Green Day – American Idiot (2004, Reprise Records)

Wir schreiben das Jahr 2004. In Amerika stehen Präsidentschafts-Wahlen an und durch eine verkorkste Amtsperiode George W. Bushs erlebt der Punkrock eine Renaissance. Der politische Song hat Hochkonjunktur und neben NOFX, STRIKE ANYWHERE oder ANTI-FLAG treten treten immer mehr Bands mit deutlichen Aussagen an die Öffentlichkeit. Und das nicht nur mit den üblichen Parolen, sondern auch mit Aussagen, die Hand und Fuß haben und nicht nur im Ursprungsland dieses politischen Übels ankommen.

Und so engagieren sich auch GREEN DAY, die dieser Tage mit „American Idiot“ ein neues Album vorlegen. Große Erwartungen mussten angesichts dieses Releases kaum gehegt werden. Doch die Vorankündigungen ließen aufhorchen. Von einer Punkrock-Oper hörte man Sänger und Mastermind Billy Joe Armstrong immer wieder reden. Der Opener und Titelsong dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein, flimmert er dieser Tage doch eifrig über die einschlägigen Musikkanäle. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass mit diesem Song ein GREEN DAY-Track auserwählt wurde, der eher an die Vorgänger-Alben erinnert, jedoch nicht stellvertretend für das Album steht.

Denn gleich der darauffolgende Song, „Jesus of Suburbia“, kommt einer kleinen Revolution gleich: 9 Minuten Spielzeit, bestehend aus 5 Kapiteln bzw. ineinander übergehenden Songs, die schlüssig aufeinander aufbauen und einen kleinen Einblick in die Welt des geschaffenen Charakters gewähren. Ohnehin erzählen GREEN DAY mit „American Idiot“ nicht mehrere kleine Geschichten, sondern liefern ein komplexes Gesamtwerk ab, bei dem ein Element das andere aufnimmt und weitererzählt. Wer hätte dieser Band ein solch inhaltsschwangeres Konzept-Album überhaupt (nocch) zugetraut? Aber besagtes Konzept geht auf: Armstrong begibt sich in die Rolle des amerikanischen Idioten, einer Person, die der multimedialen Verwirrung und Fehlinformation aufsitzt und dadurch keine echte Position in der Gesellschaft findet.

Der angesprochenen Revolutionen gibt es dann gleich zwei. „Homecoming“ bewegt sich in ähnlicher Größenordnung wie „Jesus of Suburbia“, ist ebenfalls in mehrere Teile gegliedert und beginnt seinen Part der Geschichte mit dem Tod des im Song „St. Jimmy“ eingeführten Charakters. Aber nicht nur textlich, sondern auch musikalisch hat man seit dem 2000er Werk „Warning“ einen großen Schritt nach vorne gemacht. GREEN DAY präsentieren sich abwechslungsreicher und experimentierfreudiger denn je. Zwar kommen hier und da die typischen und mehr oder weniger erwarteten Melodieläufe durch, aber in Punkto Tempo und Instrumentierung gibt man sich offen.

„Holiday“ ist eine rhythmisches Punktlandung mit Herz, „She’s a Rebel“ eher ein Überbleibsel aus älteren Tagen. Und „Are We the Waiting“ ist mit seinen Chören ein sehr atmosphärischer Song, der allerdings im Refrain sehr an „Youth of the nation“ von POD erinnert. Aber auch der Vergleich zeigt, zu was GREEN DAY anno 2004 in der Lage sind. Dem Dreier ist mit „American Idiot“ eine große Überraschung gelungen, die zugegebenermaßen auch bitter nötig war, denn sonst hätte man in absehbarer Zeit nicht mehr viel von ihnen gehört. Auf dem hier erreichten Niveau dürfen sie allerdings gerne noch lange weitermachen.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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