„Good people are the first ones to die.“ – Weitsichtig: Daniel Salazar
Im Grunde war es nur eine Frage der Zeit, ehe Robert Kirkman einen Ableger des TV-Dauerbrenners „The Walking Dead“ präsentieren würde. Als Produzent – unter anderem neben Blockbuster-Veteranin Gale Anne Hurd („Terminator“) und Effekt-Spezialist Gregory Nicotero („Masters of Horror“) – sowie (Co-)Urheber der gleichnamigen Comicvorlage ist er eine der Triebfedern des Erfolgs. Von der internationalen Begeisterung, die der endzeitliche Mix aus Charakterdrama und Zombie-Horror entfachen würde, waren aber wohl nicht nur die Macher überrascht. Dass die der beständig wachsenden Fangemeinde mit „Fear the Walking Dead“ eine weitere Gruppe Überlebender vorsetzen, ist daher so konsequent wie kommerziell kalkuliert ausgespielt.
Vom ruralen Südosten der USA wird das Setting ins urbane Kalifornien verlagert, genauer in die Westküstenmetropole Los Angeles. Doch anders als beim Vorgänger wird das Aufziehen der Apokalypse nicht komatös übersprungen, sondern ins Zentrum der Erzählung gerückt. Der Auftakt spielt gekonnt mit der Erwartung des Publikums, wenn in einer Kirche zusammengerottete und etwas verwahrlost anmutende Menschen von einem Zombie heimgesucht werden. Das Ambiente erscheint wie ein Zufluchtsort weit nach dem Ausbruch des Untotenvirus. Doch Nick (erinnert bisweilen an den jungen Johnny Depp: Frank Dillane, „Sense8“), der vor dem unbekannten Grauen aus dem Gebäude flieht, ist ein Junkie und das verlassene Gotteshaus ein Fixerversteck.
Im Verkehr der Großstadt wird er von einem Auto erfasst und landet im Krankenhaus. Die besorgte Madison Clark (Kim Dickens, „Tremé“) interpretiert die Berichte ihres Sohnes als Drogenwahn. Der Zuschauer aber weiß es längst besser. Für die Figuren wird der Weg zur Erkenntnis, dass ihre vertraute Welt allmählich kollabiert, ein schmerzhafter sein. Denn als das Ausmaß der Katastrophe offenbar wird und der Kampf ums Überleben beginnt, ist es längst zu spät. Wie bei „The Walking Dead“ umfasst der Auftakt des Spin-Offs sechs Episoden. Dabei wirken viele der verhandelten Themen bekannt und erinnern nicht selten überdeutlich an die Werke George A. Romeros (insbesondere „Day of the Dead“ und „Diary of the Dead“) oder solche wie „28 Weeks Later“.
„The only way to survive a mad world is to embrace the madness.“ – Verrückt: Victor Strand
Zum echten Nachteil gerät das jedoch nicht. Denn selbst wenn „Fear the Walking Dead“ nur bedingt auf neue Ideen setzt und dramaturgisch bisweilen etwas holprig wirkt, geriet der Auftakt grundlegend packend. Blut und Gewalt bleiben deutlich bedächtiger eingesetzt und der Fokus auf Madison und ihre Familie deutet das volle Ausmaß der Katastrophe bestenfalls an. Verschwörungstheorien, rätselhaften Todesfällen und scheinbar willkürlichen Hinrichtungen unbewaffneter Bürger durch Polizeikräfte folgt der Aufstand der wütenden Masse. Im aufziehenden Chaos wollen Schulsoziologin Madison, der mit ihr liierte Lehrer Travis Manawa (Cliff Curtis, „Colombiana“), Nick sowie Schwester Alicia (Alycia Debnam-Carey, „Storm Hunters“) der Gefahrenzone entkommen.
Neben Travis‘ Ex-Frau Liza (Elizabeth Rodriguez, „Orange is the New Black“) und dem gemeinsamen Sohn Chris (Lorenzo James Henrie, „Warrior Road“) werden Friseur Daniel Salazar (Rubén Blades, „Predator 2“), Gattin Griselda (Patricia Reyes Spíndola, „Frida“) und Tochter Ofelia (Mercedes Mason, „Quarantäne 2: Terminal“) zu Schicksalsgenossen. Als sich die Situation verschärft und die Gefahr durch die lebenden Toten offenbar wird, richtet das Militär (nach einem üppigen erzählerischen Sprung) Sicherheitszonen ein. Auch die Perspektive der Soldaten, deren zunehmende Verzweiflung und hohen Verluste nur in Nebensätzen angerissen werden, bleibt vage. Der karge Informationsfluss durch Lieutenant Moyers (Jamie McShane, „Bloodline“), der verhaltensauffällige und schwer kranke Menschen in ein nahegelegenes provisorisches Auffanglager bringen lässt, nährt den Eindruck polizeistaatlicher Willkür.
Mit der kennt sich Daniel aus und greift zu rigiden Mitteln, als neben dem mit seiner Sucht kämpfenden Nick auch Griselda von den Militärs mitgenommen wird. Dass sich die Zombifizierung nicht aufhalten lässt, ist bekannt. So fällt das System suggerierter Sicherheit über Egoismus und die schrittweise Zerrüttung tradierter Ordnungsmuster am Ende auch hier und lässt die Hauptprotagonisten nebst Zufallsbekanntschaft Victor Strand (Colman Domingo, „Selma“), einem gewieften schwarzen Geschäftsmann, auf sich allein gestellt zurück. Der in „The Walking Dead“ allgegenwärtige Figurenschwund erreicht zum Finale auch den Ableger. Die Intensität des Vorläufers wird damit zwar (noch) nicht erreicht, trotz spürbarer Luft nach oben haben Kirkman und Co. aber einen insgesamt überzeugenden Grundstein gelegt.
Wertung: (7 / 10)