Jake Gyllenhaal („Brokeback Mountain“), da gibt es keine zwei Meinungen, ist ein großartiger Schauspieler. Vereinzelte Ausflüge ins Blockbuster-Fach („Prince of Persia“) täuschen nicht darüber hinweg, dass der 35-jährige karrieristischen Vorbildern wie Brad Pitt oder Leonardo DiCaprio nacheifert und weitgehend Charaktere verkörpert, die ihn herausfordern. Bestes Beispiel ist „Enemy“, ein mysteriöses, auf José Saramagos („Die Stadt der Blinden“) Roman basierendes Drama, mit dem „Sicario“-Regisseur Denis Villeneuve tief in die Psyche zweier getriebener Männer blickt. Oder sollte es am Ende bloß einer sein?
Gyllenhaal spielt den Universitäts-Dozenten Adam Bell. Der lebt in einer schmucklosen Mietskaserne in Toronto und führt ein Leben, das mit einem Wort als monoton bezeichnet werden kann: dieselben Lehrvorträge, derselbe Tagesablauf, derselbe Sex mit Freundin Mary (Melanie Laurent, „Beginners“). Fast apathisch geistert Adam durch den grauen Alltag, ohne Begeisterung, ja fast ohne Emotion. Das ändert sich, als er in einem Film den Statisten Anthony Claire (auch Gyllenhaal) entdeckt, der ihm bis aufs Barthaar gleicht. Auf einen Schlag wird er aus seiner Lethargie gerissen und beginnt, dem Doppelgänger nachzustellen. Der Beginn eines extraordinären Verwirrspiels.
So klar die Gegenüberstellung des introvertierten Adam und des hedonistischen Anthony auch erscheinen mag, Zweifel nährt Villeneuve, der mit Gyllenhaal im selben Jahr auch bei „Prisoners“ zusammenarbeitete, früh. Einem ersten Kontaktversuch verschließt sich Anthony. Helen (Sarah Gadon, „Maps to the Stars“), die schwangere Frau des Gelegenheitsschauspielers, fürchtet zunächst eine Affäre, überzeugt sich bald jedoch selbst vom ominösen Zwilling. Als Anthony einem Treffen schließlich zustimmt, wächst in Adam die Angst. Aber die Neugier überwiegt. Im Verborgenen tauchen beide in das Leben des jeweils anderen ein, bis sie von den Konsequenzen eingeholt werden. Eine schlüssige Erörterung bleibt dabei aus.
Der Hauch des Mysteriösen, der „Enemy“ konstant umweht, wird durch surreale Elemente verstärkt, in denen sich etwa ein gewaltiges spinnenartiges Insekt von der Skyline abhebt. Die Architektur fängt Villeneuve in beeindruckender Manier als kühl entrückte Kulisse mit futuristischem Touch ein. Es verwundert kaum, dass er die späte Fortsetzung des Kult-Klassikers „Blade Runner“ inszenieren wird. Die Geschichte, an deren Rand auch Isabella Rossellini („Blue Velvet“) als Adams Mutter auftritt, bleibt im Stile David Lynchs undurchsichtig, unbequem und von unterschwelliger Bedrohlichkeit geprägt. Frei von Tempo werden Interpretationsspielräume eröffnet, die dies außergewöhnliche Werk auch bei der zweiten und dritten Rezeption noch faszinierend gestalten. Keine leichte Kost und bis zum abrupten Schlusspunkt konsequent gegen den Strich gebürstet – in die vielseitige Vita Jake Gyllenhaals fügt sich der Film damit reibungslos ein.
Wertung: (7,5 / 10)