Die erste Verfilmung von Mary Shelleys Literaturklassiker „Frankenstein“ geht auf das Jahr 1910 zurück. Für die Produktionsfirma des berühmten Erfinders Thomas A. Edison adaptierte J. Searle Dawley (drehte 1915 auch die erste Verfilmung von „Four Feathers“) das Gruselstück über den Wahnsinn der Wissenschaft und präsentierte einen zwölfminütigen Kurzfilm (seinerzeit umfassten Lichtspiele selten mehr als eine Spule), der den Konflikt zwischen Schöpfer und Kreatur als quasi-schizophrenen Zwist gegenläufiger Wesenszüge zeigt.
Früh verlässt jener Viktor Frankenstein (Augustus Phillips) das Elternhaus und studiert Naturwissenschaften. Schier besessen ist er von der Belebung toter Materie, die, als er deren Geheimnis schließlich entschlüsselt – und in einem Brief an seine Verlobte Elizabeth (Mary Fuller) offenbart –, in die Geburt eines scheußlichen Monsters (Charles Ogle) mündet. Wobei der bucklige Kunstmensch mit den krausen Haaren zwar beeindruckend hässlich erscheint, statt triebhafter Boshaftigkeit jedoch eher Naivität und Einsamkeit ausstrahlt.
Beeindruckend wirkt auch heute noch die Tricktechnik bei der Erschaffung der missgestalteten Kreatur. Hinter einer Pforte aus Pappmaschee findet sich ein Kessel, in dem die flammende Verzehrung eines Dummies mit skelettiertem Kern rückwärts abgespielt wird. So setzt sich das Geschöpf stückweise zusammen und sucht ihren Erschaffer gleich so heftig heim, dass der erst einmal die Sinne verliert. Als er erwacht, ist der Bucklige verschwunden und vom eigenen Tun angewidert sucht Frankenstein sein Heil in der Liebe.
Doch das Monstrum lässt auch in der Idylle des scheinbar sicheren Heims nicht von ihm ab und stellt, wenn es im Angesicht des eigenen Spiegelbildes nicht selbst vom Schrecken übermannt wird, Elizabeth nach. Am metaphorischen, die moralischen und psychologischen Verfehlungen des Forschers durch sein Bekenntnis zur Liebe egalisierenden Schlusspunkt weicht Dawleys freie Version am deutlichsten vom Roman ab. Inhaltlich mag der schwarz-weiße Stummfilm, den Gegebenheiten seiner Zeit entsprechend, kaum mehr als ein Essay sein. Seine Wirkung verfehlt der formal kunstvoll gestaltete Stoff aber auch als geraffter, filmhistorisch unbedingt sehenswerter Szeneausschnitt nicht.
Wertung: (8 / 10)