„Tell me where we start, where we’re going and where we’re going afterwards. I give you five minutes when you get there. Anything happens in that five minutes and I’m yours, no matter what. Anything a minute either side of that and you’re on your own. I don’t sit in while you’re running it down. I don’t carry a gun. I drive.“ – Ein Mann simpler Regeln: Der Driver
Der Triumph des narrativen Minimalismus: In „Drive“ verknüpft Nicolas Winding Refn („Bronson“) den klassischen Genrefilm der 70er und 80er mit dem Anspruch des modernen Arthouse-Kinos. Auf den schnörkellosen Spuren der Thriller-Spezialisten Walter Hill („Driver“) und Michael Mann („Heat“) zeigt sein exzellent inszenierter und bei den Filmfestspielen in Cannes 2011 mit dem Regiepreis ausgezeichneter Großstadt-Krimi desillusionierte Figuren vor der artifiziell visualisierten Kulisse Los Angeles‘. Die Farben sind schillernd, der Elektro-Pop-Sound bewegt sich (kalkuliert) am Rande des Kitschs. Doch unterstreicht die so moderne wie kühle Bildsprache einzig die Einsamkeit der Protagonisten.
Es ist eine Welt der wortkargen Einzelgänger. Ihr Häuptling ist der namenlose Driver, den Ryan Gosling („Blue Valentine“) lakonisch zwischen Verletzlich- und Skrupellosigkeit anlegt. Tagsüber verdingt er sich als Stuntfahrer in Hollywoodfilmen. Nach Einbruch der Nacht, wenn das sonnige Stadtbild ins kalte Licht der Straßenlaternen getaucht ist, braust er als Fluchtwagenfahrer durch das urbane Labyrinth. Dabei folgt er einem gestrengen Ethos, der aber eher der eigenen Sicherheit dient. Menschlich wirkt er verloren, als gelänge es ihm nicht die in ihm schlummernde Bestie zur Räson zu bringen. Einen Ausweg verheißt seine hübsche Nachbarin Irene (Carey Mulligan, „Alles, was wir geben mussten“).
Er verliebt sich in die alleinerziehende Mutter, geht allerdings sofort auf Distanz, als ihr Gatte Standard (Oscar Isaac, „Robin Hood“) aus dem Gefängnis entlassen wird. Der schuldet Gangstern eine Menge Geld. Driver will helfen und bietet sich bei einem bewaffneten Überfall als Fahrer an. Doch die Sache geht gründlich schief und plötzlich steht nicht nur er auf der Abschussliste des jüdischen Mafiosi Nino (Ron Perlman, „Sons of Anarchy“) und seines Partners, dem ehemaligen Filmproduzenten Bernie Rose (Albert Brooks, „Nachrichtenfieber“), sondern auch Irene. Drivers Agent Shannon (Bryan Cranston, „Breaking Bad“) versucht zu schlichten, befeuert aber lediglich die Eskalation.
Die dunkle Seite des Anti-Helden offenbart Regisseur Refn in schonungsloser Brutalität. Die extreme Gewaltdarstellung wirkt nicht zwingend notwendig, verdeutlicht aber insbesondere die Zerrissenheit der Hauptfigur. Am Ende wird der Driver ein Blutbad anrichten, um wenigstens Irene vor den Gangstern zu schützen. Ungeachtet der sorgsam gestreuten Action entpuppt sich „Drive“, basierend auf dem gleichnamigen Roman von James Sallis, als meist elegische Charakterstudie mit bedächtigem Erzählrhythmus. Vor allem die weiblichen Figuren – in einer Nebenrolle tritt Christina Hendricks („Mad Men“) in Erscheinung – bleiben grob umrissen. Der rauschhaft gestaltete Thriller erinnert denn auch mehr an klassisches Männerkino. Nur eben mit ungewohnt anspruchsvoller Note.
Wertung: (9 / 10)