Allmählich wird Harry Potter erwachsen. Im fünften Leinwandabenteuer äußert sich das besonders in seinem ersten Kuss. Für viel mehr der pubertären Emotionswirrungen bleibt jedoch kaum Zeit. Schließlich gilt es den zu alter Kraft zurückfindenden Lord Voldemort aufzuhalten und die Welt der Magie und Hexerei von diesem Umstand zu überzeugen. Joanne K. Rowling zog den zugrundeliegenden Roman „Harry Potter und der Orden des Phönix“ auf überlange 1.000 Seiten. Selbst in Anbetracht der in manch zäher Passage liegenden Dankbarkeit einer Verfilmung liegt auf der Hand, dass die Kinoadaption von Eile getrieben wird.
Für TV-Regisseur David Yates ist es das erste Projekt dieser Größe. Er meistert die Bürde des Erfolgsdrucks, weil er die aufkommende Finsternis des direkten Vorgängers „Harry Potter und der Feuerkelch“ konsequent weiterspinnt. Zur Seite stehen ihm dabei berauschende Sets und Kameramann Slawomir Idziak („Black Hawk Down“), der gerade zu Beginn und im Finale begeisternd schauerliche Bilder einfängt. Inhaltlich wird verständlicherweise eine arg zusammengestauchte Fassung des komplexen Buches geboten. Manche Auslassung scheint sträflich, obgleich Skriptautor Michael Goldenberg („Contact“) dem Geist der Vorlage gerecht wird. Nur auf Neulinge im Potter-Universum wird keinerlei Rücksicht genommen. Woher soll bei über zwei Stunden Spielzeit auch noch der Raum für erläuternde Einleitungen kommen?
Nachdem Harry (Daniel Radcliffe) während der Sommerferien von Dementoren attackiert wird und nur mit Mühe und Zauberstab entkommen kann, droht ihm aufgrund der Missachtung des außerschulischen Magieverbots der Verweis von Hogwarts. Dank Schulleiter Dumbledore (Michael Gambon, „Der gute Hirte“) übersteht er die von Zaubereiminister Fudge (Robert Hardy, „Sinn und Sinnlichkeit“) anberaumte Anhörung unbeschadet und wird zum Schutz in den Orden des Phönix, eine geheime Organisation im Streben Voldemorts Schrecken Einhalt zu gebieten, eingeführt. Doch das neue Schuljahr steht vor der Tür. Und das bringt für Harry und seine Freunde Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) nicht nur die Vorbereitung auf den Kampf gegen den dunklen Lord, sondern auch die Erwehrung der Repressalien seitens der ministeriumstreuen Lehrerin Dolores Umbridge (Imelda Staunton, „Eine zauberhafte Nanny“).
„Harry Potter und der Orden des Phönix“ ist geprägt vom Kampf an zwei Fronten. Einerseits muss Harry den zunehmend wachsenden Gefahren aus der Finsternis trotzen, andererseits dem Ruf des nach Aufmerksamkeit heischenden Sonderlings entgegenwirken. Denn bis auf wenige Ausnahmen glaubt niemand, dass Voldemort tatsächlich zurückgekehrt ist. Mehr noch verbreitet das Zaubereiministerium mit Absicht Falschmeldungen, um ihn zu diskreditieren. Ob die in Fudges Umfeld aufkeimenden Parallelen zum Nationalsozialismus – der überlebensgroße Personenkult um den Minister, die propagandistisch eingespannte Presse, die zunehmende Einschränkung der Persönlichkeitsrechte in Hogwarts – in dieser Deutlichkeit beabsichtigt sind oder nicht, die zusätzliche Bedrohung aus den eigenen Reihen verfehlt ihre Wirkung nicht.
Die Stärke der Serie, ob gedruckt oder gefilmt, war stets die Ausprägung der Figuren. Die Leinwandübersetzungen lassen der effektvollen Ausstattung zwar mehr Platz als der Entwicklung der Charaktere, dennoch funktioniert das Konzept dank der tollen Besetzung auch jenseits des geschriebenen Wortes. Dass verdeutlicht allein der schauspielerische Neuzugang Imelda Staunton, der als herrschsüchtige Dolores Umbridge nach einer Reform des Schulwesens strebt und den weisen Dumbledore zwischenzeitlich als Direktor der Zauberschule sogar ablöst. Darstellerisch gereift ist insbesondere Daniel Radcliffe, der dem Titelhelden zusehends mehr Tiefe verleiht. Der besondere Reiz aber geht einmal mehr von den exzellent besetzten Randfiguren aus. Helena Bonham Carter („Fight Club“) ist als hysterische Hexe Bellatrix Lestrange eine famose Verstärkung des dunklen Lords Voldemort, in dessen Verkörperung der nasenlose Ralph Fiennes („Der ewige Gärtner“) zu wahrhaft furchterregender Größe erwächst.
Die Bedrohung des erstarkenden Bösen trägt die düstere Atmosphäre, die sich vom kindgerechten Unterhaltungsmotiv spürbar entfernt hat. Auf Seiten der Guten wachsen die üblichen Probleme, von der sozialen Eingliederung bis zum schulischen Erfolgsdruck, so dass mehrheitliche Faszination (erneut) vom unbekannten Dunklen ausgestrahlt wird. Bei aller narrativen Routine und all den losen Enden der Filmversion ist David Yates ein gelungener Einstand geglückt. Das Hauptaugenmerk liegt zwar auf der visuellen Komponente, doch werden alle Fans der Reihe – diesmal insbesondere die größeren – in den Bann eines nachtschwarzen Bilderbogens gezogen. Als Buch ist „Der Orden des Phönix“ ob seines langatmigen Erzählrhythmus ein verzeihlicher Schwachpunkt der Saga. Der Film hält bei aller Straffung das hohe Niveau seiner Vorgänger weitgehend aufrecht.
Wertung: (7 / 10)