Green Day – Father of All Motherfuckers (2020, Reprise Records)

Wer dachte, GREEN DAY hätten ihrer Anhängerschaft mit der (für ihre Verhältnisse) experimentellen Album-Trilogie „¡Uno!“, „¡Dos!“ und „¡Tré!“ (2012) bereits ein Maximum an Akzeptanz abverlangt, durfte sich mit „Father of All…“ 2020 eines Besseren belehrt fühlen. Dabei muss den Ex-Punks Respekt dafür gezollt werden, dass sie ihr Ding auch nach fast dreißig Major-Jahren auf dem Buckel noch unbeirrt durchziehen. Natürlich birgt diese grundlegend sympathische Herangehensweise Licht- und Schattenseiten. Auf dem 13. Studiolangspieler des Trios werden beide mehr denn je vereint.

Wenn das Primärziel von GREEN DAY darin bestand, dem Rock das taktgemäße Händeklatschen zurückzugeben, wurde es zweifelsfrei erreicht. Die Rhythmen auf „Father of All…“ sind in ihrer (erneut) offensiven Nähe zum klassischen Rock’n’Roll („Stab You in the Heart“ beispielsweise zelebriert das Erbe von Jerry Lee Lewis & Co.) voll auf konstante Bewegung ausgerichtet. Das führt nicht allein beim Titeltrack, „Fire, Ready, Aim“, dem locker-poppigen „Meet Me On the Roof“ oder „Sugar Youth“ zu ansprechender Beschallung (mit teils überhöht albernen Texten), die in ihrer ungenierten Variabilität nah am (Pop-)Punk’n’Roll rangiert. Hinzu kommt, dass die Band die zehn Nummern in überschaubaren 26 Minuten durchpeitscht – und damit kaum Zeit gewährt, die einzelnen Songs länger wirken zu lassen.

Doch wie so oft bei GREEN DAY im neuen Jahrtausend werden als Beleg der gewachsenen Stilbreite vereinzelt Tracks aufgefahren, die zum Stirnrunzeln verleiten. Mit poppig wabernden Anflügen und dem wiederhallenden Gesang ist die Single „Oh Yeah!“ das offensichtlichste Beispiel. Es ist diese qualitative Ambivalenz, die der auf ihre Art gefälligen Platte Unwucht beschert. Zu dieser trägt auch das betont übersteigerte Artwork bei, bei dem sich ein gezeichnetes Einhorn im Regenbogenschwall (je nach Version) auf das „Parental Advisory“-Visual erbricht und obendrein das (huch!) anstößige Moment des eigentlichen Titels verdeckt: „Father of All Motherfuckers“. So zelebrieren Billie Joe Armstrong und Mitstreiter zwar ihren Individualismus, bieten unter dem Strich aber eine Platte, die ebenso schnell vergessen wie konsumiert ist. Oder frei nach Loriot: Früher war mehr Stadion-Rock.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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