Obwohl Bruce Willis in den letzten Jahren nie wirklich groß in Erscheinung treten konnte – was jedoch nicht an seinem Arbeitseifer, sondern eher am kommerziellen (Mis-)Erfolg seiner Filme liegt –, gehört er immer noch zum Besten, was die Traumfabrik zu bieten hat. Sein Ruf ist mehr als gerechtfertigt und auch wenn solche Belanglosstreifen wie „Das Tribunal“, „Banditen“ oder „Tränen der Sonne“ beinahe hintereinander in die Kinos gejagt werden, der gute Bruce kann stets das Ruder wieder herumreißen und seinen Fans das geben, was sie letztlich von ihm sehen wollen. So eben zuletzt in Robert Rodriguez‘ Comic-Genialität „Sin City“.
Der Polizist Jeff Talley (Willis) ist einer der routiniertesten Cops auf den Straßen von L.A., dessen jahrelange Erfahrung ihn zum Verhandlungsführer Nummer 1 machten, wenn es um brenzlige und hektische Situationen geht. Doch auch Talley muss Niederschläge einstecken, etwa als während einer Verhandlungsphase sein Gegenüber trotz aller Bemühungen Talleys, die Situation zu entschärfen, seine Frau, seinen kleinen Sohn und schließlich sich selbst erschießt. Von diesen Geschehnissen völlig geschockt, quittiert er in L.A. den Dienst und zieht sich aus der Großstadt zurück. Mit seiner Familie siedelt er in das Provinzkaff Bristo Camino um, wo er als hiesiger Polizeichef das Geschehene vergessen möchte.
Einige Monate verläuft alles nach Plan, der neue Job birgt keinerlei Gefahren, doch dafür leidet sein Familienleben merklich. Nachdem sich aber drei Halbstarke eines Tages Zutritt in das bestens gesicherte Haus des Buchhalters Walter Smith (Kevin Pollak) verschaffen und diesen samt seinen Kindern Tommy (Jimmy Bennett) und Jennifer (Michelle Horn) als Geiseln nehmen, holt Talley seine Vergangenheit wieder ein. Einer der drei Jungs rastet aus, als eine Polizistin auftaucht und erschießt diese, die Situation gerät für alle Beteiligten außer Kontrolle und die Fähigkeiten von Talley als Vermittler sind gefragt. Doch dieser muss nicht nur zusehen, dass er die Geiseln wohlbehalten befreit, denn auch seine Familie schwebt in Gefahr, nachdem eine Gruppe Gangster diese in ihre Gewalt brachten und diese dadurch an eine in dem Haus befindliche DVD gelangen wollen. Talley muss nun zwangläufig Regeln umgehen und Gesetze brechen, um nicht nur seine Familie zu retten.
Den französischen Regisseur Florent Emilio Siri musste sich der erfahrene Videothekengänger bislang nicht zwingend merken, fiel dieser doch bis dato lediglich Action-Fans in Form seines leidlich unterhaltsamen „Das tödliche Wespennest“ auf. Die Arbeit mit Bruce Willis an „Hostage – Entführt“ stellt sein Debüt in Hollywood dar. Dieses ist im Endeffekt ganz ansehnlich geraten, kann aber im Vergleich zu ähnlich gestrickten Filmen („Verhandlungssache“) nicht ganz mithalten und hinterlässt an etlichen Stellen zu viele Fragen und Ungereimtheiten. So wird bspw. nicht geklärt, was es genau mit dieser ominösen DVD auf sich hat, auch die drei Bengel scheinen sich in den wenigen Wochen ihrer Bekanntschaft (von den beiden Brüdern mal abgesehen) schon recht gut zu kennen, um solch ein Ding durchzuziehen und auch die plötzlich auftauchenden Obergangster, die Bruce Willis erpressen und kurzerhand dessen Familie als Geisel nehmen, werfen den ein oder anderen skeptischen Blick auf. Vom Ende dann einmal ganz abgesehen, in dem sich die knallharten Schurken so gar nicht von ihrer vorher knallharten Seite zeigen.
Bruce Willis („The Sixth Sense“) gibt den harten wie verletzlichen Helden, wie er ihn in den letzten Jahren des öfteren gegeben hat. Neue schauspielerische Facetten darf man da nicht erwarten. Häufig schaut er wie ein bedröppelter Hund in die Kamera, an anderer Stelle dann, wenn er seine Familie gefesselt im Rückspiegel seines Autos sieht, zuckt es wieder im kahlrasierten Kopf. Routiniert, aber unspektakulär, so wie man es letztlich von ihm gewohnt ist. Der ebenfalls routinierte Kevin Pollak („Die üblichen Verdächtigen“) hat leider zu wenig Szenen, um sich auszuzeichnen, denn beinahe den ganzen Film liegt er bewusstlos auf dem Boden herum, um gen Ende aber doch Willis zur Seite zu stehen. Ben Foster („11:14“) gibt als gestörter Nachwuchs-Geiselnehmer noch die charismatischste Figur ab, doch auch sein Abgang, in dem der Halbstarke in bester Einer-gegen-Alle-Manier eine Handvoll erfahrener und schwerst bewaffneter Gangster zur Strecke bringt, wirft dezentes Schmunzeln und Unverständnis hervor. In einer kleinen Rolle ist übrigens Rumer Willis, ihres Zeichens Tochter von Papa Bruce zu sehen, die hier dessen Tochter spielt und in „Striptease“ beinahe 10 Jahre zuvor schon die Tochter von Willis-Ex Demi Moore spielte. So schließt sich der Kreis.
Etwa ab der Hälfte beginnt der bis dahin nicht unspannende Film nachzulassen, nämlich dann, wenn auch Willis‘ Familie in das Geschehen hineingezogen wird. Der Kampf an zwei Fronten wird vor allem für Regisseur Florent Emilio Siri zuviel und das Zepter entgleitet ihm das ein oder andere mal. Hätte er diesen doch etwas überflüssigen Handlungsstrang weggelassen und hätte er sein Augenmerk lediglich auf das an eine Festung erinnernde Haus gerichtet, wäre aus „Hostage – Entführt“ vielleicht mehr geworden. Ein wenig Action, ein wenig Spannung, solide Darsteller und etliche Plotlöcher, genau die Mischung, die Hollywood weitgehend ausmacht und auch genau die Zutaten sind, die auf der Verpackung stehen.
Wertung: (6 / 10)