Eine amerikanische Western-Saga
Wenn sich einzelne Personen bei Filmproduktionen in verschiedenen Schlüsselfunktionen einbringen, ist der Begriff „Herzensprojekt“ angebracht. Allerdings ist das längst kein Indiz für Qualität. Denn mangelnde Distanz führt nicht selten zu Fehleinschätzungen. Diesen Vorwurf muss sich auch Kevin Costner („Open Range“) gefallen lassen, der bei seinem vielschichtigen, über Jahrzehnte geplanten Besiedlungs-Western „Horizon“ als Ideengeber, Co-Autor, Produzent, Regisseur und Darsteller fungiert. Die Ambition des Gesamtwerks lässt sich bereits daran ermessen, dass die 15 Jahre umfassende Geschichte auf insgesamt vier Kapitel angelegt ist. Zwei davon sind abgedreht, doch schon das erste ging an den Kinokassen gnadenlos unter.
Für Costner wiegt das, gerade nach den stehenden Ovationen bei der Premiere in Cannes, umso schwerer. Einen beträchtlichen Teil des Budgets – die Rede ist von rund 38 Millionen Dollar – soll er aus eigener Tasche beigesteuert haben. Das Herzensprojekt wird da schnell zum Alptraum. So erscheint aktuell fraglich, ob Costner sein überlanges Epos überhaupt fertigstellen kann. Dabei hat das finanzielle Scheitern von „Horizon: Eine amerikanische Saga – Kapitel I“, wie der Auftakt der Quadrilogie in vollem Umfang überschrieben ist, nachvollziehbare Gründe. So wie die Laufzeit von fast drei Stunden. Derartige Überlänge mag bei Blockbustern verzeihlich erscheinen; Costners Oscar-prämierter Überraschungserfolg „Der mit dem Wolf tanzt“ erscheint daneben aber eher als rühmliche Ausnahme. Die Kehrseite musste er mit seinem gefloppten Endzeit-Western „Postman“ erleben. Daraus gelernt hat er offensichtlich nicht.
Ein weiterer Grund für die mangelnde Anziehungskraft Richtung Publikum liegt in der unübersichtlichen Figurenfülle. Die verteilt sich auf mehrere zunächst voneinander unabhängige Handlungsstränge, die aber auf ein gemeinsames, durch Flugblätter ausgegebenes Ziel zusteuern: die in unerschlossenem Territorium geplante Kommune Horizon. Dass deren Gründung losgelöst von verkauften Grundstücksparzellen einen schweren Stand hat, liegt am in der Nähe ansässigen Indianerstamm. Die Indigenen (u. a. Owen Crow Show, „The Revenant“) beantworten die Annexion ihres Lebensraums mit Gewalt. Und so folgt ersten Holzkreuzen am nahen Flussufer bald ein verlustreicher nächtlicher Angriff auf die sich ansiedelnden Familien. Unter den von der anrückenden Kavallerie – u. a. vertreten durch Sam Worthington („Avatar“) und Michael Rooker („Guardians of the Galaxy“) – aufgelesenen Überlebenden finden sich auch Frances Kittredge (Sienna Miller, „American Sniper“) und ihre Tochter.
Viele Figuren, (noch) wenig Zusammenhang
Der ebenfalls mit dem Leben davongekommene Russell (Etienne Kellici, „Books of Blood“) will den Tod seiner Familie gesühnt sehen. Und so schließt sich der Junge einer Gruppe Männer (darunter Jeff Fahey, „Planet Terror“) an, die Jagd auf Indigene (und deren Skalps) machen. Daneben führt Matthew Van Weyden (Luke Wilson, „Motel“) einen Planwagen-Treck (u. a. auf dem Kutschbock: Costners „Postman“-Gegenspieler Will Patton) durch die Prärie und versucht Risiken zu vermeiden und Konflikte zu schlichten. Eine weitere episodisch verwobene Geschichte widmet sich Ellen (Jena Malone, „Antebellum“), die den Vater ihres kleinen Sohnes niederschießt, um seiner brutalen Kontrolle zu entgehen. Nur ist der Verwundete Anführer der berüchtigten Sykes-Sippe und schickt ausgewählte Familienmitglieder aus, um Ellen zu finden.
Als sich diese in einem provisorischen Goldgräberstädtchen niederlässt und die Hütte mit der Prostituierten Marigold (Abbey Lee, „Mad Max: Fury Road“) teilt, erregt jene das Interesse von Viehtreiber Hayes Ellison (Costner). Der Konflikt mit den Sykes schließt bald auch ihn ein. All diese (und weitere) Schicksale verknüpft Costner ohne Eile. Gerade das wirft die Frage auf, ob eine Verfilmung des Stoffes als Serie nicht die bessere Entscheidung gewesen wäre. Aber der projekttreibende Hollywood-Star hat – das belegen J. Michael Muros („L. A. Crash“) imposante Breitwandbilder der (noch) endlosen Weiten des Wilden Westens – „Horizon“ unstrittig für die große Leinwand konzipiert. Wie sehr Costner im Western verwurzelt ist, zeigt er dabei mit Unterstützung des prominenten Ensembles, zu dem auch Danny Huston („The Proposition“), Isabelle Fuhrman („Orphan“), Alejandro Edda („Narcos: Mexico“), Tom Payne („The Walking Dead“) und James Russo („Bad Girls“) zählen.
Mit dem Unterschied, dass sein auch die Perspektive (und das blutig besiegelte Schicksal) der Indigenen aufgreifendes Stimmungsbild auf eine authentische Darstellung von Menschen und Umgangsformen setzt. Das beinhaltet natürlich auch gezückte Colts; nur bleibt der Action-Anteil keinem Selbstzweck unterworfen. Das belegen gerade die, gemessen an der Jugendfreigabe, mit einigen Härten versehenen Eskalationen zwischen Pionieren und Ureinwohnern. An Ambition, visuellen Eindrücken und historischen Bezügen, die moralisch teils bis in die Gegenwart reichen, mangelt es Costners Mammutwerk keineswegs. Im ersten Kapitel wohl aber an einem erkennbaren roten Faden. Der finale Ausblick auf die Fortsetzung, bei dem vor allem Giovanni Ribisi („Public Enemies“) Gewicht erhält, lässt aber zumindest erahnen, dass sich das im Fortlauf der Erzählung ändert. Sofern Costner seine amerikanische Saga denn überhaupt zu Ende bringen kann.
Wertung: (6,5 / 10)