Green Day – ¡Uno! (2012, Reprise Records)

Mit dem epochalen Geniestreich „American Idiot“ (2004) hatten sich GREEN DAY neu erfunden. Dem Hang zu großen Gesten und einer fast opernhaften Dimensionierung blieben die Mainstream-Punks auch mit dem Nachfolger „21st Century Breakdown“ (2009) verpflichtet. Nur ließ sich diese Formel unmöglich beliebig oft wiederholen. So bot sich als konsequenter nächster Schritt die Überwindung jeglicher Erwartungshaltung an. Das Rezept: einfach machen und frei von Scheuklappen drauflosrocken. Das Ergebnis ist nicht ein Album, sondern gleich eine ganze Trilogie: „¡Uno!“, „¡Dos!“ und „¡Tré!“.

Neue Songs sprudelten in dieser Phase nur so aus dem Trio um Sänger und Songschreiber Billie Joe Armstrong heraus. Aber was heißt Trio? Bis 2016 wurde Live-Gitarrist Jason White als festes viertes Mitglied in den Bandverbund integriert. Die Ambition des Viergestirns, in knapper Taktung gleich drei Langspieler zu veröffentlichen, kündet – neben gesteigerter Schaffenskraft – von sympathischem Größenwahn. Das Problem dahinter ist der unweigerliche Verdacht, dem „Masse statt Klasse“-Schema anheim zu fallen. Und tatsächlich lässt er sich bei näherer Betrachtung der Trilogie nicht gänzlich entkräften; selbst wenn das für GREEN DAY ungewöhnliche, bevorzugt gen Pop-Punk’n’Roll strebende Platten-Triple mit zunehmender Rotation durchaus ans Herz wächst.

„¡Uno!“ beginnt mit „Nuclear Family“ auf den verspielten Pfaden der RAMONES. Nur eben poppiger. Und glatter. Das Songwriting ist auf größtmögliche Gefälligkeit geeicht und verzichtet konsequent auf Ecken und Kanten. Dafür wird der Inspirationshorizont stärker Richtung 50’s-Rock’n’Roll und Pop-Wegbereitern wie den BEATLES erweitert. Das führt bei „Stay the Night“, „Carpe Diem“, „Fell For You“, „Sweet 16“, „Rusty James“ oder „Oh Love“ zu einschmeichelnden Melodien und einer grundlegend stimmigen Hintergrundbeschallung – ergo wenig, was das Blut während einer ausgemachten Rockshow in Wallung versetzt.

Natürlich gibt es Ausnahmen, vorrangig das enervierende „Let Yourself Go“ sowie „Loss of Control“ und „Angel Blue“, im Kontrast aber auch stutzig machende Experimente wie die nah am Rande der Peinlichkeit rangierende Dance-Nummer „Kill the DJ“ oder das flache, immerhin aber mit ansteckendem Rhythmus versehene „Troublemaker“. Somit lässt „¡Uno!“ selbst eingefleischte Fans etwas ratlos zurück, verfügt im Gegenzug aber über genug Charme, um das ungenierte Drauflosrocken der Kalifornier nicht als den Flop abzukanzeln, den die überschaubaren Plattenverkäufe gemeinhin implizieren. Wer hätte die Qualität eines Musikwerks auch je an dessen kommerzieller Zugkraft gemessen?   

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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