
Und wenn sie nicht gestorben sind, so ballern sie noch heute!
Das Markenzeichen von Film- und Serienschöpfer Gareth Evans ist übertrieben blutige Gewalt. Für internationale Furore sorgte er mit dem indonesischen Martial-Arts-Kracher „The Raid“ (2011), der als einer der besten Actionfilme aller Zeiten gilt. Mit der hochkarätigen Fortsetzung von 2014 und der von ihm in Teilen inszenierten Auftaktstaffel der Erfolgsserie „Gangs of London“ (seit 2020) pflegte der Waliser seinen Status als ultrabrutaler Geschichtenerzähler. Für „Havoc“ paktiert Evans mit dem Streaming-Riesen Netflix – und schickt Charakterdarsteller Tom Hardy („Taboo“) als desillusionierten Cop durch ein Inferno aus Korruption, Verrat und Tod.
Mit Parallelen zum Serienklassiker „The Shield“ (2002 – 2008) erzählt Evans, der auch das Drehbuch schrieb und neben Hardy als Produzent fungierte, die bleihaltige Läuterungsgeschichte von Polizist Walker. Dass der Dreck am Stecken hat, ist von Beginn an offensichtlich. Als Schauspieler versteht sich Hardy perfekt darauf, die innere Zerrissenheit seiner Figuren mit sparsamer Mimik nach außen zu kehren. Allerdings ist sein von den Dämonen vergangener Taten geplagter Lotter-Cop fast übertrieben abgefuckt. Das zeigt sich u. a. daran, dass er die Weihnachtsgeschenke für den nur selten gesehenen Sohn in letzter Minute in einem schäbigen Mini-Markt besorgt.
Mit seiner jungen Partnerin Ellie (Jessie Mei Li, „Last Night in Soho“) wird er zu einem Unterwelt-Massaker gerufen, dass in Walkers scharfsinnigem Rückblick auch diesmal den Standard setzt, mit dem Evans das Blutvergießen illustriert: Bei den Schusswechseln werden Körper nicht von einzelnen Kugeln getroffen, sondern mit allem durchsiebt, was die immer prall gefüllten Magazine hergeben. Die splattrige Gewalt ist allerdings nicht das einzige markante Moment. Denn der Schlüsselsequenz, bei der der Sohn einer chinesischen Unterweltgröße (Yann Yann Yeo, „Wet Season“) getötet wird, geht eine wilde Verfolgungsjagd zwischen einem Lastwagen und zwei Polizeifahrzeugen (mit am Steuer: „Justified“-Star Timothy Olyphant) voraus. Nur wirkt das CGI-lastige High-Speed-Straßenduell geradewegs lächerlich überzeichnet. Bedauerlicherweise belässt es Evans nicht bei diesem einmaligen visuellen Ausfall mit Videospiel-Anmutung.
Für das erwähnte Blutbad wird Kleingangster Charlie (Justin Cornwell, „Bel-Air“) verantwortlich gemacht, der Sohn des zwielichtigen, mit Polit-Ambitionen versehenen Geschäftsmannes Beaumont (Oscar-Preisträger Forest Whitaker, „Der letzte König von Schottland“). Er weist Walker, über dessen buchstäbliche Kellerleiche er Bescheid weiß, an, den entfremdeten Filius aufzuspüren, bevor es die rachsüchtige Triaden-Anführerin oder Olyphants dubioser Cop Vincent tun können. Tatsächlich gelingt es Walker, den Gesuchten über den Ziehvater (Luis Guzmán, „The Last Stand“) von dessen Freundin/Komplizin Mia (Quelin Sepulveda, „Good Omens“) ausfindig zu machen. Die beiden zu beschützen und mehr noch die wahren Schuldigen auszumachen, bringt ihn jedoch selbst ins Visier verschiedener, in ihren Methoden nicht gerade zimperlicher Interessensfraktionen.
Die Story wirkt so bemüht komplex wie sattsam bekannt, was angesichts der namhaften Besetzung nicht weiter stören muss. Trotzdem bleibt die Erzählung auch diesmal nur Mittel zum Zweck, um den Cast in den expliziten Scharmützeln auszudünnen. Das Finale in und um Walkers abgelegene Hütte bringt schließlich alle Parteien zueinander – und zerlegt neben dem Bauwerk auch das Gros der Beteiligten in ihre Einzelteile. Emotional packt Evans blutbesudelte Thriller-Schlachtplatte kaum. Zumindest Fans brachialer Action werden aber souverän bei der Stange gehalten. Nur bleibt dabei der Eindruck bestehen, dass die prominente Schauspielschar – allen voran die wenig geforderten Whitaker und Olyphant – vorrangig als Lockmittel dient, um die nicht eben tiefgründige Handlung zu kaschieren. So scheint Evans‘ Credo weiterhin zu lauten: Hauptsache es knallt!
Wertung: (6 / 10)