„Fuck you, that’s my name“
Dass der Film „Glengarry Glen Ross“ trotz hochkarätiger Besetzung kein kommerzieller Erfolg wurde, liegt auf der Hand. Der durchschnittliche Kinobesucher will unterhalten werden, zu lange Dialoge sind da hinderlich. „Glengarry Glen Ross“ von James Foley („Corruptor – Im Zeichen der Korruption“) besteht fast ausschließlich aus Dialogen. Wenn allerdings eine Darstellerriege wie die hier versammelte vor die Linse tritt und einfach mal loslegt, mag man sich als nur leicht anspruchsvoller Filmfreund umgehend auf die Knie begeben. Denn der Film bietet Schauspielkunst in seiner höchsten Form.
Probleme kommen auf die Grundsstücksverkäufer Shelley Levene (Jack Lemmon), Dave Moss (Ed Harris), George Aaronow (Alan Arkin) zu, denn die Verkaufszahlen schwinden. Ihr Büroleiter John Williamson (Kevin Spacey) bittet sie deshalb um Aufmerksamkeit, denn die Geschäftsleitung persönlich (Alec Baldwin) richtet ein paar „warme Worte“ an die Belegschaft. Wer in einer Woche die wenigsten Parzellen an den Mann bringt, verliert seinen Job. Darum muss sich wohl lediglich der im Vergleich erfolgreiche Ricky Roma (Al Pacino) keine Sorge machen. Als mögliche Käufer werden für diesen Wettstreit aber nur schlechte Adressen ausgeteilt, die „guten“ Adressen lagern im Büro von Williamson. Bis diese über Nacht gestohlen werden.
Der Abschluss ist das oberste Ziel, dem muss sich alles unterordnen. Ein Privatleben sowieso, bis spät in die Nacht versuchen die Grundstücksmakler ihre Parzellen an den Mann zu bringen. Egal wie. Für Gefühle ist kein Platz, ein Job mit dem niemand tauschen möchte. Doch geht es weniger um eine stringente Geschichte, die sich mit dem Joballtag dieser Makler beschäftigt. Die Handlung umfasst lediglich einen Tag, im Vordergrund stehen die Menschen selbst. Deren Ängste, deren Eigenarten, deren Wünsche und deren Leiden. „Glengarry Glen Ross“ lebt vor allem von seinen Dialogen und natürlich seinen Darstellern. Eigentlich hätte es Oscar-Nominierungen regnen müssen. Doch nur Al Pacino erhielt eine für die beste Nebenrolle.
Jede Figur hat ihren eigenen Charakter, der eine kann mit dem besser, während der andere ihn förmlich ankotzt. Obwohl sich alle irgendwie nicht spinnefeind sind, belastet der Konkurrenzkampf auch das Miteinander. Kevin Spacey („American Beauty“) hat als Führungsperson nicht das Format eines Alec Baldwin („Getaway“), der in den etwa fünf Minuten seines Auftrittes die Leinwand schier zum Bersten bringt. Er vollzieht eine Unterteilung in Gut und Böse, Gratmesser ist einzig der Vertragsabschluss. Die Figur von Al Pacino ist abgeklärter, ruhiger, doch er scheut – beflügelt durch seinen Status als erfolgreichster Verkäufer – Konfrontationen mit niemandem. Unzufrieden ist vor allem der wieder überzeugende Ed Harris („A History of Violence“), der sich mit dem angesichts der eigenen Person zweifelnden Alan Arkin („Havanna“) mehrfach grandiose Dialoge liefert, in denen das gesagte vom anderen wiederholt wird, oder aber beide in Konjunktiven nur so schwelgen. Herausragend zudem Jack Lemmon („Das China-Syndrom“) als alternder Mann seiner Zunft, der es einfach nicht mehr so kann wie früher, unabhängig von seinem Einsatz.
Gut sind alle, doch bei Pacino hat man das Gefühl, wenn er die „Bühne“ – das Drehbuch schrieb David Mamet („Die Unbestechlichen“) nach seinem eigenen Theaterstück – in seinen eher wenigen Szenen betritt, dann gefriert die Leinwand, er scheint alle anderen mühelos binnen Sekunden in die Tasche zu stecken. Für Cineasten ist „Glengarry Glen Ross“ sicherlich so etwas wie die Offenbarung, auf derart hohem Level bekommt man solch viele Topstars auch nicht jedes Jahr zu sehen. Vortreffliche Darsteller und bissige, teils zynische Dialoge machen den Film zu einem absoluten Highlight. Allerdings sei die englische Originalfassung empfohlen, da die deutsche Synchronisation häufiger Aussetzer hat. Auf seine Art ein Meisterwerk, leider nur von einem kleineren Kreis gewürdigt.
Wertung: (9 / 10)