Grips und Schaden – Motzen trotzdem (2022/2024, DIY/Tanz auf Ruinen Records)

Da ist sie wieder, die alte Frage danach, was eigentlich Punk ist. Geht es um die ewige Protesthaltung, die Herausforderung bestehender Strukturen oder gar darum, der Attitüde des Unangepassten über möglichst laute Musik Ausdruck zu verleihen? Die gern zitierte Szene-Polizei hält bestimmt eine eindeutige Antwort parat. Fraglich scheint dabei allerdings, ob sie eine Band wie GRIPS UND SCHADEN einschließt. Denn das Kollektiv aus Berlin ist im kritischen Geiste zwar nur zu offensichtlich im Punk verwachsen, bietet musikalisch jedoch eine Art Antithese zum klassisch stänkernden Garagensound.

Auf ihrem Debüt-Langspieler, „Motzen trotzdem“, verblüfft das Quartett mit einem Klangteppich, der Spielarten wie Folk, Polka oder Chanson aufgreift und diese mit gern unterschwelliger Gitarreneinbringung interpretiert. Das klingt fraglos gewöhnungsbedürftig – und ist es in der Realität auch. Wenn aber erst einmal der Respekt darüber abgeklungen ist, kreativ derart konsequent gegen jeden Trend zu agieren, kann die eigentliche Beschäftigung mit den 15 Beiträgen auf „Motzen trotzdem“ erfolgen. Das instrumentale Fundament fußt auf Geige, Akkordeon, Kontrabass und Schlagzeug. Der Gesang dazu ertönt meist mehrstimmig, bevorzugt im weiblich-männlichen Duett. Das klingt zunächst nicht unbedingt nach Punk. Aber da sind ja noch die Texte.

Für deren Ausgestaltung darf stellvertretend „Moral, Koile!“ benannt werden, das mit gesprochenem Part daherkommt und ans (linke) Gewissen appelliert. Oder den gesunden freiheitlichen Menschenverstand. Weitere treffliche Beispiele für die Protesthaltung des als Anti-Folk umschriebenen Klangteppichs sind „Grips und Schaden“, „Ein Lied auf Deutsch“, „Hanau“ oder „Schritte im Regen“. Fraglos muss man sich auf die Eigenwilligkeit von „Motzen trotzdem“ einlassen können. Und wollen. Aber ist man einmal von der erfrischend unangepassten Herangehensweise gefangen, möchte man davon auch gar nicht mehr losgelassen werden. Und letztlich repräsentiert gerade das „unangepasste“ stilistische Moment den Geist des Punks deutlicher als das Gros der schematisch lärmenden Garagen-Combos.   

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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