Face to Face – Live in a Dive (2019, Fat Wreck)

Wenn man Fat Wreck – abseits zahllos-zeitloser Punk-Klassiker – eines zugutehalten muss, dann ist es das Streben nach einzigartiger Erlebnisschaffung. In kaum einem Segment offenbart sich dies deutlicher als bei den Live-Platten des Kult-Labels. Auf den beiden vor Publikum aufgenommenen NOFX-Platten, „I Heard They Suck Live!!“ (1995) und „They’ve Actually Gotten Worse Live!“ (2007), findet sich keine Song-Dopplung. Davon ausgenommen werden muss ihr Beitrag zur „Live in a Dive“-Reihe, die eine komplette (Re-)Präsentation ihres Hit-Albums „Ribbed“ (1991) darstellt. Die revitalisierte das Konzept so erfolgreich, dass mit FACE TO FACE gleich die nächste alteingesessene Fat-Band ihren Beitrag zur Serie beisteuert. Selbstredend stets dem Dienst unterstellt, dem Hörer etwas Neues zu bieten.

Um diesen Kern zu erschließen, bedarf es des Vergleichs mit der bereits famosen Live-Platte, die FACE TO FACE anno 1998 via Vagrant Records herausbrachten. Auf der finden sich nahezu allen relevanten Hits der damaligen Zeit. Einzige, kaum zu rechtfertigende Ausnahme: der Über-Hit „Disconnected“. Natürlich ist dieser auf „Live in a Dive“ verewigt – neben elf weiteren Tracks, die sich nicht auf dem Vorläufer finden. Das mag einerseits irritieren, da das Set – während zwei Konzerten in New York aufgezeichnet (in einem Metal-Club, weshalb dem Teufel nicht allein auf der Bühne gehuldigt wird, sondern auch auf dem Cover) – zahlreiche großartige Hits vermissen lässt. Der Vorteil liegt im Gegenzug jedoch auf der Hand: Breite statt Dopplung. Über Label-Grenzen hinweg, ganz im Dienste der Fans. Eine begrüßenswerte Maßgabe. Nicht zuletzt, da die Kalifornier so eine ganze Reihe nicht minder großartiger Kracher aufbieten, die sonst eventuell übergangen worden wären.

„No Authority“, wie das erwähnte, aus vielen Kehlen mitgeschmetterte „Disconnected“ dem 1992er-Debüt „Don’t Turn Away“ entnommen, beispielsweise. Oder die Kracher „What’s in a Name“, „You Could’ve Had Everything“ und „Disapppointed“, alle vom 2000er-Prachtwerk „Reactionary“. Am Anfang steht „Resignation“, einziger Beitrag des selbstbetitelten 1996er – und bis heute besten – Albums der Band. Ein weiteres Highlight bildet das folgende „Bent But Not Broken“, wie „Double Crossed“, „I Won’t Say I’m Sorry“, „Should Anything Go Wrong“ und das ruhig-melancholische „All for Nothing“ jüngeren Ursprungs. Sie unterstreichen, wie auch das zur Komplettierung ausstehende „Bill of Goods“ (vom 2002er-Output „How to Ruin Everything“), die Ausnahmeklasse der Platte. Denn die Soundqualität von „Live in a Dive“ ist einmal mehr fantastisch, die Band dazu spiel- und kontaktfreudig wie eh und je. Wer Live-Outputs als sinnvolle Discographie-Ergänzungen und nicht als Nepp an der Fanbasis versteht, wird an dieser Scheibe unmöglich vorbeikommen.  

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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