Hannibal Rising (GB/F/I/CZ 2007)

hannibal-risingMüssen wir wirklich erfahren, welch traumatisierenden Ereignisse in den Jugendjahren der Kinokiller zur späteren Mordlust führten? Autor Thomas Harris verwies bereits in seinem Roman „Hannibal“ auf die Wurzeln des Menschenfleisch delektierenden Antihelden Hannibal Lecter: Während des zweiten Weltkriegs verspeisten versprengte Soldaten dem Hungertod nahe seine jüngere Schwester. Durch den kannibalistischen Gräuelakt wird er selbst zum Kannibalen. Die psychologische Plattheit dieser Entwicklung schwebt gerade mit dem Wissen der kommenden Ereignisse – von Harris beschrieben in „Roter Drache“ und „Das Schweigen der Lämmer“ – wie ein Damoklesschwert über „Hannibal Rising“, dem Prolog der Figur.

Die Verfilmung von „Hannibal“ war noch vor Erscheinen des Buches abgemacht. Kreative Überzeugungsarbeit leisteten beide Werkformen nicht, brachten aber solch finanziellen Erfolg, dass dies Konzept bei „Hannibal Rising“ neuerlich greift. Den jungen Lecter spielt der Franzose Gaspard Ulliel („Mathilde – Eine große Liebe“). Ihm ist kein Vorwurf am zum Teil kläglichen Scheitern des Films zu machen. Ebenso wenig Kameraoperateur Ben Davis („Layer Cake“), der ein stimmiges Wirken von Licht und Schatten erzeugt. Die Misere beginnt bei Regisseur Peter Webber („Das Mädchen mit dem Perlenohrring“), der unschlüssig zwischen Thriller und Drama pendelt, ohne einer Genreform die volle Entfaltung zu gestatten.

Den Schrecken des Krieges im kargen Litauen folgt die Reifung in Paris. Bei Stieftante Murasaki (Gong Li, „2046“) lernt der jugendliche Hannibal die Etikette – und den Umgang mit dem Samuraischwert. Im Gesamtkontext des Harris’schen Kannibalenkosmos wirkt diese Episode so deplatziert wie der alternde Anthony Hopkins im Remake des „Schweigen der Lämmer“-Vorgriffs „Roter Drache“. Der mordende Ästhet, die belesene Bestie als Schwertschwinger, während die sträflich unterforderte Gong Li mit Stirnband die Kunst des Kampfes predigt? Die Handlung könnte kaum dürftiger konstruiert sein.

Natürlich folgt bald die Vergeltung. Murasaki, die ihre Familie beim atomaren Bombardement auf Hiroshima verlor, verweist auf die Ähnlichkeit zwischen Messer und Erinnerung – beide können verletzen. Den Vorbildcharakter der besonnenen Asiatin aussparend, spürt Hannibal die Mörder seiner Schwester auf und richtet sie. Das ist in seinem Verlauf nicht nur viel zu lang geraten, sondern versucht über den Kriegsverbrecher jagenden Kommissar auch noch das hehre Scheitern der Obrigkeit zu demonstrieren. Am Ende folgt der unausweichliche Showdown, bei dem der Rächer neben Rhys Ifans („Vanity Fair“) auch das letzte Stück Eleganz eines Filmes platt macht, der nicht einmal mehr durch blutige Gewalt von seinen eklatanten Mängeln ablenken kann.

Wertung: 3 out of 10 stars (3 / 10)

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