Filmisch betrachtet waren die Siebziger ein ungemein schroffes Jahrzehnt. Die mit „Easy Rider“ 1967 eingeläutete Ära des New Hollywood veränderte das Kino radikal und stärkte die Zugkraft unabhängiger Kleinproduktionen. Durch sie wurde die Ernte einer Bewegung eingefahren, die den Mut zu Tabu- und Konventionsbruch auf breiter Ebene durchzusetzen begann. Parallel spaltete sich endgültig eine exploitative Strömung ab, die Sex und Gewalt zum Unterhaltungsprinzip erhob und das Publikum in Auto- und Bahnhofskinos mit Horrorfilmen und Thrillern überschwemmte. Die Geburtsstunde des Grindhouse-Sujets.
Ein ob seiner harschen Darstellung von Missbrauch und Psycho-Terror oft gescholtener Beitrag ist der 1978 gedrehte Rape n‘ Revenge-Thriller „I Spit on Your Grave“. Der ursprünglich unter dem Titel „Day of the Woman“ in die Kinos gebrachte Schocker (dt. Titel: „Ich spuck auf dein Grab“) von Autor, Regisseur und Co-Produzent Meir Zarchi ist ein raues, schwer erträgliches B-Picture, das auf den Spuren von „Last House on the Left“ zur Grenzüberschreitung ausholt. 2010 produzierte Zarchi übrigens auch das gelungen modernisierte Remake gleichen Titels, das die grausame Rache einer gepeinigten Frau jedoch im Rollenverständnis der Geschlechter (Sex wird darin nicht als Waffe eingesetzt) auf den Kopf stellt.
Die New Yorker Schriftstellerin Jennifer Hill (Camille Keaton, „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“) plant den Sommer in einem abgelegenen Haus an einem idyllischen See zu verbringen, um ihren ersten Roman zu vollenden. Dabei erregt sie das Interesse dreier Einheimischer, die sie, angeführt von Familienvater Johnny (Eron Tabor), erst schikanieren und schließlich brutal missbrauchen. Jennifer ist den perversen Trieben der Männer, die durch den minderbemittelten Matthew (Richard Pace) komplettiert werden, hilflos ausgeliefert. In quälender Ausführlichkeit und ohne nennenswertes erzählerisches Tempo wird sie misshandelt und wiederholt vergewaltigt. Am Ende soll Matthew sie töten, was er jedoch nicht fertig bringt und den anderen verschweigt. Für Jennifer Anlass genug die erlittene Qual mit blutiger Rache zu vergelten.
Der brutale Sleaze-Thriller kommt von Mundharmonika, Kirchenorgel und Schallplatte abgesehen ohne musikalische Untermalung aus und lässt das Geschehen mit archaischer Wucht über Protagonistin und Zuschauer hereinbrechen. Durch das verstörend intensive Spiel Keatons, die den Wandel von der selbstbewussten Frau zum emotionslosen, den eigenen Körper mit aller Vehemenz instrumentalisierenden Racheengel überzeugend meistert, rückt Zarchi von plump (s)exploitativen Gewaltfantasien ab. Vom Selbstzweck freimachen kann sich die rudimentäre Inszenierung zwar nicht, es überwiegt jedoch das unbequeme Gefühl zum Voyeur des grausamen Treibens gestempelt zu werden. Auf kluge Weise behandelt Zarchi das Thema also kaum. Vordergründig geht es um die Grenzerfahrung, die zerstörerische Spirale von Gewalt und Gegengewalt.
Unterhaltsam, sofern im kinematographischen Kontext davon überhaupt die Rede sein kann, ist Zarchis antiklimatischer Film (Anführer Johnny ist bereits das zweite Opfer) jedenfalls nicht. Auch schauspielerisch ist der Streifen wahrlich nicht die Krone der Werkschöpfung, was vor allem für Matthew-Darsteller Pace gilt. Trotzdem verfügt das zehrende Martyrium über den spröden Reiz des schauerlich Abstoßenden. Roger Ebert, der sich mit seinem langjährigen TV-Partner Gene Siskel vehement gegen die explizite Erniedrigung der Frau im Kino aussprach (siehe „Women in Danger“, 1980), hat wiederholt betont, „I Spit on Your Grave“ wäre einer der schlechtesten jemals geschaffenen Filme. Aber auch ein verdienter Kritiker wie er kann ja nicht immer recht haben.
Wertung: (5 / 10)