„Fuck damnation, man! Fuck redemption! We are God’s unwanted children? So be it!” – Tyler
David Fincher erfindet das Kino neu. Nicht nur das, auch die Gesellschaft. Der Regisseur zerlegt die bekannten Strukturen verschiedener Realitätsebenen und setzt sie eigenwillig wieder zusammen. Dabei heraus kommt „Fight Club“, der endgültige Entwurf postmoderner Anarchie. Wo uns der Trott des Alltags verschluckt und in ritualisierten Handlungsmustern wieder ausspuckt, setzt sein Film an. Mittelpunkt ist der unauffällige Normalo ohne Namen. Er ist der Erzähler der Geschichte. Vielleicht heißt er Jack, aber eigentlich spielt das keine Rolle. Edward Norton („25 Stunden“) leiht ihm sein Aussehen und lässt sich schinden. Erst im Job, wo er für die Versicherungsabteilung eines Automobilkonzerns errechnet, wann eine Rückrufaktion schadhafter Bauteile vonnöten ist, dann im Faustkampf. Doch dazu muss er erst Tyler Durden kennen lernen.
Mit seinem Waschbrettbauch und dem konsequent gestählten Körper entspricht Brad Pitt („12 Monkeys“) dem Idealbild zeitgenössischen Körperkults. Der Leib als Tempel der Jugend, den Zeichen der Zeit trotzende Form egomanischen Widerstands. Sein Handeln spricht dagegen. Jener Tyler Durden stellt Seife her. Der Grundstoff der Produktion ist abgesaugtes Körperfett, das er aus den Entsorgungscontainern von schönheitschirurgischen Einrichtungen stibitzt. Er ist der Gegenpol zu dem von Norton verkörperten Konformisten. Vor ihrer ersten Begegnung leidet Jack unter Schlaflosigkeit. Um die Geißel des Dämmerzustandes zu besiegen, besucht er Selbsthilfegruppen. Solche für Opfer von Hodenkrebs oder Parasiten. Dort, im kollektiven Elend wahrlich geschundener Existenzen, blüht er auf – und schlummert im Anschluss fest wie ein Baby.
Die Vertreibung aus dem Paradies erfolgt durch Marla Singer (Helena Bonham Carter, „Big Fish“). Wie er ist sie ein Tourist des Leidens anderer. Die taktlose, von Manien gezeichnete Frau macht keinen Hehl aus ihrer gespielten Betroffenheit. Nur führt ihm die Lüge ihrer (An)Teilnahme die seinige vor Augen. Die Folge ist der Rückfall ins Wachkoma. Während einer beruflichen Flugreise findet er sich neben Tyler wider. Zurück zu Hause – oder dem, was nach der Explosion der sorgsam mit allerlei Schnickschnack vollgestopften Wohnung davon übrig ist – fällt ihm nichts anderes ein, als die sonderbar ungebeugte Zufallsbekanntschaft anzurufen. Für die Gastfreundschaft verlangt Tyler nach ein paar Bier nur eines: einen ordentlichen Schlag in die Fresse.
In atemberaubendem Tempo, jedoch nie gehetzt, zerlegt Fincher die Sicherheit des Bürgertums. An ihre Stelle tritt der Fight Club. Ohne Rücksicht auf Herkunft und sozialen Stand treffen zwei Männer aufeinander und prügeln auf sich ein. Die Folge ist innere Reinigung. Unberührt vom Alltag unterfüttern die Initiatoren Tyler und Jack, als Wohngemeinschaft in einem maroden Gemäuer inmitten eines Industriegebietes residierend, die Philosophie ihrer Schöpfung, bis abermals Marla auftaucht und ein wüstes Verhältnis mit Tyler beginnt. Jack sieht seinen Stand bedroht, zumal sich die Bestrebungen des Freundes in Richtung einer radikalen Untergrundorganisation, „Project Mayhem“, entwickeln. Als sich das Chaos zu verselbständigen scheint, ist Jack zum Handeln gezwungen. Dabei erlebt er eine Überraschung, die sein gesamtes Sein infrage stellt.
Finchers ätzende Satire, eine kongeniale Adaption des gleichnamigen Romans von Chuck Palahniuk, sprudelt schier über vor visuellem wie inhaltlichem Ideenreichtum. Nichts ist heilig in dieser brutalen Welt, die das Recht des Stärkeren preist und den Einzelnen auf seine Rolle in der Gesellschaft reduziert. Der Ausweg scheint die Flucht in das Horten von Besitztümern. Diesen Trugschluss zerstört „Fight Club“ mit genüsslicher Zelebration des sozialen Ungehorsams. Die brillant gespielte Demontage der Konsumgesellschaft präsentiert sich vom eingeschnittenen Penis in der Kinovorführung von „Schneewittchen“ über das spritzende Blut aus platzenden Gesichtern bis hin zur die eigene, künstlich geschaffene Realität wiederrufenden Auflösung herrlich unangepasst und respektlos. Die Radikalität des auf zynische Weise urkomischen Inhalts harmoniert dabei vorzüglich mit der kunstvollen Optik des Regisseurs. Unbestritten einer der wichtigsten Filme der neunziger Jahre.
Wertung: (10 / 10)