Ein Hauch von Zen (RC 1971)

einhauchvonzenIn der Ära der Shaw Brothers dominierte die Form den Inhalt. Die sich dank japanischer Ausbildung nachhaltig verbessernde Inszenierung von Hongkongs Schauspielern und Kung Fu-Akrobaten konnte nur selten die absolute Nebensächlichkeit der Handlungsstrukturen kaschieren. Mit King Hus poetischem Meisterwerk „Ein Hauch von Zen“ änderte sich dies. Auch bei ihm ist die Plotte eher Mittel zum Zweck, dies jedoch unter einer kunstvollen, beizeiten sehr westlich wirkenden Verbindung von Form und Inhalt.

Der Erfolg von „Die Herberge zum Drachentor“ ermöglichte es Hu, gleich mehrere Jahre in sein Wunschprojekt zu investieren. Das Drehbuch, basierend auf den Geistergeschichten des 1715 verstorbenen Autors Pu Song Ling, schrieb er selbst. Daneben entwarf er auch die Kostüme und schnitt das von ihm gedrehte Material. Diese Akribie führt am gängigen Genrekino weit vorbei. Hu agiert in Manier eines Autorenfilmers, eines Künstlers, nicht eines Handwerkers und macht selbst vor Stilmitteln des avantgardistischen europäischen Kinos, wie Split-Screens und Negativ-Bildern nicht halt.

Mit aller Gemütsruhe startet Hu mit Portrait-Künstler Ku Shen Chai (Shih Chun, „Der gelbe Hammer“), der unter der Fuchtel seiner verwitweten Mutter steht. Zusammen bewohnen sie eine verlassene Feste in der Provinz, um die sich Gerüchte von Geistererscheinungen ranken. Die aber sind nur Hirngespinste, in die Welt gesetzt, um Fremde vom Fort fernzuhalten. Als der genügsame Privatgelehrte die Bekanntschaft des Fremden Ouyang Nin macht, gerät er zwischen die Fronten von Herrschaftslegaten und steckbrieflich gesuchten Flüchtlingen. Eine davon ist ausgerechnet die hübsche neue Nachbarin Yang (Hsu Feng, „Die Todespranke des gelben Drachen“), eine Fürstentochter, die aufgrund einer Intrige gegen ihren Vater fliehen musste.

Der Ruhe der Narration steht die ständige Bewegung der Figuren gegenüber, die scheinbar rastlos durch die Lande wuseln, sich umgarnen, verfolgen und schließlich auch bekämpfen. Denn Yang und ihre Begleiter, allen voran der scheinbar blinde Hellseher Shih Wen-chiao (Pai Ying, „Das Erbe der 18 Bronze-Kämpfer“), verfügen über extraordinäre Fähigkeiten im Umgang mit Körper und Schwert. Im fernöstlichen Kino setzte der monumentale Kampfkunst-Klassiker Maßstäbe. Man beachte allein die schier atemberaubende Duellsequenz im Bambuswäldchen, bei dem die Opponenten mit nie zuvor gesehener Grazie artistisch durch die Luft wirbeln. „Ein Hauch von Zen“ ist damit die Geburtsstunde des Wuxia, des historisch umsponnenen Martial-Arts-Films.

Das mystische weicht allmählich dem irdischen und bewegt sich durch die Yang unterstützenden Mönche, die dem Film eine philosophische, mehr noch tief religiöse Note verleihen, in Richtung des Spirituellen. Ihr Eingreifen entscheidet den Kampf mit den Beamten des Obereunuchen, wobei die Schlusssequenz das Hinübergleiten des oberen Geistlichen ins Nirwana aufzeigt. Trotz seines visionären Eifers scheiterte King Hu an den Kinokassen und blieb Zeit seiner Laufbahn ein Außenseiter. Dies beinahe zaghaft in Szene gesetzte, ungemein atmosphärische und über drei Stunde lange Epos, das 1975 in Cannes mit dem Preis der Technikkommission prämiert wurde, machte ihn dennoch unsterblich. Ein wahrhaft unvergessliches Filmerlebnis.

Wertung: 10 out of 10 stars (10 / 10)

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