Die Vögel (USA 1963)

the-birdsEines der bemerkenswertesten Elemente in Alfred Hitchcocks „Psycho“ (1960) ist die Darstellung von Vögeln. In seinem Zimmer hat Ur-Psychopath Norman Bates ausgestopfte Vögel als Ornamente an den Wänden platziert. Als stumme Beobachter folgen deren tote Augen seinen Bewegungen. Bei Bates Konversation mit der flüchtigen Marion Crane, die er später in der berühmten Duschsequenz ermorden wird, sagt er: „You know what I think? I think that we’re all in our private traps… and none of us can ever get out. We scratch and claw, but only at the air, only at each other.” Fast scheint es, als nehme Hitchcock in diesem Augenblick das wesentliche Moment seines nächsten Filmes, dem drei Jahre später inszenierten „Die Vögel“ vorweg.

In dieser hintergründigen Untergangsvision muss Protagonistin Tippi Hedren („Marnie“) wortwörtlich kratzen und scharren, um sich vor Schwärmen den Menschen attackierender Vögel zu schützen. Dabei folgt die verwöhnte Tochter aus reichem Hause nur aus Spontaneität Anwalt Rod Taylor („Die Zeitmaschine“) ins verschlafene Küstenstädtchen Bodega Bay. Dieses wird nach ihrer Ankunft unvermittelt zu einem Ort des Grauens, als die aggressiven Piepmätze ohne ersichtlichen Grund zum Angriff übergehen. In Brenners Haus verschanzt man sich, die Gefahr im Schutze des Domizils durchzustehen. Doch wie der Vogel im Käfig sind die Eingeschlossenen der äußeren Übermacht ausgeliefert.

Dem Thema zum Trotze hat „Die Vögel“ nichts mit den B-Movies der fünfziger Jahre gemein. Nach einer Erzählung von Daphne du Maurier spinnt Meisterregisseur Alfred Hitchcock – dessen Filme „Jamaica Inn“ (1939) und „Rebecca“ (1940) ebenfalls auf Werken der britischen Schriftstellerin fußen – einen beklemmender Horror-Thriller, der sich in seiner mitunter amüsanten, an Hollywoods Screwball-Komödien angelehnten Erzählweise, nur langsam entfaltet. Heimtückisch schleicht sich der Schrecken an den Zuschauer heran und gipfelt in ein schier auswegloses Finale von beängstigender Intensität. Erklärung und Ursache überlässt Hitchcock seinem Publikum, dass er in einer abrupten Schlusssequenz überraschend verloren zurück lässt.

Dank guter Schauspieler – gegen die gefiederten Marodeure zur Wehr setzen sich auch Suzanne Pleshette („Geliebter Haustyrann“), Veronica Cartwright („Alien“) und Jessica Tandy („Miss Daisy und ihr Chauffeur“) – und überzeugender Tricks vermag „Die Vögel“ auch nach mehr als vierzig Jahren noch zu fesseln. Mit visuellem Einfallsreichtum, der experimentellen Soundkompositionen Bernard Herrmanns („Psycho“, „Kap der Angst“) und der hervorragenden Kameraführung von Hitchcocks Wegbegleiter Robert Burks („Der unsichtbare Dritte“) avancierte der Thriller schnell zum stilbildenden Klassiker. Die Einflüsse des Films auf die Nachwelt, insbesondere den Horrorfilm, sind unbestritten. Nur die 1994 für das US-Fernsehen nachgeschobene Fortsetzung hat Hitchcocks Werk wahrlich nicht verdient.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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