doneghan kennt, fällt es ihm nicht schwer an ihn heranzukommen. Unter dem Vorwand eines wohl kalkulierten Zugüberfalls reitet er mit dem Sohn seines Auftraggebers voraus, kidnappt diesen und begibt sich auf den beschwerlichen Rückweg. Verständlicherweise sind weder Fidel, noch Doneghan erfreut über diese Entwicklung.

Bevor es am Ende zu klärendem Schusswaffengebrauch zwischen Vater und Sohn, Stark und Doneghan kommt, entwickelt sich zwischen Entführer und Geisel eine Mischung aus Respekt, freundschaftlicher Verbundenheit und offener Rivalität. Diese angedeutete Charakterstudie nimmt den gesamten Mittelteil ein, ohne dass Corbucci darüber in Langatmigkeit verfiele. Dazu bei trägt die über weite Strecken harmonische Narration, der mit Sante Maria Romitellis („Der Colt Gottes“) zwischen Orgel und E-Gitarre wandelnder Musik zudem eine stimmige Untermalung zur Seite steht. Nicht frei von Klischees und dennoch weit genug vom Standard entfernt, um nicht als bloße Fußnote des Spaghetti-Westerns durchzugehen.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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