Dust Devil (GB/ZA/USA 1992)

„I’m from the other side of the mirror. I come for you.“ – die Bestie in Menschengestalt

Independent-Auteur Richard Stanley wollte immer mehr. Vor allem mehr als standardisierten Horror. Das zeigte der gebürtige Südafrikaner bereits mit seinem bemerkenswerten Debütfilm „M.A.R.K. 13 – Hardware“ (1990). Das zwei Jahre später gedrehte Folgewerk „Dust Devil“ sollte ihn als außergewöhnlichen Genrefilmer etablieren. Doch einmal mehr zeigte sich, dass die verkaufsorientierten Vorstellungen der Produzenten – in diesem Falle u. a. die Miramax-Gründer Bob und sein durch die #MeToo-Bewegung als Sex-Monster entlarvter Bruder Harvey Weinstein („Shakespeare in Love“) – kaum Möglichkeiten offenbaren, die ursprüngliche Vision des verantwortlichen Regisseurs Realität werden zu lassen.

So bildet die internationale Kinofassung einen auf seine Horror-Aspekte reduzierten Torso, der mit Stanleys originärer Idee wenig gemein hat. Aus kommerziellem Kalkül heraus mag das berechtigt erscheinen. Nur ist Stanley eben kein Mann für erwartbare wirtschaftliche Erträge. Vielmehr steht sein Ouevre für eine unabhängige Form kreativer Erzählkunst, in der klassische Motive des Schreckens auf mythische Elemente treffen. Im Falle von „Dust Devil“ wird es mitunter gar philosophisch. Aufhänger der – zumindest im gegenüber der Leinwand-Fassung rund 16 Minuten längeren Final Cut – frei von Hast eröffneten Geschichte ist ein namenloser Fremder (charismatisch: Robert John Burke, „RoboCop 3“), der mit Cowboy-Hut und langem Mantel die endlose Weite des südafrikanischen Hinterlands durchstreift.

Doch der einsame Wanderer in der Namib Wüste hütet ein düsteres Geheimnis: Hinter der menschlichen Fassade lauert ein Dämon, der auf der Suche nach Beute ziellos umherstreift. Dabei tötet der von den Einheimischen „Nachtloper“ genannte Gestaltwandler nicht einfach, sondern zerfetzt die Körper seiner Opfer und nutzt die blutigen Bestandteile für schwarzmagische Rituale. Polizist Ben Mukurob (Zakes Mokae, „Die Schlange im Regenbogen“), der hinter dem mysteriösen Mörder Leichen aufsammelt, glaubt nicht an Hokuspokus. Neben ihm muss auch Wendy (Chelsea Field, „Last Boy Scout“) ihren Blick auf die Welt überdenken. Nachdem sie ihren Mann Mark (Rufus Swart, „River of Death“) verlassen hat, begibt sie sich im klapprigen VW-Käfer auf einen Trip ins Ungewisse.

„The Dust Devil must keep moving to survive, blown by the desert wind, on and on, throughout eternity, without rest or pity.“ – Joe

Dass sich ihre Wege mit denen des „Dust Devil“ kreuzen, ist das Herz der Geschichte. Entschleunigt werden die Hauptfiguren ein- und zueinander geführt. Wendy erliegt rasch der Anziehungskraft des mysteriösen Nomaden. Und auch er beginnt sich für sie zu interessieren, aus einem kurzzeitig aufkeimenden Wunsch heraus, der ewigen Einsamkeit zu entfliehen. Als seine diabolische Seite die Oberhand zurückgewinnt, muss auch Wendy um ihr Leben fürchten und flieht in die Wüste. Der von Alpträumen geplagte Ben hingegen konsultiert den Schamanen Joe (John Matshikiza, „Soldier Soldier“) und wird mit einem „Zauberstab“ ausgestattet, über den der Dämon schreiten muss, um besiegt werden zu können.

Bereits dieser letzte Aspekt veranschaulicht, wie wenig sich Stanley um die Regeln des herkömmlichen Horrors schert. Doch sorgte gerade das dafür, dass der Druck der Finanziers seiner Vorstellung auch nach Abschluss der Dreharbeiten entgegenstrebte. Die erste Version, Stanleys Workprint, dauerte rund zwei Stunden. Die britische Produktionsfirma kürzte fast eine halbe Stunde. Und ging nach wenig hoffnungslosen Testvorführungen pleite. Miramax schuf für den US-Markt gar eine eigene Fassung, die unter 90 Minuten lief und den Erzählrhythmus erheblich veränderte. Zwei Jahre nach der Produktion kaufte Stanley das Negativ sowie verbliebenes Material und schuf daraus den 105 Minuten langen, 2006 erstmals vorgestellten Director’s Cut. 

Neben der europäischen Kinofassung sind Workprint und Final (oder eben Director’s) Cut Teil des Mediabooks von Koch Films, das dem keineswegs perfekten, mitunter gedehnt wirkenden und doch wohltuend anders gearteten Nachtmahr verdiente Aufmerksamkeit beschert. Der in Gestik und Schauspiel – in Nebenrollen treten Marianne Sägebrecht („Der Rosenkrieg“) und William Hootkins („Death Machine“) in Erscheinung – abseits der sehenswert agierenden Hauptdarsteller mitunter etwas gekünstelt anmutende Film bietet wirkungsvolle Bilder, staubig, trist und gelbstichig. Höhepunkte kreiert Stanley dabei vor allem in der von Sand teilweise verschlungenen Geisterstadt, in der die aufblitzenden Western-Motive deutlich zur Geltung kommen. Nur das Stilmittel der sich abrupt vom Bildzentrum entfernenden Kamera wird in Summe ein bisschen überstrapaziert. Wer Horror-Einheitsbrei wenig abgewinnen kann, sollte hier definitiv einen Blick riskieren.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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