F.O.D. – Sleepville (2020, Bearded Punk Records/Wiretap Records/Thousand Islands Records)

Punk-Rock und Konzeptalben. Kann das gutgehen? Schließlich lebt das Genre im Kern noch immer von unbändiger Energie und einer Stinkwut auf alles, was irgendwie nach Missstand schreit. Doch nicht mit F.O.D. Die Belgier sind dem angestammten Duktus längst entwachsen. Oder erwachsen. Denn während andere, solche wie die ersichtlichen Wegbereiter LAGWAGON, aktuell eher den umgekehrten Weg beschreiten und sich auf ihre rauen Wurzeln besinnen, kitzelt der Vierer aus dem Großraum Antwerpen auf Langspieler Nummer vier seine experimentelle Seite hervor. Dazu nehmen F.O.D. ihre Hörerschaft mit auf eine Reise nach „Sleepville“, eine typische Kleinstadt mit typischen Kleinstadtmenschen.

Unter der Oberfläche des spießbürgerlich stagnierenden Mikrokosmos nagen (zwischen-)menschliche Sorgen und Nöte, die von der Last des Alterns, unterdrückter Homosexualität oder schwer zu überwindenden Routinen künden. „In this town all days are more or less the same“ heißt es im eröffnenden „Sleepville Guaranteed“, das mit Spieluhr und Orchester eingeleitet wird und erst in Hälfte zwei auf standesgemäßen Melo-Core setzt. Doch über diesem thront ein grandios spielfreudiger Blick über den Tellerrand, der instrumental aus dem Vollen schöpft, ohne die inspiratorische Genre-Basis je zu verleugnen. Als Salz in der Suppe erweisen sich dabei die schier unverschämt harmonischen mehrstimmigen Gesangsparts, bei denen mitunter deutlich der Rock-Klassiker QUEEN als Vorbild heraussticht.

Dass „Sleepville“ duchaus als das „A Night At the Opera“ von F.O.D. bezeichnet werden kann, sticht hingegen nicht unverzüglich heraus. Denn während das butterweich poppig arrangierte „Days of Future Passed“ noch als überaus gelungene Hommage an GREEN DAY durchgeht und das mit melancholischem Hauch versehene „Fall in Line“ abseits der stimmungsvoll prägenden Americana-Gitarre im besten Sinne unspektakulär daherkommt, explodiert die Platte erstmals mit dem in Sachen Rhythmus und Tempo überraschende Haken schlagenden „Riverview“. Von da an überschlagen sich Band und Album förmlich mit großartigen Songs. Als ein absoluter Höhepunkt entpuppt sich das flamboyante, von Klarinette und Banjo begleitete „Feeling Gay“. Wen es hier noch auf den Sitzen hält, sollte zwingend seinen Musikgeschmack überdenken.

Dem verhältnismäßig geradlinigen, wiederum entlarvend hymnischen „Wrong“ (in eine ähnliche Kerbe schlägt u. a. auch „Annie“) folgen mit dem druckvollen „Food for Thought“ und dem gesanglich famosen „On An Island“ (dicht gefolgt von „Changes Rise“) weitere sogleich zündende Hits. Dass der Einfallsreichtum damit längst nicht erschöpft ist, belegt etwa „Stranger in Town“, bei dem F.O.D. erst mit Barbershop-Qualitäten punkten, ehe sie ihrer progressiv rockigen Ader freien Lauf lassen. Unbedingt erwähnenswert ist auch der wiederum mit symphonischem Hauch ins Epische (und Metallische) versetzte Schlusspunkt „Main Street“, der den Bogen zum Auftakt wahrlich meisterlich spannt. So mag in Sleepville jeder Tag mehr oder weniger gleich geartet sein, auf die 14 Kapitel dieses wunderbaren Musikwerks trifft das jedoch keineswegs zu. Ein wahres Meisterstück.  

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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