Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra (I 2008)

gomorrha-reise-in-das-reich-der-camorraVon einer „ehrenwerten Gesellschaft“ kann bei der Camorra keine Rede sein. Italiens organisiertes Verbrechen setzt immense Summen durch Drogenhandel, Waffenschmuggel und illegale Müllentsorgung um. Einschüchterung, Gewalt und Mord sind an der Tagesordnung. Angewidert von diesem Alltagsbild schrieb Roberto Saviano einen Reportage-Roman, den Matteo Garrone („Erste Liebe“) nur ein Jahr später auf die Leinwand brachte. Mit konsequentem Verzicht auf einen konventionellen dramaturgischen Unterbau zeigt „Gomorrha“ die zerstörerische Welt der neapolitanischen Mafia aus Sicht der niederen Rangordnungen.

Für die Jugend ist die Verheißung eines Lebens nach Vorbild von Hollywoods Gangsterfilmen, allen voran „Scarface“, der Wegweiser in die Kriminalität. Nur einmal sein wie Tony Montana, mit großem Kaliber wild in der Gegend rumballern und seine Widersacher das Fürchten lehren. Nach Vorlage dieses Idols wollen zwei junge Kerle ganz nach oben, auf eigene Faust, mit geraubten Waffen. Den Bossen gefällt das gar nicht. Nach mehreren Warnungen wird das Duo in eine Falle gelockt und wie Müll entsorgt. Fünf solcher Geschichten verdichtet Garrone zu einem eindringlichen Bild über die verzweigte Geschäftswelt der Camorra.

Emotional bleibt der Film auf Distanz. Nur die Kamera ist immer dicht am Geschehen. Schon zu Beginn, wenn in einem Bräunungsstudio populärer Gangsterkult offenbart wird. Die Coolness aber ist nur Fassade. Ein Killerkommando richtet die nackten Männer einfach hin. Derart direkt bleibt es. Nur die Gewalt wird zur unbequemen Nebensache. Schließlich würde ein Überhang überflüssiger Actionszenen die Intention ins Gegenteil verkehren. Und so folgt die schmucklose Collage verschiedenen Figuren durch ihren Tagesrhythmus, ein tristes Sozialbau-Viertel in der Vorstadt, Steinbrüche zur Endlagerung von Giftmüll. Zu deren Transport werden selbst Kinder eingespannt. Unschuld zählt nicht mehr.

Überhaupt folgen die verfeindeten Organisationen einem perversen Kodex, nach dem man nur für oder gegen sie sein kann. Neutralität gestatten die korrumpierten Milieus nicht. Die systematische Vergiftung der Gesellschaft wird durch die geboten nüchterne Anschaulichkeit von Motiven und Mechanismen verdeutlicht. Da ist nichts spektakuläres, keine große Bewegung. „Gomorrha“ will über zwei mitunter gedehnte Stunden zeigen, wie es ist. Die Mafia als bösartiger Geschwulst, als Neapel, nein, ganz Italien zerfressender Krebs. In seinem Buch widmete sich Saviano, der auch am Skript mitschrieb, den Verflechtungen auf großer Ebene, in Politik und Wirtschaft. Der Film nimmt die Perspektive der Laufburschen ein, der sozial Aufgegebenen, die zwangsläufig auf der Strecke bleiben. So bleibt am Ende nur Ratlosigkeit.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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