Jedem Landstrich sein Volksheld. Was dem Deutschen sein Schinderhannes ist dem Schweizer sein Willhelm Tell, was den Engländern ihr Robin Hood ist den Schotten ihr William Wallace. Ähnlich staffeln sich Historien, Legenden und Geschichten rund um den ganzen Globus, bis man in Australien schließlich über Ned Kelly stolpert, jene am 11. November des Jahres 1880 am Galgen gerichtete Lichtgestalt der einfachen wie ärmlichen Bevölkerung. Und da jeder Heldenorkus die passende Leinwandadaption benötigt, schlüpft nun der australische Frauenschwarm Heath Ledger („Der Patriot“) 33 Jahre nach Rock-Legende Mick Jagger, der den vogelfreien Ned Kelly bereits 1970 verkörperte, unter der Befehlsgewalt von „Buffalo Soldiers“-Regisseur Gregor Jordan in den schmutzigen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung.
Auf der Grundfeste der literarischen Vorlage „Our Sunshine“ von Robert Drewe erzählt Jordan eine Geschichte von Unterdrückung, Enteignung und dem daraus resultierenden Aufbegehren einer handvoll unterprivilegierter Bauernsprösslinge, welche die Tyrannei der Obrigkeit nicht länger hinnehmen wollen und im Namen des Volkes zurückschlagen. Aus der Schikane durchtriebener Polizeikräfte entstehen im Affekt Tötungsdelikte, die Ned Kelly und seine Mannen schon bald zu den meistgesuchten und gefürchtetsten Outlaws von Down Under machen. Das Walten im Namen der ärmlichen Masse ergibt sich dabei als Automatismus aus der Flucht selbst und präsentiert sich überwiegend fern ausgefeilter Planungen und Strategien. Gregor Jordan reichert seine Geschichte mit vielen Motiven des Westerns an und zeigt sich darüber hinaus redlich bemüht, seinem ambitionierten Projekt eine Fassade des Authentizitismus zu verleihen. Über weite Strecken glaubwürdig und überzeugend verkörpert, bleibt die Charakterentwicklung der historisch verbürgten Figuren jedoch erschreckend blass, während das gut strukturierte Drehbuch eindeutige Schwächen in der Entfaltung der Geschichte aufweist und passagenweise die Fokussierung des Wesentlichen aus den Augen verliert.
Mit Heath Ledger, nach „Two Hands“ erneut unter der Direktion Gregor Jordans tätig, Orlando Bloom („Fluch der Karibik“), Geoffrey Rush („Shine“) und Naomi Watts („The Ring“) in den Hauptrollen prominent besetzt, runden gut agierende Nebendarsteller wie Joel Edgerton („The Hard Word“) und Emily Browning („Ghost Ship“) das Gesamtbild ab. Trotz zahlreicher Stärken bleibt „Gesetzlos“ dennoch hinter den Möglichkeiten seiner visuellen Präsenz zurück, übertünchen Höhepunkte wie Oliver Stapletons („Schiffsmeldungen“) Kameraarbeit doch nicht die mangelnde Ausleuchtung kontroverser Facetten im Leben des gefeierten Volkshelden. Ausnahmsweise ein Film, dem die Anreicherung mit pathetischen Untertönen mehr genutzt als geschadet hätte, stolpert die Geschichte des Ned Kelly in seiner distanzierten, obgleich nicht fließend glaubhaften Betrachtungsweise allein über die kühle Monotonie der Inszenierung. So bleibt bei dieser Betrachtung der Outlaw-Lebensgeschichte fraglich, wie es der Verfolgte zu solch einem Bekanntheitsgrad und historischen Ruhm bringen konnte.
Wertung: (6 / 10)