Godzilla (J 1954)

godzilla-1954„Wenn der Godzilla im Meer keine Fische mehr findet, dann kommt er an Land und frisst Menschen.“ – Die Stimme des Mythos

Die Filmwelt hatte ihre eigenen Mittel, um mit der Angst vor den Gefahren des Atomzeitalters umzugehen. Übersetzt in die Bildsprache des klassischen B-Films bedeutete dies riesenhafte Ungeheuer, die sich, durch Verstrahlung mutiert, mit zerstörerischer Kraft gegen die Menschheit wandten. Die Japaner hatten am eigenen Leib erfahren, welch verheerende Kraft die Spaltung der Atome haben kann. Ein Weg, um mit dem Trauma der 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben umzugehen, war die Riesenechse Godzilla, die auf eine Idee von Produzent Tomoyuki Tanaka („Kagemusha“) zurückgeht.

Seinen ersten von bislang insgesamt 30 Leinwandauftritten absolvierte der Schrecken der Spielzeugstädte im Jahre 1954. Mit ihm wurde Regisseur Ishiro Honda, ein enger Freund Akira Kurosawas, zum Star und etablierte das Genre des Kaiju Eiga, des japanischen Monsterfilms. Am Beginn seiner Karriere war Godzilla jedoch noch weit von den bonbonbunten und immens trashigen Auftritten der Folgejahrzehnte entfernt. Der Ton des Streifens ist ernst und auch wenn die starken Tricks in der CGI-verwöhnten Gegenwart geradewegs possierlich wirken, verfehlt „Godzilla“ seine Wirkung auch 60 Jahre nach seiner Entstehung nicht.

Bis der Zuschauer das Ungetüm jedoch zu Gesicht bekommt, vergehen die ersten 22 Minuten. Der unsterbliche Klassiker beginnt mysteriös, wenn rund um die Insel Odo Schiffe auf seltsam leuchtendem Meer Feuer fangen und sinken. Eine Untersuchungskommission beauftragt Professor Yamane (Takashi Shimura, „Die sieben Samurai“) mit der Spurensuche, der das Monster rasch als Saurier aus der Jura-Periode identifiziert. Der Name Godzilla wird vom mythischen Meeresmonster übernommen, dem die Inselbewohner Menschenopfer darbrachten. Aber die Gefahr ist real und die Furcht vor einer internationalen Krise ist groß, als der Echse große radioaktive Strahlung nachgewiesen wird.

Nach militärischem Bombardement verschlägt es Godzilla bald in Richtung Tokio, wo reihenweise Modellbauten – u.a. mit verstrahltem Feueratem – dem Studioboden gleichgemacht werden und die mangelnde Wirkweise konventioneller Waffen demonstriert wird. Den Schlüssel zur Bekämpfung der Bestie hegt Dr. Serizawa (Akihiko Hirata, „Die Rückkehr des King Kong“), der einen Oxygen-Zerstörer entwickelt hat, mit dem sich der Umgebung Sauerstoff entziehen lässt. Serizawa war einst Yamanes Tochter Emiko (Momoko Kochi) versprochen, die ihr Herz aber an den jungen Hideto Ogata (Akira Takarada, „Godzilla und die Urweltraupen“) vom Seenotdienst verloren hat. So darf es zwischen den Attacken des Ungeheuers denn auch kräftig menscheln.

Mit gegenwärtigen Blockbustern kann der naiv-nostalgische Schwarz-Weiß-Klassiker selbstredend nicht konkurrieren. Doch neben dem großen Charme überzeugt „Godzilla“ auch als politisch motivierte Science-Fiction. Dem US-Publikum konnte das natürlich nicht zugemutet werden, so dass 1956 eine Hollywood-Schnittfassung mit Raymund Burr („Der Chef“) als von der Zerstörung berichtender Reporter unter dem Titel „Godzilla, King of the Monsters!“ ins Kino kam. Die ursprüngliche deutsche Fassung basiert auf der japanischen Originalversion, wurde lange jedoch nur in einer großzügig zurechtgestutzten Variante angeboten. Aber mit welcher Schnittfassung der Zuschauer denn nun Vorlieb nehmen will, die destruktive Riesenechse ist zeitloser Kult mit realpolitischem Hintergrund.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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