Die Zeiten sind hart für den Horrorfilm. Das Genre ist längst kommerzialisiert, Splatter und Wundinszenierung integraler Bestandteil des Hollywoodkinos. Der Trend geht zurück, orientiert sich an den garstigen Kulturparabeln der sechziger und siebziger Jahre. Filme wie „The Texas Chainsaw Massacre“, „Dawn of the Dead” und „The Hills have Eyes“ haben ihre Remakes bereits bekommen. Weitere werden folgen, soviel steht fest. Doch etwas ist anders. Während die Hoopers, Romeros und Cravens Produkte einer Gesellschaft im Umbruch waren, sind die Neuverfilmungen Produkte für die Spaßgesellschaft, im Speziellen einer Jugend, der die Symbolik der Gewalt fremd ist. Die Motivation ist die Neugier auf das Innere der anderen, Schockmomente auf Kosten geöffneter Körper.
„Hostel“, Kooperationsprojekt von „Pulp Fiction“-Schöpfer Quentin Tarantino und „Cabin Fever“-Regisseur Eli Roth, verzichtet vollständig auf Doppelbödigkeit und gibt sich allein dem Spiel mit der Abscheu hin. Roth versucht sich am Extrem-Kino eines Takashi Miike („Ichi – The Killer“), der im Film einen Cameoauftritt absolviert, gerät jedoch über den scheinbaren Unterhaltungswert seiner zweckfremden Exploitation ins Straucheln. Das Kino Miikes benutzt ausufernde Gewalt je nach Thema als groteske Spielwiese oder subtil kritische Projektionsfläche. Der amerikanische Nachahmer beschränkt sich, mit dem Unterschied fehlender Ironie, auf ersteres und rückt damit ins Abseits des Terror & Torture-Ouvres eines Hershell Gordon Lewis („Blood Feast“) oder Joel M. Reed („Bloodsucking Freaks“).
Der Film erzählt die Geschichte der amerikanischen Rucksacktouristen Paxton (Jay Hernandez, „Im Feuer“) und Josh (Derek Richardson, „Dumm und Dümmerer“), die zusammen mit Zufallsbekanntschaft Oli (Eythor Gudjonsson) Europa bereisen. Der Wunsch nach Sex, Drogen und Alkohol ist schnell erfüllt, was fehlt ist der letzte Kick. Auf ihrer Suche nach mannigfaltiger Befriedigung erhalten die drei, wie dereinst Leonardo DiCaprio in „The Beach“, den Hinweis auf ein verborgenes Paradies: In der slowakischen Provinz soll sich der Backpacker-Himmel auftun, ein Hostel voll williger Mädchen und endlosem Exzess. Vor Ort jedoch lauert das Grauen, als die drei einer Organisation in die Hände fallen, die eine ganz besondere Dienstleistung feilbietet – qualvolle Tötung gegen Bezahlung!
„Hostel“ ist ein Film der Superlative – zumindest im statistischen Bereich. Bei Produktionskosten von nur 4,5 Millionen US-Dollar spielte der Independent-Schocker allein in Amerika fast 50 Millionen ein. Rekordverdächtige neun verschiedene Sprachen finden Verwendung, wohlgemerkt ohne jede Untertitelung. Der Verbrauch an Kunstblut beläuft sich auf mehr als 500 Liter. Vor allem letztgenannter Aspekt lässt aufhorchen, doch wird der Film dem vorausgeeilten Ruf des wegweisenden Schlachtfests kaum gerecht. Gerade die erste Hälfte verklebt lose postpubertäre Männerfantasien und überrascht abseits dürftiger Dialoge und fader Figuren einzig durch die Freizügigkeit der osteuropäischen Komparsinnen.
Erst in der Slowakei wird der Film düsterer. Eine spannungsgeladene Atmosphäre stellt sich allerdings auch dort nicht ein. Erst verschwindet Oli, dann Josh. Zwischenspiele in dunklen Gewölben nehmen zu, Szenen von Folter und Mord. Zimperlich geht Eli Roth nicht mit den Figuren um, durchtrennt eine Achillesferse, entledigt sich lästiger Finger mit einer Kettensäge. Doch wirkt der Handlungsaufbau zu zäh, als das die Kehrtwende zum Sleaze-Slasher noch Pluspunkte verbuchen könnte. Am Ende steht neben brutaler Erlösung die Erkenntnis, dass Blutzoll allein noch keinen guten Film macht. „Hostel“ mag noch so routiniert inszeniert sein, Überzeugungsarbeit leistet der handwarme Exploiter bei nur aus nackter Haut und quälender Gewalt gefertigten Schauwerten nicht.
Wertung: (4 / 10)