Don’t Breathe 2 (USA 2021)

„Never take anything for granted. God will take it from you.“ – der Blinde

Dass Schurken in Hollywood mitunter zu Helden avancieren, lässt sich u. a. an Arnold Schwarzeneggers „Terminator“-Entwicklung festmachen. Allerdings ließ sich die „Läuterung“ im ersten Sequel des Klassikers leicht erklären. Bei der blinden Nemesis des Horror-Erfolgs „Don’t Breathe“ (2016) erscheint die Sache jedoch deutlich schwieriger. Immerhin versuchte der Ex-Elitesoldat durch Freiheitsentzug und Vergewaltigungsambition seine ganz eigene Vorstellung von Familienplanung durchzusetzen. Doch wie so häufig braucht es auch bei der Fortsetzung seiner Geschichte nur Figuren, die noch verkommener sind, um das von ihm ausgehende Übel gar nicht mehr so gewaltig erscheinen zu lassen.

Allerdings ist es genau dies ambivalente Spiel mit moralischer Positionierung und klassischen Gut-Böse-Schemata, das den Reiz von „Don’t Breathe 2“ ausmacht. Und natürlich die erneut wuchtige Präsenz von „Avatar“-Schurke Stephen Lang, dessen Blinder in einem von ihm Phoenix genannten Mädchen (Madelyn Grace, „They Live in the Grey“) dann doch noch den ersehnten Tochterersatz gefunden hat. Die Einleitung zeigt sie acht Jahre früher auf dem Asphalt liegen, im Hintergrund das brennende Elternhaus. Dabei wird die einstige US-Autobauermetropole Detroit in ausgewaschenen Farben erneut zum Sinnbild des wirtschaftlichen und sozialen Verfalls. In der zweiten präsidialen Amtszeit von Donald Trump erhält das rückblickend eine fast prophetische Aura.

In diesem Setting drillt der strenge Blinde seine Ziehtochter zur Überlebenskünstlerin. Über ihre wahre Herkunft lässt er sie im Unklaren. Das soll sich mit Auftauchen von Raylan (Brendan Sexton III, „El Camino“) ändern. Erst nähert er sich Phoenix bei einem ihrer selten gestatteten Ausflüge in die Stadt, dann versuchen er und seine brutale Bande – darunter Adam Young mit mimischen Parallelen zum jungen Sean Penn – sie aus ihrem wenig geliebten Zuhause zu entführen. Dabei setzt Regisseur Rodo Sayagues, der den Film mit Fede Alvarez („Alien: Romulus“), dem Hauptverantwortlichen des Erstlings, schrieb und – an der Seite von Sam Raimi („Evil Dead“) – auch produzierte, auf Wiederholungen spannungserzeugender Elemente des Originals. 

So erfolgt der Kampf um Phoenix erst im Haus des Blinden und verlagert sich, als auch dort ein Feuer gewütet hat, in einen verlassenen Hotelkomplex. Dort erwartet das Mädchen, das eigentlich Tara heißt, eine Familienzusammenführung, die über die todkranke Mutter (Fiona O’Shaughnessy, „Utopia“) moralische Dimensionen erreicht, die den Blinden geradewegs als Heiligen erscheinen lassen. Oder besser: als einen Engel gerechter Rache. Und so holt der wehrhafte Horror-Zatoichi zu einem Gegenschlag aus, der Phoenix die Freiheit und ihm Läuterung verschaffen soll. Dank der stringenten Erzählung, solider Spannungsspitzen und derber Gewalt bekommt die Zielgruppe exakt das, was zu erwarten war. Dass „Don’t Breathe 2“ dabei lediglich visuell mit dem Vorgänger mithalten kann, stört angesichts des kompetenten Gesamtpakets nicht weiter. Und die Abspannszene belässt sogar noch die Option eines weiteren Auftritts des blinden Anti-Helden.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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