Der Beitrag von Fruit Chan zur diesjährigen Berlinale war bei manchen der große Aufreger, Hauptdarstellerin Bai Ling sorgte mit freizügigen Auftritten zusätzlich für Gesprächsstoff und schaffte es locker auf die Titelseite der BILD. Solche Schlagzeilen hätte der Film aber an sich gar nicht unbedingt nötig gehabt, Thema und Umsetzung sprechen für sich genommen eine deutliche Sprache.
Die ehemalige Ärztin Mei (Bai Ling) arbeitete vor Jahren in China und hatte dort regelmäßig mit Abtreibungen zu tun, was sie zwangsweise zu ihrem neuen „Job“ führte. Ihre hausgemachten Teigtaschen sind für Menschen mit genügend finanzieller Ausstattung der Renner, vermeiden sie nicht nur das Altern, sondern können bereits gebildete Falten auch mühelos wieder samtweich werden lassen. Die geheime Zutat sind abgetriebene Föten, die sie problemlos von China aus durch den Zoll führen kann. Die neueste Kundin von Mei ist die Schauspielerin Li (Miriam Yeung), die sich jedoch nicht primär von der Verjüngungskur bessere Rollenangebote erhofft, sondern vielmehr die Aufmerksamkeit ihres Mannes (Tony Leung Ka-Fei ), der sich aber lieber mit seiner jüngeren Gespielin vergnügt, als seinen ehelichen Pflichten nachzugehen. Die anfänglichen Erfolge bei der neuen „Diät“ stellen Mei aber noch lange nicht zufrieden. Schneller muss es vonstatten gehen und so erklimmt sie langsam aber sicher jede weitere Stufe zur sozialen Verrohung.
Der Skandalfaktor ist für normale Filmkonsumenten sicherlich hoch. Allerdings beschränkt sich Regisseur Fruit Chan nicht lediglich darauf, schockieren zu wollen, sondern sein Film ist Horror-Farce wie Gesellschaftsdrama gleichzeitig. Dabei ist „Dumplings“ vielleicht näher an der Realität, als man auf den ersten Blick wahrhaben möchte, schließlich sind die vorgegebenen Schönheitsideale immer schwieriger zu erreichen und einiges muss dafür in Kauf genommen werden. Miriam Yeung („My Lucky Star“, „Sound of Colours“) geht dafür bis ans Äußerste, vor allem, weil sie von Anfang an weiß, woraus das von ihr vertilgte Wundermittel besteht. Anfänglicher Ekel weicht schnell einer gewissen Sucht, was letztlich darin endet, gar nicht mehr ohne zu können und dabei selbst alle Grenzen zu überschreiten. Dieser Wahn steht stellvertretend für die gesellschaftliche Oberschicht, der Mittelstand hat mit anderen Problemen zu kämpfen, was auch schonungslos anhand einer 15-jährigen gezeigt wird, die von ihrem Vater geschwängert wurde und die Abtreibung auf dem Küchentisch von Bai Ling vorgenommen wird.
Fruit Chan weiß Schockmomente bzw. Ekel durchaus einzusetzen und scheut auch Nahaufnahmen mit der Kamera mitnichten. Allerdings steht dies nicht unmittelbar im Vordergrund. Gekonnt spielt er damit, zeigt mal mehr, mal weniger. Die Geräuschkulisse, das Knacken und Knirschen während der Mahlzeiten, wirkt dermaßen eindringlich, die Zubereitung der Teigtaschen ekelerregend, wenn das Fleisch klein gehackt und anschließend gekocht wird. Die herrschende Anspannung beim Zuschauer wird aber auf der anderen Seite durch die trockenen Kommentare und Beschreibungen von Bai Ling wieder gelockert, die als kostenlosen Zusatz zu ihrer Dienstleistung regelmäßig Lieder vorträgt.
Hinter „Dumplings“ steckt mehr als nur der gewollte Ekel oder Schock, bereits Filme wie „Ravenous“ hatten Kanibalismus zum Thema, auch dort konnte Menschenfleisch wahre Wunder vollbringen. Angesichts einiger heutiger Diskussionen zur Gentechnik und Fernsehsendungen, in denen sich Männer und Frauen bewusst für vermeintliche Schönheitsideale verstümmeln lassen, ist „Dumplings“ vielleicht näher als man sich zugestehen möchte. Zu schocken vermag er allemal, allerdings sollte er mitnichten nur darauf reduziert werden.
Wertung: (7 / 10)