Musikwerke taugen als Spiegelfläche jeweiliger Zeitgeist-Facetten meist nur, wenn neben relevanten Schlüsselthemen auch die durch sie aufbrandenden Emotionen transportiert werden. Bei I CUT OUT YOUR NAME findet die diffuse Vielfalt düsterer Gefühlswelten ihre Entsprechung in der Überlagerung verschiedener Stile. Da werden Death-Metal und Post-Hardcore mit Metal-Hardcore und Rap-Core verknüpft. Der Core-Überschuss kündet dabei gleich von der brachialen Kelle, mit der das Kollektiv aus dem Dreiländereck auf seinem Albumdebüt, „Testament der Dekadenz“, um sich schlägt.
Die nicht immer verständlichen, gen Deutsch-Punk tendierenden Texte werden dazu geshoutet, gegrowlt oder gerappt. Sie kreisen um Reizthemen wie Entfremdung, Rechtsruck, toxische Maskulinität oder Verschwörungstheoretiker. Das Gefühl zunehmender Ohnmacht wird eindrücklich in „Testament“ transportiert, das als Collage von Sprachsamples über melodischer Instrumentalgrundierung gelegt wird. Dass das Nebeneinander der verschiedenen Spielarten auch quasi-sortenrein vonstattengeht, veranschaulicht etwa der Opener „Kompass“, während „Leben macht müde“, „Geil“, „Toxisch“, „Emoboy“ oder das im Ansatz an JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE erinnernde „Gönn dir“ eher abrupt kreative Haken schlagen.
Überzeugungsarbeit leisten I CUT OUT YOUR NAME über weite Strecken losgelöst vom Grat der Überraschungsfähigkeit. Zu deren Gesamtanmutung tragen auch die betont absurden „Skit“-Dialoge am Telefon oder im Club bei, die in Hälfte zwei der Platte jedoch zu viel Raum einnehmen. Unter dem Strich bleibt „Testament der Dekadenz“ aber eine ebenso spannende wie lärmende Scheibe, die zum Nachdenken anregt und die Ohren klingeln lässt. Ein Mangel dunkler Emotionen kann hier jedenfalls nicht bemängelt werden, so dass die Zeitgeistkritik noch nachhallt, wenn der letzte Akkord längst verklungen ist. Auf so ein Album lässt sich aufbauen. Oder besser: abreißen.
Wertung: (7 / 10)