Franklyn – Die Wahrheit trägt viele Masken (GB/F 2008)

franklyn-die-wahrheit-traegt-viele-maskenWillkommen in Meanwhile City, einer surreal anmutenden Metropole, in der Religiosität alles bedeutet. Dabei spielt es keine Rolle, ob man nun Gottes Gebote oder die Bedienungsanleitung einer Waschmaschine predigt. Hauptsache es dient einem höheren Zweck. Gestützt wird diese Vervollkommnung von Marx‘ „Opium des Volkes“-These durch ein repressives System, dessen Häscher mit ihren übergroßen Hüten geradezu retrofuturistisch wirken. Das passt; denn von dieser Welt, aus dieser Zeit, scheint kein Inhabitant jenes entarteten urbanen Mikrokosmos zu sein.

Am wenigsten Jonathan Preest (Ryan Philippe, „L.A. Crash“), der einzige Atheist in Meanwhile City. Das Gesicht verbirgt er hinter einer weißen Stoffmaske, die mit dem toten schwarzen Augenpaar wirkt wie eine zum Leben erwachte Vogelscheuche. Vier Jahre hat er im Gefängnis gesessen. Nun ist er frei. Unter der Bedingung, den mysteriösen Schurken The Individual zur Strecke zu bringen. Dieser hat den Tod eines jungen Mädchens auf dem Gewissen, das Preest nicht retten konnte. Weil in Gerald McMorrows ungewöhnlichem Drama „Franklyn“ aber nichts ist wie es scheint, erlebt letztlich nicht nur der vigilante Anti-Held eine faustdicke Überraschung.

Die dystopische Rachegeschichte ist eine von vier Episoden. Fraglos die ideenreichste, visuell aufwändigste und actionreichste. Die übrigen spielen im London der Gegenwart und zeigen drei aufgewühlte Seelen – Sam Riley („Control“), Eva Green („Casino Royale“) und Bernard Hill („Der Herr der Ringe“) – auf der ruhelosen Suche; nach Liebe, künstlerischer Erfüllung und einem verlorenen Sohn. Ein Zusammenhang besteht scheinbar nicht. Doch ohne die Verzahnung von Schicksalen, Erzählebenen und (Schein-)Realitäten würde dem Film der berühmte rote Faden abgehen. Der aber lässt lediglich auf sich warten.

Gleichwertig fesseln können die Puzzlestücke des komplexen Handlungsgefüges nicht. Der Part in Meanwhile City sticht offenkundig hervor. Er forciert durch Schauwerte und Anleihen bei Film Noir und klassischer Science-Fiction die meiste Aufmerksamkeit. Das eigentliche Highlight aber ist „Bond“-Girl Green, die als Kunststudentin mit Suizidszenarien experimentiert, um ihren Platz im Leben auszutarieren. Kunstvoll, abseits des Fantasy-Anteils jedoch spürbar zurückhaltend, steuert Langfilm-Debütant McMorrow die Erzählstränge auf ihr gemeinsames Finale zu. Trotz kleiner struktureller Schwächen ein ebenso eigenwilliges wie geglücktes Kino-Experiment.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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